Pyrrhotin
Pyrrhotin (mit Anlauffarben) aus dem Trepča-Tal, Kosovska Mitrovica, Kosovo (ehemals Jugoslawien) (Größe: 4,8 × 4,1 × 3,4 cm)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Symbol

Pyh

Andere Namen

Magnetkies

Chemische Formel
  • Fe7S8
  • je nach Polytyp FeS bis Fe10S11
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Sulfide und Sulfosalze
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

II/B.09a
II/C.19-020

2.CC.10
02.08.10.01
Ähnliche Minerale Chalkopyrit, Bornit
Kristallographische Daten
Kristallsystem monoklin oder hexagonal
Kristallklasse; Symbol monoklin-prismatisch; 2/m oder
dihexagonal-dipyramidal; 6/m2/m2/m
Raumgruppe siehe Kristallstruktur
Gitterparameter siehe Kristallstruktur
Formeleinheiten siehe Kristallstruktur
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 3,5 bis 4,5
Dichte (g/cm3) gemessen: 4,58 bis 4,65; berechnet: 4,69
Spaltbarkeit keine
Bruch; Tenazität muschelig; spröde
Farbe bronzegelb bis tombakbraun, schnell mattbraun anlaufend
Strichfarbe dunkelgrau bis schwarz
Transparenz undurchsichtig
Glanz Metallglanz
Magnetismus meistens ferromagnetisch entlang der Hauptachse
Weitere Eigenschaften
Chemisches Verhalten schmilzt zu einer schwarzen magnetischen Masse; in Salpetersäure und Salzsäure schwer löslich

Pyrrhotin, veraltet auch als Magnetkies bezeichnet, ist ein häufig vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“. Es kristallisiert je nach Strukturtyp im monoklinen oder hexagonalen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung FeS bis Fe11S12. Andere Quellen wie unter anderem die von der International Mineralogical Association (IMA) herausgegebene Liste der Minerale geben auch die Formel der am weitesten verbreiteten Modifikation Pyrrhotin-4M wieder mit Fe7S8.

Da der Eisengehalt in der Formel strukturbedingt leicht variieren kann, wird oft auch die verallgemeinerte Formel Fe1−xS mit x = 0 bis 0,17 angegeben. Das Mineral ist damit chemisch gesehen ein Eisen(II)-sulfid mit leichter Untersättigung an Eisen.

Pyrrhotin ist in jeder Form undurchsichtig und entwickelt meist tafelige, pyramidale oder prismatische Kristalle, aber auch massige Aggregate von bronzegelber bis tombakbrauner Farbe bei grauschwarzer Strichfarbe. An der Luft läuft Pyrrhotin schnell mattbraun, selten auch bunt irisierend, an.

Etymologie und Geschichte

Ursprünglich war das Mineral vor allem als Magnetischer Kies (kurz Magnetkies) bekannt, wie er auch in den mineralogischen Aufzeichnungen von Abraham Gottlob Werner 1789 zu finden ist. Ernst Friedrich Glocker bezeichnete ihn 1839 auch als Magnetopyrit. In anderen Sprachen finden sich entsprechende Abwandlungen dieser alten Bezeichnungen, so unter anderem in Frankreich (Fer sulfuré magnetic), England (Magnetic sulfuret of iron) und Spanien (Pyrita magnetica).

Die bis heutige gültige Bezeichnung Pyrrhotin erhielt das Mineral 1835 durch August Breithaupt, der es nach dem griechischen Wort πύρρος (pyrrhos) für „feuerfarbig“ benannte.

Klassifikation

Bereits in der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Pyrrhotin zur Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort zur Abteilung der „Sulfide mit M : S = 1 : 1“, wo er zusammen mit Achávalit, Breithauptit, Freboldit, Imgreit (diskreditiert), Jaipurit (Q), Kotulskit, Langisit, Nickelin, Sederholmit, Smythit und Troilit die „NiAs-Reihe“ mit der System-Nr. II/B.09a bildete.

Im Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. II/C.19-20. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Abteilung „Sulfide mit [dem Stoffmengenverhältnis] Metall : S(chwefel), Se(len), Te(llur)  1 : 1“, wo Pyrrhotin zusammen mit Achávalit, Heideit, Jaipurit, Modderit, Smythit, Troilit und Westerveldit eine eigenständige, aber unbenannte Gruppe bildet (Stand 2018).

Die seit 2001 gültige und von der IMA zuletzt 2009 aktualisierte 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Pyrrhotin in die Abteilung der „Metallsulfide, M : S = 1 : 1 (und ähnliche)“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach den in der Verbindung vorherrschenden Metallen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „mit Nickel (Ni), Eisen (Fe), Cobalt (Co) usw.“ zu finden ist, wo es als Namensgeber die „Pyrrhotingruppe“ mit der System-Nr. 2.CC.10 und den weiteren Mitgliedern Smythit und Troilit bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Pyrrhotin in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort in die Abteilung der „Sulfidminerale“ ein. Hier ist er zusammen mit Smythit in der unbenannten Gruppe 02.08.10 innerhalb der Unterabteilung der „Sulfide – einschließlich Seleniden und Telluriden – mit der Zusammensetzung AmBnXp, mit (m+n) : p = 1 : 1“ zu finden.

