Eine Mannigfaltigkeit mit Rand ist ein mathematisches Objekt aus der Differentialgeometrie. Es handelt sich hierbei nicht um einen Spezialfall einer Mannigfaltigkeit, sondern ganz im Gegenteil um eine Verallgemeinerung. Viele Strukturen, welche man auf einer Mannigfaltigkeit definieren kann, lassen sich auf Mannigfaltigkeiten mit Rand übertragen.

Eine Mannigfaltigkeit ohne Rand ist eine Mannigfaltigkeit mit Rand, bei der der Rand die leere Menge ist.

Definitionen

Mannigfaltigkeit mit Rand

Mit

wird hier der obere Halbraum bezeichnet. Dieser ist mit der Teilraumtopologie von versehen, insbesondere ist also als Ganzes sowohl eine offene als auch eine abgeschlossene Menge.

Eine -dimensionale topologische Mannigfaltigkeit mit Rand ist ein Hausdorff-Raum, welcher dem zweiten Abzählbarkeitsaxiom genügt und in dem jeder Punkt eine offene Umgebung besitzt, die zu einer offenen Teilmenge des oberen Halbraums homöomorph ist.

Verallgemeinerte Karte

Eine offene Teilmenge zusammen mit einem Homöomorphismus , wobei offen in ist, wird verallgemeinerte Karte genannt.

Rand

Der Rand von in ist die Menge der Punkte mit . Ist eine berandete Mannigfaltigkeit, so nennt man die Punkte, welche von einer (dann notwendigerweise jeder) Kartenabbildung auf einen Punkt von abgebildet werden, einen Randpunkt von . Die Menge aller Randpunkte wird mit bezeichnet.

Die Zusammenhangskomponenten von heißen Randkomponenten.

Strukturen

Differenzierbare Struktur

Ähnlich wie auf einer unberandeten Mannigfaltigkeit kann man auch auf einer Mannigfaltigkeit mit Rand eine differenzierbare Struktur definieren. Diese besteht aus einer Überdeckung mit verallgemeinerten Karten, wobei für alle Paare solcher Karten und die Abbildung

ein Diffeomorphismus sein muss. Falls die Definitionsmenge von noch Randpunkte von enthält, so muss man eine offene Menge aus , welche enthält, aber nicht mehr in liegt, wählen, um auf Differenzierbarkeit zu untersuchen. Es ist natürlich auch nicht möglich, für jede Mannigfaltigkeit mit Rand eine differenzierbare Struktur zu definieren. Mannigfaltigkeiten mit Rand können wie normale Mannigfaltigkeiten auch mehrere, unterschiedliche differenzierbare Strukturen haben.

Orientierung

Bei einer berandeten (differenzierbaren) Mannigfaltigkeit ist der Rand eine Untermannigfaltigkeit von . Wird vorausgesetzt, dass orientierbar ist, dann ist auch der Rand orientierbar. Dies ist nicht selbstverständlich, da es Untermannigfaltigkeiten gibt, die nicht orientierbar sind.

Satz von Stokes

Mithilfe berandeter Mannigfaltigkeiten kann man den stokesschen Integralsatz prägnant und elegant formulieren. Sei eine orientierte, n-dimensionale, differenzierbare Mannigfaltigkeit mit Rand und sei eine Differentialform vom Grad , welche kompakten Träger hat, dann gilt

Hat keinen Rand, so ist das rechte Integral null, und ist eine eindimensionale Mannigfaltigkeit, so ist das rechte Integral eine endliche Summe.

Mannigfaltigkeit mit Ecken

Definition

Sei die Menge aller Punkte des , bei denen sämtliche Koordinaten nichtnegativ sind:

Diese Teilmenge ist homöomorph, jedoch nicht diffeomorph zu . Sei eine (topologische) Mannigfaltigkeit mit Rand. Eine Mannigfaltigkeit mit Ecken ist eine Mannigfaltigkeit, welche lokal diffeomorph zu offenen Teilmengen des ist. In diesem Fall heißen die Karten von Karten mit Ecken. Eine Karte mit Ecken ist also ein Paar , wobei eine offene Teilmenge von und ein Homöomorphismus ist. Zwei Karten mit Ecken und heißen verträglich, falls glatt ist.

Eine glatte Struktur mit Ecken auf einer topologischen Mannigfaltigkeit mit Rand ist die maximale Menge aller verträglichen Karten mit Ecken, welche überdecken. Eine topologische Mannigfaltigkeit mit Rand zusammen mit einer glatten Struktur mit Ecken heißt Mannigfaltigkeit mit Ecken.

Anmerkungen

Da homöomorph zu ist, sind Mannigfaltigkeiten mit Rand und Mannigfaltigkeiten mit Ecken topologisch nicht zu unterscheiden. Aus diesem Grund hat es auch keinen Sinn, eine Mannigfaltigkeit mit Ecken ohne differenzierbare Struktur zu definieren. Ein Beispiel für eine Mannigfaltigkeit mit Ecken sind Rechtecke.

Literatur

  • John M. Lee: Introduction to Smooth Manifolds (= Graduate Texts in Mathematics 218). Springer-Verlag, New York NY u. a. 2003, ISBN 0-387-95448-1.
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