Sant’Alessandro Maggiore ist eine romanische Kirche in Lucca. Ihre in seltener Einheitlichkeit erhaltene frühmittelalterliche Gestalt verdankt sie sorgfältigen Restaurierungsarbeiten in den Jahren 1838 bis 1840. Der Bau ist von besonderer Bedeutung, da er das originalgetreueste Beispiel der Frühromanik Luccas darstellt. Die klassische Form des Gebäudes lässt sich auf die Vorbildwirkung antiker römischer Baukunst im (Früh-)Mittelalter zurückführen. Wie andere mittelalterliche Bauten in der Toskana, beispielsweise in Florenz mit dem Inkrustationstil, weist die Kirche Sant’Alessandro Maggiore eine Reihe von Bauelementen auf, die spätantike Vorbilder aufgreifen. Gleichzeitig wurden zahlreiche römische Spolien verwendet. Im Inneren entspricht der Bau als dreischiffige, querhauslose Basilika mit halbrunder Apsis dem Grundtyp frühchristlicher Kirchen.

Geschichte

Der Ursprung des Baus ist trotz intensiver Forschungsarbeit weitgehend ungeklärt. Der Baubeginn der erstmals 893 erwähnten Kirche kann nur aus ihren architektonischen Merkmalen erschlossen werden. Diese legen, aufgrund der stilistischen Verwandtschaft zur Basilika San Frediano, eine Entstehung um 1060 nahe, als der Bischof von Lucca Anselmo da Baggio (später Papst Alexander II.) die Reliquien des Papstes Alexander I. aus Rom in die Krypta der Kirche Sant’Alessandro Maggiore überführen ließ.

Architektur

Der heutige Bau zeigt zwei verschiedene Bauphasen:

  1. (9. oder 11. Jahrhundert) Die untere Fassade mit dem Portal klassischer Prägung und der weißen Oberfläche, die von Streifen in zartem Grau durchzogen wird, ähnlich dem römischen opus quadratum pseudoisodomum; der westliche Teil der Kolonnaden, mit Säulen aus verschiedenenfarbigen Marmoren und mit antiken sowie mittelalterlichen korinthisierenden Kapitellen, die philologisch die Dekorationsmotive des 1.–2. Jahrhunderts wiederholen (aber oft nach spätantiker parataktischer Anordnung). Wie in frühchristlichen Basiliken Roms sind Säulen und Kapitelle symmetrisch angeordnet, um auf einen liturgischen Weg zu zeigen.
  2. (11. oder/und 12. Jahrhundert) Der östliche Teil des Gebäudes mit einfarbigen Kolonnaden, romanischen Kapitellen und einfacherem Mauerwerk; der ganze Obergaden und der obere Teil der Fassade sowie die Dekoration des Apsisabschlusses mit Hängebogen des lombardischen Typs.

Aus späterer Epoche stammen die Gewölbe (16. Jahrhundert) und die Ädikula, die dem Seitenportal im 15. Jahrhundert angefügt wurde.

Die Kirche ist eine seltenes und gute erhaltenes Beispiel des mittelalterlichen Klassizismus, ein Beweis für das Überleben der römischen Architekturtradition in Italien im Mittelalter. Sie steht damit in einer Reihe mit Denkmälern wie dem Baptisterium San Giovanni in Florenz oder der Basilika San Salvatore in Spoleto.

Als Bindeglied zwischen der Antike und ihrer „Wiedergeburt“ im 15. Jahrhundert stellt Sant’Alessandro Maggiore einen bedeutenden Vertreter der toskanischen Baukunst des Mittelalters dar.

Literatur

  • F. W. Deichmann: Säule und Ordnung in der frühchristliche Architectur. In: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Römische Abteilung. Band LIV, 1939.
  • C. L. Ragghianti: Architettura lucchese e architettura pisana. In: Critica d’arte. Band 28, 1949 pp. 168–72.
  • C. L. Ragghianti: Il Sant’Alessandro di Lucca. In: L’arte in Italia. Band II, Rom 1968.
  • C. Baracchini, A. Caleca: Architettura «medievale» in Lucchesia. 1–2. In: Critica d’Arte. Band 113–114, 1970.
  • V. Regoli: Restauri nella chiesa di Sant’Alessandro, 1838. In AA.VV., Lorenzo Nottolini architetto a Lucca. Lucca 1970.
  • Hugo Brandenburg: Roms frühchristliche Basiliken des 4. Jahrhunderts. München 1979.
  • R. Silva: La chiesa di Sant’Alessandro Maggiore in Lucca. Lucca 1987.
  • U. W. Gans: Korinthisierende Kapitelle der römischen Kaiserzeit – Schmuckkapitelle in Italien und den nordwestlichen Provinzen. Köln/Weimar/Wien 1992.
  • J. Poeschke (Hrsg.): Antike Spolien in der Architektur des Mittelalters und der Renaissance. München 1996.
  • R. Silva: La chiesa di Sant’Alessandro tra archeologia e ricerca documentaria. In: Max Seidel, Romano Silva (Hrsg.): Lucca città d’arte e i suoi archivi. Opere d’arte e testimonianze documentarie dal Medioevo al Novecento. Kunsthistorisches Institut in Florenz, Venedig 2001, S. 59–96.
  • G. Carrai: Tradizione tardoantica e derive medievali nella chiesa di Sant’Alessandro a Lucca. Lucca 2002.
  • C. Taddei: Lucca tra XI e XII secolo. Territorio, architetture, città. In: Quaderni di Storia dell’Arte. n. 23, S. 117–156, Parma 2005.
  • G. Tigler: Toscana romanica. S. 245–247, Milano 2006.
  • B. R. Lindquist: The Wanderer's Guide to Lucca. S. 99–107, Bridgeport, Connecticut 2011.
  • M. Frati: Architettura romanica a Lucca (XI–XII secolo). Snodi critici e paesaggi storici. In: Chiara Bozzoli, Maria Teresa Filieri (a cura di): Scoperta armonia. Arte medievale a Lucca. S. 177–224, Lucca 2014.
  • G. Carrai: La chiesa di Sant’Alessandro Maggiore a Lucca : un exemplum di architettura sacra come figura teologica. Lucca 2017.
Commons: Sant'Alessandro (Lucca) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 43° 50′ 32,1″ N, 10° 30′ 4,6″ O

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