Kristallstruktur

Vom Pyrrhotin sind, einschließlich des als eigenständiges Mineral anerkannten Troilits mit der idealen Zusammensetzung FeS und hexagonaler Symmetrie, zurzeit sechs verschiedene Polytypen bekannt: Die hexagonalen Hochtemperaturmodifikationen von Pyrrhotin sind allerdings nur oberhalb von 300 °C stabil.

  • Pyrrhotin-5H (Fe9S10) kristallisiert hexagonal in nicht näher bestimmter Raumgruppe mit den Gitterparametern a = 6,89 Å und c = 28,67 Å sowie 4 Formeleinheiten pro Elementarzelle.
  • Pyrrhotin-6M (Fe11S12) kristallisiert monoklin in nicht näher bestimmter Raumgruppe mit den Gitterparametern a = 6,90 Å; b = 11,95 Å, c = 34,52 Å und β = 90,0 ° sowie 8 Formeleinheiten pro Elementarzelle.
  • Pyrrhotin-7H (Fe9S10) kristallisiert hexagonal in nicht näher bestimmter Raumgruppe mit den Gitterparametern a = 6,89 Å und c = 40,15 Å sowie 56 Formeleinheiten pro Elementarzelle.
  • Pyrrhotin-11H (Fe10S11) kristallisiert hexagonal in nicht näher bestimmter Raumgruppe mit den Gitterparametern a = 6,90 Å und c = 63,22 Å sowie 8 Formeleinheiten pro Elementarzelle.

Bis auf den Troilit, der fast ausschließlich in Meteoriten gefunden wird, sind alle anderen Polytypen an Eisen (Fe) unterbesetzt, was auf Leerstellen im Kristallgitter zurückzuführen ist.

Eigenschaften

Pyrrhotin ist meist ferromagnetisch. Vor dem Lötrohr schmilzt er zu einer schwarzen magnetischen Masse und in Salpetersäure und Salzsäure ist er nur schwer löslich.

Bildung und Fundorte

Pyrrhotin bildet sich überwiegend liquidmagmatisch in intramagmatischen Sulfid-Lagerstätten sowie in sulfidführenden Pegmatiten, wo er meist in Paragenese mit andern Sulfiden wie unter anderem Chalkopyrit, Markasit, Pentlandit und Pyrit auftritt.

Als Nebengemengteil findet sich Pyrrhotin auch in basisch-magmatischen, seltener auch sauren Gesteinen sowie in Stein- und Eisenmeteoriten.

Daneben bildet sich Pyrrhotin auch in der hydrothermalen Nachphase von pneumatolytischen Verdrängungslagerstätten und anderen hydrothermalen Erzlagerstätten mit höherer Bildungstemperatur. Hier finden sich neben Chalkopyrit und Pyrit unter anderem noch Galenit, eisenreicher Sphalerit, Arsenopyrit und Antimonit als Begleitminerale. In regionalmetamorph umgewandelten Gesteinen der Katazone ist meist Pyrit in Pyrrhotin überführt.

In Sedimenten und Sedimentgesteinen findet sich Pyrrhotin dagegen nur selten, da er in deren Oxidationszone leicht zersetzt wird.

Als häufige Mineralbildung konnte Pyrrhotin bereits an über 6600 Fundorten (Stand: 2012) nachgewiesen werden. Große Lagerstätten mit industrieller Bedeutung sind unter anderem Greater Sudbury (Ontario) in Kanada und Talnach (englisch Talnakh) in Russland.

Bekannt aufgrund außergewöhnlicher Pyrrhotin-Funde sind vor allem Trepča im Kosovo und Dalnegorsk in Russland, wo tafelige Kristalle von bis zu 30 Zentimetern Durchmesser gefunden wurden. Bei Santa Eulalia (Chihuahua) in Mexiko traten bis zu 15 Zentimeter große Kristalle zutage und bei Chiuzbaia (Baia Sprie) und Cavnic in Rumänien fanden sich zwischen 11 und 15 Zentimeter große Kristalle. Weitere bekannte Fundorte mit guten Pyrrhotin-Funden von meist mehreren Zentimetern Größe sind unter anderem die „Morro Velho Mine“ bei Nova Lima (Minas Gerais) in Brasilien und die „Blue Bell Mine“ in der kanadischen Provinz British Columbia.

In Deutschland fand sich das Mineral bisher an vielen Fundorten in Baden-Württemberg (Schwarzwald, Kaiserstuhl, Kraichgau, Odenwald) und Bayern (Bayerischer Wald, Fichtelgebirge, Oberpfalz), bei Niederlehme in Brandenburg, an vielen Orten in Hessen (Dillenburg, Fulda, Odenwald), bei Adelebsen, Peine und im Harz in Niedersachsen, an vielen Orten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz (Eifel, Sauerland, Siebengebirge, Siegerland), bei Reimsbach im Saarland, bei Gernrode, Neudorf, Stolberg und Tarthun in Sachsen-Anhalt, an vielen Orten in Sachsen (Erzgebirge, Schwarzenberg, Oberlausitz, Vogtland), am Kammberg bei Joldelund in Schleswig-Holstein sowie bei Drosen und Loitsch in Thüringen.

