Der Rhön-Segelflugwettbewerb war von 1920 bis 1939 eine jährliche Luftsportveranstaltung auf der Wasserkuppe in der Rhön. Im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe wurde von den teilnehmenden Flugzeugkonstrukteuren, -bauern und -piloten der Gleitflug zum modernen Segelflug weiterentwickelt.

Ausschreibung und Durchführung

Der initiative Aufruf zum ersten Wettbewerb vom 15. Juli bis 31. Aug 1920 erfolgte am 24. März 1920 in der Ausgabe No. 6/7 der Zeitschrift Flugsport durch den Flugtechnischen Verein Dresden, der 1920 den Verband Deutscher Modell- und Gleitflugvereine leitete. Als Veranstaltungsziele wurden die „einwandfreie, fachmännische und vergleichsfähige Wertung von Gleitflugleistungen“, die „rationelle Ausübung des Gleitflugsportes und Gleitflugstudiums“ und „die Lösung des Segelflugproblems“ benannt. Die organisatorische „Oberleitung des Rhön-Segelfluges“ hatte bei den ersten Veranstaltungen Oskar Ursinus inne.

Unterstützt wurde die Initiative vom Reichsamt für Luft- und Kraftfahrwesen, das auch eine Basisfinanzierung von 10.000 Mark zur Verfügung stellte. Weitere Spenden von Firmen, Vereinen und Privatpersonen (z. B. Karl Kotzenberg) deckten die Kosten für die Organisation und die ausgeschriebenen Preise.

Ausgeschrieben waren 1920 Preise für die größte erreichte Flugstrecke und die längste Flugdauer. Die Heranziehung des Gleitwinkels bzw. der kleinsten Sinkgeschwindigkeit sollte „als Wertmesser angestrebt werden“. Ein geeignetes Bewertungsmaß beim Segelflug, die erreichte Flughöhe über dem Abflugsort, war 1920 nicht einwandfrei messbar. Daher diente als Maß die Zeitdauer des Seglers sich ohne Höhenverlust in der Luft zu halten.

In den Folgeveranstaltungen wurden die ausgeschriebenen Preise weiter differenziert. Sie umfassten z. B. „die größte Flugdauer“ auf einem Flug, die größte Gesamtflugdauer bei verschiedenen Flügen, die „kleinste mittlere Fallgeschwindigkeit“, die größte Flugstrecke und Preise zur Verfügung des Preisgerichts. Einen besonderen Anreiz bot 1922 die Luftfahrtindustrie mit einem hohen Preisgeld von 100.000 Mark für einen 40-minütigen Segelflug mit Rückkehr zum Startplatz und anschließendem 5 km Streckenflug in gerader Richtung.

Im August 1924 wurde auf Initiative von Oskar Ursinus und Karl Kotzenberg der Flugverein Rhön-Rossitten-Gesellschaft gegründet, der sich als Bindeglied zwischen Flugsport und flugwissenschaftlicher Forschung und Entwicklung verstand und unter anderem von 1925 bis 1933 die Rhönwettbewerbe veranstaltete. Ab 1934 übernahm der Deutsche Luftsport-Verband den Wettbewerb und ab 1938 das Nationalsozialistische Fliegerkorps.

Nach dem 20. Rhön-Wettbewerb 1939 kam es wegen des Zweiten Weltkriegs zum Ende der Rhön-Wettbewerbe. Nach dem Krieg war der Segelflug zwar wieder ab 1951 erlaubt, aber das Gelände in der Rhön war wegen der Nähe zur innerdeutschen Grenze für den Segelflug nicht mehr optimal geeignet. Hinzu kam der technische Fortschritt beim Start, der mit Winde oder Schleppflugzeug überall möglich war. Die Deutschen Segelflugmeisterschaften als Nachfolgetreffen der Rhön-Wettbewerbe waren nicht mehr ortsgebunden.

