Sardonismus bezeichnet im Unterschied zum Sarkasmus keinen beißenden, bitteren Spott, sondern einen grimmigen, schmerzvollen. Verbunden ist dieser oft mit einem unheimlichen, finsteren Gelächter, dem sardonischen Lachen.

Ursprung

Bereits im antiken Griechenland kannte man den Ausdruck, meist als sardonisches Gelächter, σαρδάνιος γέλως sardanios gelos oder später σαρδόνιος γέλως sardonios gelos. Man unterschied zwischen kynisch (kynikós: ‚zur Weltsicht der Kyniker gehörig‘), sarkastisch (sarkastikós: ‚höhnender Spott, verletzende Rede‘) und sardonisch (σαρδάνιος sardanios: ‚das grimmige Hohngelächter eines Zornigen, bei eigenem Schaden oder eigenem Schmerz‘).

So lacht Odysseus als Bettler verkleidet bei Homer sardonisch in sich hinein, als er, endlich zurückgekehrt, einem Kuhfuß ausweicht, mit dem ihn ein Freier seiner Frau bewirft:

ὣς εἰπὼν ἔρριψε βοὸς πόδα χειρὶ παχείῃ,
κείμενον ἐκ κανέοιο λαβών· ὁ δ’ ἀλεύατ’ Ὀδυσσεὺς
ἦκα παρακλίνας κεφαλήν, μείδησε δὲ θυμῷ
σαρδάνιον μάλα τοῖον· ὁ δ’ εὔδμητον βάλε τοῖχον.

Also sprach er(*) und warf mit nerviger Rechter den Kuhfuß,
Welcher im Korbe lag, nach Odysseus. Aber Odysseus
Wandte behende sein Haupt und barg mit schrecklichem Lächeln
Seinen Zorn; und das Bein fuhr gegen die zierliche Mauer.

(Übersetzung von Johann Heinrich Voß)

(*) 
der Freier Ktesippos

Gustav Schwab übersetzt diese Stelle so: „mit einem gräßlichen Lächeln“. Wörtlich heißt σαρδάνιον μάλα τοῖον sardanion mala toion „wahrlich sehr sardonisch“. Dies stellt den ersten Beleg für sardánios dar. Pape führt dieses Wort auf σαίρω sairo („Zähne fletschen, grinsen, hohnlachen“) zurück.

In deutschsprachigen Werken tritt der Ausdruck seit dem 16. Jahrhundert auf:

„… mit aim boßhafftigen vnd Sardonischen glächter (wie man sagt) … Ain Sardonisch glächter würt inn aim sprichwort für ain erdichtets gespöttiges vnd vast bitters gelächter gebraucht.“

Juan Luis Vives: De officio mariti (deutsche Übersetzung von Christophorus Bruno)

„Sie lachten ein Sardonisch Gelächter.“

Plutarch: Bíoi parálleloi (deutsche Übersetzung von Wilhelm Xylander und Jonas Löchinger)

Die Herkunft des Wortes ist dabei unklar: einerseits soll bei den alten Sarden (lateinisch Sardoni oder Sardi) die Sitte bestanden haben, die alten Leute zu töten; dabei sollte gelacht werden. Das war der berüchtigte risus Sardonicus, ein krampfartiges Lachen, an dem die Seele unbeteiligt ist. Andererseits wird das krampfhafte Lächeln gelegentlich auf die Wirkung einer bitteren Pflanze σαρδάνιον sardánion (je nach Quelle auch Apium risus oder, beispielsweise bei Vergil, Sardoa herba, deutsch auch Lachkraut) aus Sardinien zurückgeführt, die das Gift Oenanthotoxin enthalten soll und somit die Überlieferung von der Tötung der Alten erklären würde. So schreibt Meyers Enzyklopädie von 1888 dazu:

Sardonisches Lachen (Sardonius risus, Sardoniasis), krampfhaftes, mit heftig wechselnden Gesichtsverzerrungen verbundenes Lachen ohne äußern Anlaß. Der Ausdruck findet sich schon bei Homer (Odyssee, 20, 302) und soll von einem auf Sardinien wachsenden Kraut (bei Vergil Sardoa herba) hergenommen sein, dessen Genuß den Mund wie zum Lachen verzieht. Allgemeiner bezeichnet derselbe auch ein gezwungenes oder höhnisches Lachen.“

Auch neuere Werke beziehen den Ursprung des krampfhaften Lachens auf das Gewächs Sardonia. Häufig wurde als reale Pflanze hinter dem mythischen Kraut der Röhrige Wasserfenchel (botanisch Oenanthe fistulosa) identifiziert, dessen Pflanzenteile jedoch extrem bitter schmecken. Bereits im 18. Jahrhundert war Albrecht von Haller der Meinung, dass es sich bei dem Kraut um die nur auf Sardinien vorkommende Safranrebendolde (botanisch Oenanthe crocata) handeln müsse. In einer Studie von 2009 gelangte eine Gruppe unter Leitung von Giovanni Appendino zu derselben Ansicht wie Haller:

“Unlike other plant toxins, the convulsant polyacetylenes from water dropwort and related plant do not evoke unpleasant taste (bitter) or chemesthetic (burning) sensations, and the roots of O. crocata, an exceedingly poisonous plant, have a paradoxical sweetish and pleasant taste and odor. The large concentration of falcarindiol, a bitter compound, and the lower contents of polyacetylene toxins in O. fistulosa when compared to O. crocata could presumably underlie the observation that the former species has not yet been associated with human or animal poisoning. The name Oenanthe signifies ‘wine flower’, because the plant produces a state of stupefaction similar to drunkenness. This, as well as locked jaws (risus sardonicus), has been documented in human poisoning from O. crocata, and there is little doubt that herba sardonica of the ancient medical literature should be identified with O. crocata, a plant that, within the Mediterranean area, is common only in Sardinia. The results of our investigation provide a further rationale for this identification, proposing a molecular mechanism for the risus sardonicus described by the ancient authors.”