In Österreich trat Pyrrhotin vor allem in Kärnten und Salzburg in den Gebieten um Friesach-Hüttenberg, den Hohen Tauern, Gailtaler Alpen, Karnische Alpen, Gurktaler Alpen und der Koralpe auf. Des Weiteren wurde aber auch im Burgenland am Pauliberg und bei Bernstein, an mehreren Fundstätten in Niederösterreich wie unter anderem im Waldviertel, der Steiermark (Fischbacher Alpen, Koralpe), in Nord- und Ost-Tirol, in Oberösterreich (Mühlviertel, Windischgarsten) sowie in Vorarlberg (Unterklien, Montafon) auf.

In der Schweiz konnte das Mineral an mehreren Fundorten in den Kantonen Bern, Graubünden (Vorderrheintal), Tessin (Lago Maggiore, Maggiatal), Uri (Reusstal) und vor allem Wallis (Binntal) gefunden werden.

Auch in einigen Mineralproben vom Mittelatlantischen Rücken, ostpazifischen Rücken und vom Roten Meer (Atlantis II Deep) sowie im Kometenstaub des Wild 2 konnte Pyrrhotin nachgewiesen werden.

Verwitterung und Schäden

Bei der Verwitterung, d. h. Oxidation von Pyrrhotin durch anwesenden Sauerstoff wird Schwefel freigesetzt, der wiederum zur Bildung von Ettringit führt. Vor allem bei Bauwerken aus Beton mit hohen Pyrrhotingehalten kann dies durch die Ausdehnung des zusätzlich entstehenden Ettringits zu schweren Schäden durch Rissbildungen führen.

So wurde 2022 nach aufwändigen Analysen der Schweizer Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) in der irischen Grafschaft Donegal festgestellt, dass die an vielen Häusern entstandenen massiven Bauschäden nicht wie vermutet durch Frost, sondern durch Pyrrhotin in den Betonwänden verursacht wurden. Pyrrhotin ist dort im Baumaterial in großen Anteilen vorhanden.

Verwendung

Pyrrhotin wird bei lokaler Anhäufung gelegentlich als Eisenerz verwendet, häufiger jedoch im Zusammenhang mit Pentlandit als Nickelerz. Darüber hinaus dient Pyrrhotin gelegentlich auch als Grundstoff zur Herstellung von Polierrot, einem altbekannten, noch immer geschätzten Mittel zur Feinpolitur von Metallen und Gläsern, sowie zur Herstellung von Eisenvitriol.

Siehe auch

Literatur

Commons: Pyrrhotin (Pyrrhotite) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  2. 1 2 Malcolm Back, William D. Birch, Michel Blondieau und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: July 2020. (PDF; 2,44 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Juli 2020, abgerufen am 14. August 2020 (englisch).
  3. 1 2 3 Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 86 (englisch).
  4. David Barthelmy: Pyrrhotite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 14. August 2020 (englisch).
  5. 1 2 3 Martin Okrusch, Siegfried Matthes: Mineralogie. Eine Einführung in die spezielle Mineralogie, Petrologie und Lagerstättenkunde. 7., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Springer, Berlin [u. a.] 2005, ISBN 3-540-23812-3, S. 36–37.
  6. 1 2 3 Pyrrhotite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 67 kB; abgerufen am 14. August 2020]).
  7. 1 2 Hans Lüschen: Die Namen der Steine. Das Mineralreich im Spiegel der Sprache. 2. Auflage. Ott Verlag, Thun 1979, ISBN 3-7225-6265-1, S. 269.
  8. Albert Huntington Chester: A dictionary of the names of minerals inluding their history and etymology. 1. Auflage. John Wiley & Sons, London 1896, S. 164 (englisch, online verfügbar bei archive.org Internet Archive [abgerufen am 14. August 2020]).
  9. Pyrrhotin. In: geomuseum.tu-clausthal.de. GeoMuseum TU Clausthal, abgerufen am 14. August 2020.
  10. Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  11. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,82 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 14. August 2020 (englisch).
  12. Magnetkies. In: geodz.com. Geo Data Zone, 5. Mai 2020, abgerufen am 14. August 2020.
  13. 1 2 3 4 Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 189–190.
  14. Pyrrhotite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 14. August 2020 (englisch).
  15. Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie (= Dörfler Natur). Edition Dörfler im Nebel-Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 978-3-89555-076-8, S. 32.
  16. 1 2 3 4 Fundortliste für Pyrrhotin beim Mineralienatlas und bei Mindat, abgerufen am 14. August 2020.
  17. Grund für milliardenschwere Bauschäden aufgeklärt – Brüchige Betonwände: Empa-Forscher finden Ursache. In: admin.ch. Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, 20. Dezember 2022, abgerufen am 20. Dezember 2022.
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