Eine induktive Höranlage, auch Induktionsschleifenanlage, Induktionsschleife, seltener Ringschleifenanlage, ist eine technische Einrichtung, mit der Audiosignale wie Musik oder Redebeiträge in Veranstaltungsräumen für schwerhörige Personen zugänglich gemacht werden können. Die Tonsignale werden dazu in analoge elektrische Ströme umgewandelt und diese über eine im Raum ausgelegte Induktionsschleife als elektromagnetisches Wechselfeld ausgesendet. Mit Hörgeräten, die eine spezielle eingebaute Empfangspule haben, können diese Tonsignale empfangen und störungsarm wiedergegeben werden.

Aufbau und Funktionsweise

Das System besteht aus einer Signalquelle (z. B. Mikrofon bzw. die üblicherweise schon vorhandene Mikrofonanlage), einer elektronischen Verstärkerschaltung (technisch ein Stromverstärker im Gegensatz zu einem Spannungsverstärker für die Lautsprecher), einer Induktionsschleife mit meist nur einer Windung und dem Hörgerät bzw. einem Induktionsempfänger als Empfangsgerät.

Die Induktionsschleife wird um den zu versorgenden Raum herum, etwa entlang der Innenwände, verlegt und mit dem Verstärkergerät verbunden. Ist der Raum größer (z. B. Breite mehr als etwa 6–10 m) oder es gibt Stahlarmierungen, dann sind spezielle Verlegungsformen sinnvoll (z. B. Acht, Doppelacht, Kleeblatt oder Looparray). Im Betrieb wird von dieser Kabelschleife ein magnetisches Wechselfeld ausgesandt, das in der Empfangsspule des Hörgeräts durch elektromagnetische Induktion eine elektrische Spannung erzeugt, deren Verlauf dem des Audiosignals gleicht. Im Hörgerät wird diese durch den Audioverstärker verstärkt, dem individuellen Hörverlust angepasst und über den Ohrhörer an das Trommelfell des Trägers geleitet.

Um solche Induktionsschleifenanlagen nutzen zu können, muss das Hörgerät über eine so genannte Telefonspule (kurz: „T-Spule“) verfügen, die das magnetische Wechselfeld der Induktionsschleife aufnimmt. Üblicherweise wird bei der Nutzung der T-Spule das Mikrofon des Hörgerätes deaktiviert. Ein Großteil der Hörgeräte (ca. 82–85 %) besitzt solch eine T-Spule, die meist in Hörgeräteakustikerfilialen nicht aktiviert wird. Hintergrund der häufigen Deaktivierung der T-Spule ist, dass eine versehentliche Aktivierung zu Verwirrung gerade bei weniger Technikaffinen führen kann. In solch einer Situation ist nur noch ein Brummen zu hören, was den Eindruck eines Gerätedefekts hervorrufen kann.

Anwendung

Induktive Höranlagen finden vor allem in öffentlichen Gebäuden und Veranstaltungsräumen wie z. B. Kirchen, Kinos, Theatern und Vortragssälen Anwendung. Nach der Bundesbaurichtlinie müssen öffentliche Gebäude dann, wenn eine Lautsprecheranlage installiert wird, auch – sofern machbar – mit einer Höranlage versehen werden, bevorzugt mit einer Induktionsanlage. Mit einer induktiven Höranlage ausgestattete Örtlichkeiten werden oft im Eingangsbereich über ein Hinweisschild in Form eines blauen oder gelben Quadrates mit einem stilisierten Ohr und dem Buchstaben „T“ ausgewiesen.

Aus vermeintlichen Kostengründen oder vermuteterweise mangels einer großen Nutzerzahl werden oft nur abgegrenzte Bereiche mit einer Ringschleife versehen. Dies sind etwa nur bestimmte Platzgruppen in Kinos oder in einer Kirche, die dann auch entsprechend gekennzeichnet sind. Dies ist aber im Sinne der Inklusion nicht als barrierefrei zu betrachten. Induktionsanlagen sind eigentlich stationäre Anlagen. Aber es können mobile FM-Anlagen oder stationäre Infrarotanlagen mithilfe einer Mini-Induktionsschleife (Halsringschleife) ebenfalls die Vorteile einer induktiven Übertragung in das Hörgerät nutzen.

