Saccharomyces carlsbergensis
Systematik
Unterabteilung: Saccharomycotina
Klasse: Saccharomycetes
Ordnung: Echte Hefen (Saccharomycetales)
Familie: Saccharomycetaceae
Gattung: Zuckerhefen (Saccharomyces)
Art: Saccharomyces carlsbergensis
Wissenschaftlicher Name
Saccharomyces carlsbergensis
E. Chr. Hansen

Der Hefepilz Saccharomyces carlsbergensis wird zum Brauen von untergärigen Lagerbieren verwendet („untergärige Hefe“, auch Lager-Hefe) und wurde nach der großen dänischen Brauerei Carlsberg benannt, findet aber auch im wissenschaftlichen Bereich, zum Beispiel bei der Untersuchung von Teilprozessen der Glykolyse mit neuen Verfahren Verwendung.

In neueren Publikationen wird stattdessen meist der Name Saccharomyces pastorianus verwendet, der bereits 1870 von Max Rees aus Wiesloch, Professor der Botanik an der Universität Erlangen, zu Ehren von Louis Pasteur vorgeschlagen wurde.

Geschichte

Der Sohn des Gründers, Jacob Christian Jacobsen, der unter anderem Louis Pasteur zu seinen Freunden und Kollegen zählen konnte, hat 1875 ein Labor in der väterlichen Brauerei eingerichtet, aus dem später das Carlsberg-Forschungszentrum entstand. In diesem Labor isolierte Emil Christian Hansen 1883 die erste Hefezelle. Der von Carlsberg verwendete untergärige Hefestamm wurde von der Spaten-Brauerei in München bezogen.

Noch heute werden in Brauereien Hefereinzuchten in den sogenannten „Carlsberg-Kolben“ herangezogen.

Abstammung

Die untergärige Hefe ist schon lange als Hybrid zwischen der Art Saccharomyces cerevisiae und einer anderen Saccharomyces-Art bekannt, zumindest seit 1850. Das Genom von Saccharomyces carlsbergensis ist bis zu 60 % größer als das von Saccharomyces cerevisiae, da hier Teile zweier Genome enthalten sind. Zunächst wurde angenommen, Saccharomyces carlsbergensis sei ein Hybrid aus Saccharomyces cerevisiae und Saccharomyces bayanus, wegen phänotypischer und genomischer Ähnlichkeiten zu beiden Arten. Dabei sollte der größte Teil des Genoms von Saccharomyces bayanus stammen. Neuerdings wird aber als Partner von Saccharomyces cerevisiae die 2011 neu entdeckte Art Saccharomyces eubayanus angenommen, die im Gegensatz zu Saccharomyces bayanus natürlich vorkommt. Diese neue Art wurde zunächst in Argentinien (Nordpatagonien) gefunden. Der nicht von Saccharomyces cerevisiae stammende Teil des Genoms der untergärigen Hefe ist dabei zu 99 % identisch mit dem Genom von Saccharomyces eubayanus. Damit ist die Herkunft der untergärigen Hefe als Hybrid Saccharomyces eubayanus x Saccharomyces cerevisiae (Saccharomyces pastorianus syn. Saccharomyces carlsbergensis) mit großer Sicherheit identifiziert. Die neue Art Saccharomyces eubayanus wurde seitdem auch in Ostasien (Tibet/Sichuan) gefunden, sowie im US-amerikanischen Bundesstaat Wisconsin.

Innere Systematik

Von der untergärigen Hefe haben zwei Typen Bedeutung, die nach den jeweiligen Herkunfts-Orten bzw. -Brauereien bezeichnet werden (nach Paul Lindner 1909):

Dabei fermentieren Hefe-Stämme vom Typ Saaz üblicherweise schneller und bei kälteren Temperaturen, während die vom Typ Frohberg viel eher zum Schwächeln neigen. Genom-Analysen ergaben 2014, dass der Saaz-Typ triploid ist und neben zwei Chromosomensätzen von Saccharomyces eubayanus nur einen von Saccharomyces cerevisiae hat. Insbesondere gilt das für die beiden Saaz-Stämme CBS 1513 (Typus für Saccharomyces carlsbergensis) und CBS 1503 (früher auch als Saccharomyces monacensis bezeichnet). Der Frohberg-Typ ist dagegen tetraploid (‚echter Hybrid‘) und beinhaltet fast das gesamte Genom beider Eltern-Spezies. Hierzu gehören die Stämme Weihenstephan WS 34/70 und der Typus-Stamm von Saccharomyces pastorianus CBS 1538. Diese Ergebnisse erklären die Beobachtung, dass das Gärungsverhalten des Saaz-Typus mehr dem von Saccharomyces eubayanus ähnelt, das des Frohberg-Typus mehr dem von Saccharomyces cerevisiae.