„Im Gegensatz zu anderen Pflanzengiften rufen die krampferzeugenden Polyacetylene aus der Safranrebendolde und verwandten Pflanzen keine unangenehmen Geschmacks- (bitter) oder chemästhetischen (brennenden) Empfindungen hervor, und die Wurzeln von O. crocata, einer äußerst giftigen Pflanze, haben einen paradoxen süßen und angenehmen Geschmack und Geruch. Die hohe Konzentration an Falcarindiol, einer bitter schmeckenden Verbindung, und der geringere Gehalt an Polyacetylentoxinen in O. fistulosa im Vergleich zu O. crocata könnten vermutlich der Beobachtung zugrunde liegen, dass erstere Art noch nicht mit einer Vergiftung von Mensch oder Tier in Verbindung gebracht wurde. Der Name Oenanthe bedeutet ‘Weinblume’, weil die Pflanze einen Zustand der Benommenheit erzeugt, der der Trunkenheit ähnlich ist. Dies ist ebenso wie die verkrampfte Kiefermuskulatur (risus sardonicus) bei einer menschlichen Vergiftung durch O. crocata dokumentiert, und es besteht kaum ein Zweifel, dass die Herba sardonica der antiken medizinischen Literatur mit O. crocata identifiziert werden sollte, einer Pflanze, die im Mittelmeerraum nur auf Sardinien verbreitet ist. Die Ergebnisse unserer Untersuchung liefern eine weitere Begründung für diese Identifizierung und schlagen einen molekularen Mechanismus für den von den antiken Autoren beschriebenen Risus sardonicus vor.“

Giovanni Appendino et al.

Sardonisches Grinsen

Als Risus sardonicus oder „sardonisches Grinsen“ wird heute ein Symptom bezeichnet, das bei einer Tetanus-Erkrankung („Wundstarrkrampf“) und bei Vergiftung mit Strychnin auftritt.

Wiktionary: Sardonismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Brockhaus (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven.)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  2. 1 2 Wilhelm Pape: Griechisch-Deutsches Wörterbuch. Braunschweig 1849. Belegstellen u. a. bei Homer, Platon, Polybios, Meleager und Sophokles. Online: Stichwort σαρδάνιος (sardanios), Zeno.org.
  3. Homer, Odyssee 20,302; Verse 299–302 griechisch und deutsch zitiert nach Navicula Bacchi, Homer: Odyssee 20. Die Ereignisse vor dem Freiermord (griechischer Originaltext und deutsche Übersetzung)
  4. Schwab – Sagen: Der Festschmaus – Odysseus (Textlog.de)
  5. Juan Luis Vives: De officio mariti, dt. Übersetzung von Christophorus Bruno: Von Gebührlichem Thun und lassen eines Christlichen Ehemanns, Augsburg 1544, fol. 12b, im Text und am Rand. (Onlineansicht in der Google-Buchsuche). Frankfurt am Main 1566, fol. 10b, im Text und am Rand. (Onlineansicht in der Google-Buchsuche)
  6. Plutarch, dt. Übersetzung von Wilhelm Xylander und Jonas Löchinger: Von der herrlichsten, löblichsten, namhafftsten Historien, Leben ... der herrlichsten Männer, so under den Römern und Griechen gegrünet haben, Frankfurt am Main 1580, fol. 211b. (Onlineansicht in der Google-Buchsuche); W. de Porta: Illustr. dt. Monatshefte. 3. Folge. Band 5, 1875, S. 593 f; Büchmann, Geflügelte Worte 1912, S. 328; Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch. Berlin 1963, S. 625.
  7. Karl Friedrich Wilhelm Wander: Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Brockhaus, Leipzig 1867, s. v. Gelächter
  8. Das Geheimnis des sardonischen Lachens. In: epoc. Heft 5. Spektrum, Heidelberg 2009, S. 9. ISSN 1865-5718
  9. Sardonisches Lachen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 14, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig/Wien 1885–1892, S. 328.; Lemma im Original fett ausgezeichnet.
  10. dtv-Lexikon. Band 16, München 1977, ISBN 3-423-03066-6.
  11. Heinrich Gottfried von Mattuschka: Flora Silesiaca, oder Verzeichniß der in Schlesien wildwachsenden Pflanzen. Erster Theil. Leipzig 1776, S. 520 (Onlineansicht in der Google-Buchsuche): „… wiewohl Herr von Haller der Meinung ist, daß die Oenanthe crocata die wahre Herba Sardoa der Alten sey.“
  12. Professor für Organische Chemie in der Pharmazeutischen Fakultät der Università del Piemonte Orientale: Docenti – Dipartimento di Scienze del FarmacoGiovanni Battista Appendino
  13. Giovanni Appendino, Federica Pollastro, Luisella Verotta, Mauro Ballero, Adriana Romano, Paulina Wyrembek, Katarzyna Szczuraszek, Jerzy W. Mozrzymas, Orazio Taglialatela-Scafati: Polyacetylenes from Sardinian Oenanthe fistulosa: A Molecular Clue to risus sardonicus. In: Journal of Natural Products. Band 72, Nr. 5, 2009, S. 962–965, doi:10.1021/np8007717, PMID 19245244, PMC 2685611 (freier Volltext).
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