Erzielte Flugleistungen bei den Rhön-Wettbewerben

Jahr Beschreibung Leistung Flugzeug Entwurf Pilot Eigentümer Anmerkungen
1920 größte erreichte Flugstrecke 1,83 km FVA-1 Kármán, Klemperer Klemperer FVA Einführung des Gummiseilstarts
1920 längste Flugdauer 0:02:22 h FVA-1 Kármán, Klemperer Klemperer FVA
1920 größte erreichte Flugstrecke (Gleiter gewichtskraftgesteuert) 500 m Pelzner Zweidecker Pelzner Pelzner Fliegervorschule Nürnberg
1921 größte Gesamtflugdauer Pelzner Zweidecker Pelzner Pelzner Pelzner
1921 längste Flugdauer (am 30. August 1921, nach Ende des Wettbewerbs) 0:13:03 h FVA-2 Klemperer Klemperer FVA
1921 größte erreichte Flugstrecke (am 30. August 1921, nach Ende des Wettbewerbs) 5,0 km FVA-2 Klemperer Klemperer FVA
1921 längste Flugdauer (am 5. September 1921, nach Ende des Wettbewerbs) 0:15:40 h Vampyr Madelung Martens Akaflieg Hannover Segelflug Dauer-Weltrekord
1921 größte erreichte Flugstrecke (am 5. September 1921, nach Ende des Wettbewerbs) 7,5 km Vampyr Madelung Martens Akaflieg Hannover Segelflug Strecken-Weltrekord
1922 Industriepreis (Segelflug am Startplatz mit anschließendem Streckenflug) 9,0 km, 1:06:00 h Vampyr Madelung Martens Akaflieg Hannover
1922 Dauerflug 3:06:00 h Vampyr Madelung Hentzen Akaflieg Hannover
1922 Höhenflug 350 m Vampyr Madelung Hentzen Akaflieg Hannover
1923 Höhenflug 310 m S 14 Messerschmitt Hackmack
1924 Streckenflug 12 km D-9 Konsul Botsch, Spies Fuchs Akaflieg Darmstadt
1925 Fernsegelflugpreis 21,0 km D-9 Konsul Botsch, Spies Nehring Akaflieg Darmstadt
1926 Fernsegelflugpreis 55,2 km Kegel Eigenbau Kegel Kegel Kegel Gewitterflug
1927 Fernsegelflugpreis 51,8 km D-17 Darmstadt Völker Nehring Akaflieg Darmstadt
1928 Dauerflug 7:54:00 h Rhöngeist Lippisch Kronfeld
1928 Fernsegelflugpreis 71,2 km D-17 Darmstadt Völker Nehring Akaflieg Darmstadt
1928 Höhenrekordprämie 775 m Albert E. Dittmar
1929 Fernsegelflugpreis 150 km Wien Lippisch Kronfeld
1929 Fernzielflugpreis 10,1 km Lore Laubenthal Hirth Hirth
1930 Fernsegelflugpreis 161 km Wien Lippisch Kronfeld
1930 Fernzielflugpreis 14,5 km Wien Lippisch Kronfeld
1931 1. Fernsegelflugpreis 220 km Fafnir Lippisch Groenhoff
1931 2. Fernsegelflugpreis 192 km Musterle Laubenthal Hirth
1932 Fernsegelflugpreis 155 km Musterle Laubenthal Hirth
1932 Höhenforschungspreis 2185 m Pommernland Testaflieg e.V. Mayer Testaflieg e.V.
1933 1. Fernsegelflugpreis 176 km Moazagotl Hirth Hirth Segelflugschule Hornberg
1933 2. Fernsegelflugpreis 164 km Fafnir Lippisch Riedel
1933 Fernzielflug Condor H. Dittmar Dittmar Dittmar
1934 Fernsegelflugpreis über 300 km Sao Paulo Dittmar Dittmar
1934 Fernsegelflugpreis über 300 km Moazagotl Hirth Hirth Segelflugschule Hornberg
1935 Größte Punktzahl, weitester Flug 502 km Rhönadler Jacobs Oeltzschner Luftsport-Landesgruppe Dresden
1936 Größte Punktzahl, weitester Flug 252 km Atalante Scheibe Schmidt Schmidt
1937 Größte Punktzahl 5954,5 Pkt. Mü 10 Scheibe Karch/Zimmermann DVL
1938 Größte Punktzahl 3855,9 Pkt. Reiher I Jacobs Späte DFS
1939 Größte Punktzahl 2550 Pkt. Reiher III Jacobs Kraft DFS

Unfälle

  • 9. August 1920: An Eugen v. Loessls Maschine bricht im Flug die linke Höhensteuerfläche. Eugen v. Loessl verliert die Gewalt über sein Flugzeug und kommt beim Absturz ums Leben.
  • 14. August 1921: An Willy Leuschs Nurflügler „Weltensegler“ geraten im Kurvenflug die Außenflügel ins Flattern. Die Maschine stürzt in einer Spirale zu Boden und Willy Leusch kommt ums Leben.
  • 30. August 1923: An Max Standfuß Erfurter Eindecker bricht durch eine „scharfe Böe“ der Flügel, die Maschine stürzt „aus ungefähr 30 m Höhe“ ab. Max Standfuß wird verletzt geborgen und erliegt seinen Verletzungen im Krankenhaus.
  • 23. Juli 1932: Günther Groenhoff stürzt während des 13. Rhönwettbewerbes unterhalb des Pferdskopfs mit dem Fafnir ab und kommt ums Leben.
  • 1. August 1935: Rudolf Oeltzschner verunglückt mit seinem Rhönadler im Schlepp einer Motormaschine tödlich. Er ist auf dem Rückflug von seinem Langstrecken-Weltrekord über 504 km, den er am 31. Juli 1935 während des 16. Rhönwettbewerbs aufstellte.

