Riemannsche Normalkoordinaten (nach Bernhard Riemann; auch Normalkoordinaten oder Exponentialkoordinaten) bilden ein besonderes Koordinatensystem, welches in der Differentialgeometrie betrachtet wird. Hier wird der Tangentialraum an als lokale Karte der Mannigfaltigkeit in einer Umgebung von verwendet. Solche Koordinaten sind einfach zu handhaben und finden daher auch Anwendung in der allgemeinen Relativitätstheorie.

Definition

Sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit mit einem affinen Zusammenhang und sei eine beliebige Kurve, welche die Geodätengleichung erfüllt. Mit werde der Tangentialraum am Punkt bezeichnet und für werde mit

die Exponentialabbildung bezeichnet. Durch eine Wahl einer Orthonormalbasis von erhält man einen Isomorphismus

welcher durch definiert ist. Sei weiter eine offene Umgebung von , auf welcher die Exponentialabbildung ein Diffeomorphismus ist, und für welche gilt. Dann erhält man eine Abbildung

Da bzw. auf den entsprechenden Definitionsbereichen einen Isomorphismus bzw. Diffeomorphismus definiert, ist auch ebenfalls diffeomorph und kann somit als Kartenabbildung angesehen werden. Die lokalen Koordinaten, welche man durch diese Karten erhält, heißen riemannsche Normalkoordinaten.

Eigenschaften

Sei eine riemannsche oder pseudo-riemannsche Mannigfaltigkeit und lege zentrierte riemannsche Normalkoordinaten in fest. Es gilt:

  • Für alle hat die Geodäte , welche in mit dem Geschwindigkeitsvektor beginnt, in riemannschen Normalkoordinaten die Darstellung
solange in bleibt.
  • Die Koordinaten von sind .
  • Die Komponenten der riemannschen Metrik in sind .
  • Die Christoffelsymbole in sind null.
  • Ist der Levi-Civita-Zusammenhang (oder ein anderer metrischer Zusammenhang), dann gilt

Physikalische Sicht

Physikalisch betrachtet beschreiben Normalkoordinaten im Raumzeitpunkt das Ruhesystem eines frei fallenden Beobachters im Punkt . Dieser Punkt wird als Ursprung des Koordinatensystems festgelegt. Normalkoordinaten eignen sich zur Beschreibung des Äquivalenzprinzips der allgemeinen Relativitätstheorie. In Normalkoordinaten sind alle Geodäten durch den Ursprung Geraden in der vierdimensionalen Raumzeit. Damit wird verständlich, was die Äquivalenz frei fallender Beobachter mit Beobachtern in Inertialsystemen bedeutet. Da nur die Geodäten durch einen einzigen Raumzeitpunkt Geraden sind, ist das Äquivalenzprinzip nur in einem einzelnen Raumzeitpunkt genau gültig. Die krummen Geodäten, die nicht durch den Ursprung laufen, werden vom Beobachter durch Gezeitenkräfte erklärt.

In Normalkoordinaten lässt sich der metrische Tensor in einem Punkt der pseudo-riemannschen Mannigfaltigkeit als Reihenentwicklung in angeben. Bis zur 5. Ordnung hat man somit:

dabei sind die Komponenten der Minkowski-Metrik und die Komponenten des riemannschen Krümmungstensors, wobei die einsteinsche Summenkonvention verwendet wurde. Mit zunehmendem Abstand des Punktes vom Koordinatenursprung bei weicht der metrische Tensor immer mehr von der flachen Minkowski-Metrik ab, wobei der (durch ein Christoffel-Symbol gegebene) Koeffizient erster Ordnung in diesen Koordinaten gerade verschwindet, und die erste nichtverschwindende Korrektur zur flachen Minkowski-Metrik somit erst in quadratischer Ordnung auftritt und durch den Riemanntensor gegeben ist. Die Koeffizienten in den höheren Ordnungen sind durch nicht-kommutative Tensorpolynome im Riemanntensor und seinen kovarianten Ableitungen gegeben, die hier mithilfe der Semikolon-Schreibweise kompakt dargestellt werden, d. h. . Über Indizes in runden Klammern wird symmetrisiert und in senkrechten Strichen eingeschlossenen Indizes, sind von der Symmetrisierung ausgeschlossen.

Literatur

  • John M. Lee: Riemannian Manifolds. An Introduction to Curvature. Springer, New York 1997, ISBN 0387983228.
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