Vorteile

  • In der Regel verbessert sich durch den Einsatz einer induktiven Höranlage für die jeweiligen Nutzer das Signal-Rausch-Verhältnis oder genauer gesagt, das Stör- zu Nutzgeräuschverhältnis, da das reine Audiosignal selektiv über die Induktionsschleife übertragen wird und Nebengeräusche ausgeblendet bzw. erheblich reduziert werden.
  • Viele Vortragsräume (speziell Kirchen) haben eine Raumakustik, die die Verständlichkeit von Sprache durch Nachhall oder Echo negativ beeinflusst, was sich bei vermindertem Hörvermögen verstärkt auswirkt. (Nachhallzeit > 0,5 sek) Da das in die induktive Höranlage eingespeiste Signal mit einem Mikrofon direkt an der Schallquelle aufgenommen wird, können solche störenden Effekte wirksam gedämpft werden.
  • Störende Nebengeräusche, die nahe dem Hörgeräteträger erzeugt werden, können ebenfalls durch die induktive Übertragung ausgeblendet werden. Das gilt jedoch nur, wenn das interne Mikrofon des Hörgerätes bei Verwendung der Telefonspule abgeschaltet werden kann, was bei den meisten Geräten möglich ist.
  • Sie ist die einzige Höranlagentechnik, die weltweit und völlig Hersteller-unabhängig kompatibel ist. Bluetooth LE Audio bspw. weckte bislang nur Interesse bei wenigen Herstellern, obgleich es einen universellen und zugleich modernen Standard als Alternative zur T-Spule darstellen würde.
  • Sie ist die einzige Höranlagentechnik, die als barrierefrei gelten kann, da für Hörgeräteträger keine zusätzliche Gerätschaften notwendig sind und sie sich nicht outen müssen, d. h. irgendwo als "Bittsteller" ein am Übertragungsort notwendiges spezielles Gerät ausleihen müssen, wie das z. B. bei Infrarot oder Funktechnik der Fall ist oder ein eigenes Zusatzgerät mitbringen müssen, wie z. B. bei der Streamer-Technik ein Smartphone bzw. Tablet mit spezieller Hersteller-spezifischer App.
  • Sie ist die einzige Höranlagentechnik, die rund 85 % aller Hörgeräteträger erreichen kann.
  • Sie ist die einzige Höranlagentechnik, die für Hörgeräteträger keine zusätzliche Kosten verursacht, also sozial verträglich ist, denn alle Kassen-Hörgeräte besitzen die T-Spule, sie muss lediglich vom Hörgeräteakustiker kostenlos aktiviert, d. h. elektronisch freigeschaltet werden.
  • Sie ist die einzige Höranlagentechnik, die nicht in der Nutzeranzahl begrenzt ist. (Die alternative FM- bzw. IR-Technik ist begrenzt auf die Anzahl der vom Betreiber vorrätig gehaltenen Empfangsgeräte; die in Deutschland übliche Streamer-Technik ist begrenzt auf die pro Sendegerät festgelegten 50 Teilnehmer.)
  • Sie ist in aller Regel ohne bauliche Maßnahmen installierbar, da die Schleife (üblicherweise eine Standard-Leitung mit Querschnitt zwischen 0,75 und 2,5 mm²) auf dem Boden und nicht im Boden verlegt wird. Der Aufwand ist meist geringer als die Installation einer Lautsprecheranlage.
  • Die Kosten halten sich im Rahmen, meist zwischen 2000 und 3000 EUR pro zu versorgendem Raum.
  • Nutzt der Hörgeräteträger die im Hörgerät eingebaute T-Spule, wird seine Hörschädigung auf maximalem Niveau ausgeglichen, während die Nutzung eines üblichen FM- oder IR-Kinnbügel-Empfängers seine individuelle Hörschädigung nicht berücksichtigt, weil die Hörgeräte entfernt werden müssen, um mit dem Standard-Bügel-Kopfhörer zu hören. Letzteres wäre für hochgradig Schwerhörige völlig unzureichend.
  • Es gibt mobile (transportable) Anlagen, die innerhalb von einer Stunde funktionsfähig aufgebaut werden können. Allerdings muss dabei manchmal ein Hörgeräteträger mit Kompromissen und Abstrichen an der Qualität leben, da weder Zeit noch Qualifikation für eine Einmessung nach DIN EN 60118-4: 2014 vorhanden sind.