Zunächst war unklar, ob der Saaz-Typ zu einem frühen Zeitpunkt aus dem Frohberg-Typ durch Genom-Reduktion hervorging oder ob jeder der beiden Typen aus einem eigenen Hybridisierungs-Ereignis hervorging. Inzwischen scheint klar zu sein, dass beide Typen bereits vor etwa 1000 Jahren durch unabhängige Hybridisierungsereignisse entstanden sind. Damit wäre S. pastorianus (synonym S. carlsbergensis) polyphyletisch, womit sich die Frage stellt, ob nicht beide Typen unterschiedliche Artbezeichnungen tragen müssten: Nach den Typus-Stämmen etwa Saccharomyces carlsbergensis für den Saaz-Typ und Saccharomyces pastorianus für den Frohberg-Typ.

Ausblick

Aufgrund der neuen Erkenntnisse ist es anfangs 2015 in Finnland erstmals gelungen, durch künstlich erzeugte Hybridisierung von Saccharomyces eubayanus mit Saccharomyces cerevisiae mehrere neue Linien untergäriger Hefe zu erzeugen. Durch eine breite Auswahl von Ausgangsstämmen der beiden Eltern-Spezies erhofft man sich bisher nicht erreichte günstige Eigenschaften für die neuen Typen: Verarbeitung von Maltotriose, Erzeugung von höheren Alkoholen als Aromaträger etc. Durch neue Hybridisierungen dieser beiden oder auch anderer Saccharomyces-Arten ist zu erwarten, dass sich die Bandbreite der untergärigen Biere künftig wesentlich erweitern wird, selbst wenn Saccharomyces eubayanus selbst keine kommerzielle Verwendung finden sollte. Die Verwendung gentechnischer Methoden ist dafür nicht erforderlich, so dass gesetzlichen Bestimmungen und Verbraucherwünschen entsprochen werden kann. Allerdings können hybride Genome in der industriellen Nutzung zu genetischer Instabilität führen.

Einzelnachweise

  1. M. Rees: Botanische Untersuchungen über die Alkoholgährungspilze. 1870, S. 29–30.
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  3. Michael Nadler: Brauereien (19. Jahrhundert). In: Historisches Lexikon Bayerns. (Online).
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  6. Y. Tamai, T. Momma, H. Yoshimoto, Y. Kaneko: Co-existence of two types of chromosome in the bottom fermenting yeast, Saccharomyces pastorianus. PMID 9717238. (engl.)
  7. Domestizierung: Moderne Bierhefe hat südamerikanische Wurzeln. In: Spektrum der Wissenschaft. 22. August 2011.
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  26. Lars Fischer: Hefe-Evolution: Lagerbier entstand zweimal In: Spektrum der Wissenschaft. 11. August 2015.
  27. Alice Lanzke: Lager, Pils, Export: Was Forscher über die Evolution des Bieres wissen. In: Welt Digital. 11. August 2015
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  36. Brian Gibson, Gianni Liti: Saccharomyces pastorianus: genomic insights inspiring innovation for industry, in: Yeast, Band 32, Nr. 1, S. 17–27, 1. August 2014, doi:10.1002/yea.3033, PMID 25088523, Epub 23. September 2014
  37. Arthur R. Gorter de Vries, Maaike A. Voskamp, Aafke C. A. van Aalst, Line H. Kristensen, Liset Jansen, Marcel van den Broek, Alex N. Salazar, Nick Brouwers, Thomas Abeel: Laboratory Evolution of a Saccharomyces cerevisiae × S. eubayanus Hybrid Under Simulated Lager-Brewing Conditions. In: Frontiers in Genetics. 10. Jahrgang, 29. März 2019, ISSN 1664-8021, S. 242, doi:10.3389/fgene.2019.00242, PMID 31001314, PMC 6455053 (freier Volltext).
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