Sara Rus (* 25. Januar 1927 in Łódź, Polen) ist eine polnische Holocaustüberlebende, Zeitzeugin und Mutter der Plaza de Mayo.
Leben und Wirken
Sara Rus wurde als Scheijne Miriam Laskier in Lodz in einer bürgerlichen Familie geboren. Ihr Vater – Jakob Laskier – war Schneider und Rabbiner. Sie lernte Deutsch, spielte Violine, die Familie unternahm in der Freizeit Fahrradtouren, man ging rudern oder ging reiten. Rus beschreibt es als eine glückliche Kindheit.
Diese Kindheit wurde durch den Einmarsch deutscher Truppen in Polen 1939 unterbrochen, die Familie wurde ins Ghetto Litzmannstadt deportiert, wo zwei im Ghetto geborene Geschwister starben, das eine an Unterernährung, das andere wurde durch die Nazis ermordet. Sie selbst musste als Dreizehnjährige zunächst als Näherin schuften, bevor sie mit sechzehn Jahren zur Zwangsarbeit in einer Hutfabrik gezwungen wurde. Ihre Mutter erkrankte an Typhus, überlebt aber die Erkrankung. Im Ghetto lernte sie auch ihren späteren Ehemann, Benno (spanisch Bernardo) Rus kennen und lieben. Ihr Mann, 1917 geboren, wurde die große Liebe ihres Lebens. 1944 erfolgte die Deportation ins Konzentrationslager Auschwitz, wo ihr Vater in den Gaskammern ermordet wurde.
Sara und ihrer Mutter gelang es durch die Deutschkenntnisse des Mädchens, der Gaskammer zu entkommen. Nach Auschwitz kamen Mutter und Tochter zur Zwangsarbeit ins Außenlager KZ Flossenbürg, wo beide in einer Flugzeugfabrik schuften mussten. Nach Angriffen der Alliierten wurden die Insassen auf einen Todesmarsch zum KZ Mauthausen geschickt, wo Saras Mutter nur überlebte, weil Sara die Mutter auf dem Marsch trug. Als die Alliierten das Lager am 5. Mai 1945 befreiten, wog Sara nur noch 27 Kilo.
Nach der Befreiung erhielt sie einen Brief von ihrem Partner Benno, dass er sie suchte und somit wusste sie, dass auch ihr Partner lebte. Sie kam mit ihrer Mutter für zwei Jahre in ein Flüchtlingslager nach Berlin-Wittenau, wo beiden 1948 die Flucht gelang. Später heiratete sie Benno. Der 5. Mai 1945 war der Tag, den sie sich in ihr Tagebuch geschrieben hatte, wo sich das Paar ursprünglich in Buenos Aires wiedertreffen wollte. Auch wenn es mit dem Treffen zu diesem Zeitpunkt nichts wurde, steht dieses Datum für ihre Befreiung und die Grundlage für die Emigration nach Argentinien.
Emigration nach Argentinien
Auf einer abenteuerlichen Route gelang es Sara, Benno und ihrer Mutter über Paraguay und über einen Grenzfluss die Stadt Clorinda in Argentinien zu erreichen, wo die drei als illegale Einwanderer mit einhundert anderen Juden zunächst ins Gefängnis mussten.
Bernardo Rus schrieb in seiner Verzweiflung einen Brief an Argentiniens Präsidentengattin Evita Perón, von der er gehört hatte, dass sie für ihre Humanität bekannt war. Das Wunder passierte und die drei erhielten auf Anweisung Peróns das unbegrenzte Visum für Argentinien und Buenos Aires, das die neue Heimat der Familie wurde.
Sie und ihr Mann waren Mitbegründer der Organisation Sherit Hapleitá, die die Überlebenden des Holocausts in Argentinien betreute.
Saras Sohn Daniel
Ihr Sohn Daniel Lazario Rus wurde 1950 geboren und galt schon als Kind als sehr intelligent. Er studierte Nuklearphysik und promovierte an der Universität von Buenos Aires und arbeitete am Nationalen Institut für Atomenergie. 1976 etablierte sich in Argentinien eine Militärdiktatur.
Am 15. Juli 1977 verschwand Daniel Rus mit einigen Kollegen aus dem Institut spurlos und bleibt bis heute verschollen.
Bernardo Rus versuchte durch diverse Briefe, etwas über das Verschwinden seines Sohnes zu erfahren oder Hilfe vom Ausland zu erhalten. So schrieb er Militärdiktator Jorge Videla, bekam aber keine Antwort. Auch schrieb er an den US-Botschafter in Argentinien, die Vereinten Nationen und den damaligen Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher. Alle Briefe blieben unbeantwortet.
Sein Verschwinden leitete Sara dazu, sich den Madres de Plaza de Mayo anzuschließen, Müttern, die einmal pro Woche gegen die Diktatur demonstrierten, um auf das Verschwinden ihrer Kinder aufmerksam zu machen. Sie trug dabei ein weißes Band mit dem Datum des Verschwindens ihres Sohnes und seines Vornamens. Sie wurde als Terroristenmutter bezeichnet und bedroht.
1984 starb ihr Mann, den Lebensmut völlig verloren, an den Folgen einer Lungenkrebserkrankung.
2005 wurde ein Gedenken durch die Holocaustüberlebenden Argentiniens an Daniel organisiert, 2009 durch seine ehemalige Hochschule.
Nach dem Ende der Militärdiktatur bis heute
Sara Rus kämpfte um das Vermächtnis ihres Sohnes, indem sie mit den anderen Müttern der Plaza de Mayo auf die Straßen ging. Nach Ende der Militärdiktatur besuchte sie auch Schulen, um die Kinder und Jugendlichen vor den Gefahren von Antisemitismus und Faschismus auch in Argentinien zu warnen.
2004 nahm sie an einer Gedenkveranstaltung des argentinischen Staates teil, an dem der damalige Staatspräsident der Argentinischen Republik, Néstor Kirchner, um Entschuldigung für die Verbrechen während der Militärdiktatur bat.
2007 erschien ihre Biographie Zweimal Überleben – von Auschwitz zu den Müttern der Plaza de Mayo. Die Geschichte der Sara Rus (Mandelbaum Verlag Wien), zunächst auf Spanisch, 2010 wurde es ins Deutsche übersetzt.
Sie lebt heute in Buenos Aires und hat mehrere Enkel und Urenkel. Neben Deutsch spricht sie auch fließend Spanisch und Polnisch.
Quellen
- https://www.juedische-allgemeine.de/juedische-welt/dem-leben-zugewandt-trotz-allem/
- https://www.deine-korrespondentin.de/leben-um-davon-zu-erzaehlen/
- https://www.mauthausen-memorial.org/de/Aktuell/Mauthausen-Ueberlebende-Sara-Rus-im-Interview