Nachteile

  • Störungen der induktiven Höranlage durch externe Einstreuung: Nachteilig können sich im Einsatzumfeld einer Induktionsanlage starke elektromagnetische Störquellen (wie z. B. ältere Leuchtstofflampen, Röhrenmonitore, Dimmer, Notebooks im Abstand bis zu etwa 1/2 Meter und behaupteter Weise Mobilfunkgeräte) auswirken. In der Praxis hat sich gezeigt, dass Mobilfunkgeräte nicht das Induktionsfeld an sich beeinflussen, sondern – wenn überhaupt – die vorgeschaltete Verstärkeranlage, insbesondere Funkmikrofone oder technisch veraltete Mikrofonverstärker oder beschädigte Signalleitungen. Störungen übertragen sich folglich gleichermaßen auf die Lautsprecheranlage und die Induktionsanlage, sind also kein spezifisches Problem der Induktionstechnik. Einstreuungen in den eigentlichen Induktionsverstärker sind bei korrekter Installation noch nie berichtet worden, da seit Jahren alle gängigen Induktions-Verstärker nach Stand der Technik abgeschirmt sind. Technischer Hintergrund: Die Induktionsanlage arbeitet im Niederfrequenzbereich (100–5000 Hertz), während der Mobilfunk im Gigahertz-Bereich arbeitet. Hörbare Störungen können also nur über Einstreuungen in die Schaltkreise der Verstärker und dortiger Demodulation in den hörbaren Frequenzbereich entstehen, was aber die Verstärker der Mikrofon- und Lautsprecheranlage genauso betreffen würde. Bei einer korrekt installierten Anlage wird es keine Störeinstreuungen durch Mobilfunk geben. In der Praxis ergeben sich sehr selten Störungen durch eine nicht korrekte Elektroinstallation, z. B. dann, wenn Stromzuleitung (Phase) nicht denselben Weg wie die Rückleitung (Neutralleiter) nehmen, oder in unmittelbarer Nähe von Verteilerschränken (bis zu etwa 3 m). Ebenso sind Störungen in unmittelbarer Nähe von elektrifizierten Bundesbahnstrecken oder Straßenbahnlinien zu erwarten. Allerdings muss auch gesagt sein, dass Störungen aufgrund von eingestreutem Netzbrummen (50 Hz) von den wenigsten Hörgeräten übertragen werden und von der Hörphysiologie her als weniger störend empfunden werden.
  • Störungen anderer elektrotechnischer Geräte durch die induktive Höranlage: Induktive Höranlagen können in schlecht abgeschirmten bzw. störempfindlichen Elektrogeräten, Verstärkeranlagen und Musikinstrumenten, Störungen erzeugen. Dies kann sich beispielsweise so äußern, dass der Tonabnehmer einer Gitarre oder eines Basses die elektromagnetischen Signale einer Induktionsschleife aufnimmt und diese über die Verstärkeranlage (verzerrt) wiedergibt.
  • Das elektromagnetische Audiosignal wird weder verschlüsselt noch codiert, daher ist es prinzipiell möglich, die ausgestrahlte Information auch außerhalb des Raumes mit einfachen Mitteln unautorisiert abzuhören. Es ist aber möglich, durch ein geeignetes Schleifenlayout den horizontalen Overspill extrem zu begrenzen. Sollte tatsächlich einmal eine starke Abhörsicherheit notwendig sein, dann bietet sich als Alternative nur eine verschlüsselte digitale FM- bzw. PCM-Funktechnologie bzw. eine verschlüsselte Streaming(WLAN)-Technologie an, die allerdings derzeit auf dem freien Markt nicht erhältlich sind. Auch eine Infrarot-Technologie wäre nur dann abhörsicher, wenn der Raum lichtdicht versiegelt ist. Im Übrigen beschränkt sich Abhörsicherheit von Natur aus auf einen extrem beschränkten Zuhörerkreis. In einem extrem beschränkten Zuhörerkreis ist es jedoch möglich durch entsprechendes Verhalten auch mit Schwerhörigen adäquat zu kommunizieren. Rein praktisch ergibt sich also das Problem Abhörsicherheit nicht, sondern stellt sich eher da als:
  • Problem der Trennung zwischen Räumen: Sollen in eng beieinander liegende Räumen gleichzeitig induktive Übertragungen stattfinden, dann kann es zu gegenseitigem Übersprechungen kommen. Eine Standard-Schleife ist auch etwa 30 % außerhalb ihrer Breite/Länge durch ein Hörgerät empfangbar, wenn auch erheblich schwächer als innerhalb der Schleife. Liegen zwei Räume nebeneinander, so überspricht die eine Schleife die Benachbarte. Durch entsprechendes Schleifenlayout (Cancellation-Loop) kann ein Übersprechen zwischen horizontal angrenzenden Räumen weitestgehend verhindert werden. Bei übereinander liegenden Räumen ist dies aber erheblich schwieriger, wenn nicht sogar praktisch unmöglich. Solche Problematiken werden üblicherweise nur mithilfe von Experten bei den renommierten Induktions-Verstärker-Herstellern angegangen, die dazu proprietäre Software einsetzen.
  • Enthält das Gebäude erhebliche Stahlverstärkungen, wird ein erheblicher Mehraufwand notwendig, um die notwendige Feldstärke nach DIN EN 60118-4: 2014 zu erreichen (Loop-Array mit mindestens zwei phasenverschoben betriebenen Verstärkern). In so einem Fall muss die Schleife "unter dem Teppich" bzw. "unter dem Parkett" verlegt werden. Meist ist dazu auch die Planung durch Experten der renommierten Verstärker-Hersteller notwendig.
  • Der Einrichtung einer stationären Induktionsanlage muss folglich eine fachkundige Beratung vorangehen, sie muss geplant werden und von nachweislich fachkundigen Elektroakustikern installiert werden, die auf dem aktuellen Stand der Technik und im Besitz der Messgerätschaften sind, um sie nach DIN EN 60118-4: 2014 installieren zu können. Es macht daher keinen Sinn, sie ad-hoc im Handel zu kaufen in der Annahme, sie sei sofort einsetzbar. Für den Bereich der Kirchen gibt es in den meisten Landeskirchen eine kostenlose und unverbindliche Vorberatung durch die jeweilige Schwerhörigenseelsorge, die dazu befähigt, Angebote von Fachfirmen grundsätzlich verstehen zu können.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Peter Wilhelm: T-Spule und die induktive Höranlage. In: hoergeraete-info.net. Abgerufen am 2. Mai 2021.
  2. techniktagebuch: November 2022. In: Tumblr. Abgerufen am 11. November 2022.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.