Literatur

  • Georg Brütting: Geschichte der Segelflugbewegung. In: Wolf Hirth (Hrsg.): Handbuch des Segelfliegens. 7. Auflage. Franckh’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1957.
  • Frank-Dieter Lemke, Rolf Jacob: Forschen – Bauen – Fliegen. Die Akademischen Fliegergruppen (Akaflieg) in Deutschland bis 1945. Teil 1. In: Flieger Revue extra. Nr. 29. möller Buch und Zeitschriften Verlag GmbH, 2010, ISSN 2195-1233, S. 18–31.
  • Flugsport – illustrierte flugtechnische Zeitschrift für das gesamte Flug-Wesen. In: Carl Oskar Ursinus (Hrsg.): Flugsport. Verlag für Flugsport, Frankfurt am Main 1920 (Flugsport in der luftfahrt-bibliothek.de [abgerufen am 5. März 2020]).
  • Peter Riedel: Start in den Wind. Erlebte Rhöngeschichte 1911–1926. Motorbuch, Stuttgart 1977, ISBN 3-87943-539-1.
  • Peter Riedel: Vom Hangwind zur Thermik. Erlebte Rhöngeschichte 1927–1932. Motorbuch, Stuttgart 1984, ISBN 3-87943-981-8.
  • Peter Riedel: Über sonnige Weiten. Erlebte Rhöngeschichte 1933–1939. Motorbuch, Stuttgart 1985, ISBN 3-613-01047-X.
  • Gerhard Wissmann: Abenteuer in Wind und Wolken. Die Geschichte des Segelfluges. Transpress, Berlin 1988, ISBN 3-344-00275-9.
Commons: Rhön contests – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1 2 Geschichte der Segelflugbewegung, S. 12.
  2. Flugsport 1920 No. 6/7, 24. März 1920, S. 153, 154.
  3. Flugsport 1920 No. 9, 28. April 1920, S. 200.
  4. Flugsport 1921 No. 3, 2. Februar 1921, S. 55–57.
  5. Flugsport 1922 No. 4, 22. Februar 1922, S. 70.
  6. Flugsport 1934 No. 7, 4. April 1934, S. 141.
  7. Flugsport 1938 No. 7, 30. März 1938, S. 155.
  8. Ludwig Bölkow (Hrsg.): Ein Jahrhundert Flugzeuge: Geschichte und Technik des Fliegens. Springer-Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-642-95775-8, S. 474–483.
  9. Hans Christoph Graf von Seherr-Thoß: Klemperer, Wolfgang. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 12, Duncker & Humblot, Berlin 1980, ISBN 3-428-00193-1, S. 36 f. (Digitalisat).
  10. Flugsport 1927 No. 17, 17. August 1927, S. 337.
  11. Flugsport 1928 No. 18, 29. August 1928, S. 346.
  12. Flugsport 1928 No. 18, 29. August 1928, S. 347.
  13. Flugsport 1928 No. 17, 15. August 1928, S. 306.
  14. 1 2 Flugsport 1929 No. 16, 7. August 1929, S. 313.
  15. 1 2 Flugsport 1930 No. 18, 3. September 1930, S. 304.
  16. 1 2 Flugsport 1931 No. 17, 19. August 1931, S. 288.
  17. 1 2 Flugsport 1932 No. 17, 17. August 1932, S. 320.
  18. 1 2 3 Flugsport 1933 No. 18, 30. August 1933, S. 390.
  19. 1 2 Flugsport 1934 No. 17, 22. August 1934, S. 380.
  20. Flugsport 1935 No. 16, 7. August 1935, S. 351.
  21. Flugsport 1936 No. 18, 2. September 1936, S. 427.
  22. Flugsport 1937 No. 17, 18. August 1937, S. 459.
  23. Flugsport 1938 No. 17, 17. August 1938, S. 445.
  24. Flugsport 1939 No. 17, 16. August 1939, S. 427.
  25. Flugsport 1920 No. 16/17, 11. August 1920, S. 366.
  26. Flugsport 1923 No. 14, 12. September 1923, S. 132.
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