Schnabelkerfe

Rotbeinige Baumwanze (Pentatoma rufipes)

Systematik
Unterstamm: Sechsfüßer (Hexapoda)
Klasse: Insekten (Insecta)
ohne Rang: Metapterygota
ohne Rang: Eumetabola
ohne Rang: Paraneoptera
Ordnung: Schnabelkerfe
Wissenschaftlicher Name
Hemiptera
Linnaeus, 1758
Unterordnungen

Die Schnabelkerfe (Hemiptera, Rhynchota) sind eine Insekten-Ordnung innerhalb der Neuflügler (Neoptera). Die Encyclopedia of Entomology gab im Jahr 2008 die Zahl der beschriebenen Arten mit 82.000 an und schätzte die gesamte Artenzahl weltweit auf 200.000 Arten. Davon leben etwa 8000 in Europa und 2520 in Deutschland. Zu den Hemiptera zählen unter anderem die Großgruppen (Unterordnungen) der Pflanzenläuse, der Zikaden und der Wanzen. Die Arten sind in Gestalt, Färbung und Lebensweise sehr verschieden.

Merkmale

Alle zu den Schnabelkerfen gehörenden Gruppen sind durch stechend-saugende Mundwerkzeuge gekennzeichnet: Die Unterlippe der Tiere ist als Gleitschiene für die aus den Mandibeln und Maxillen bestehenden Stechdornen ausgebildet. Innerhalb der Lacinien (einem Teil der Maxillen) verläuft ein Kanal, durch den gesaugt werden kann, sowie ein Speichelkanal, durch den Speichel in die Fraßstelle geleitet wird. Teile der Mundhöhle sind bei allen Schnabelkerfen zu einer Saugpumpe umgestaltet. Die Vorderbeine sind bei einigen Vertretern zu Raubbeinen umgebildet, bei anderen sind die Hinterbeine zu Ruder- oder Sprungbeinen entwickelt. Meist sind zwei Flügelpaare vorhanden. Gemeinsamkeiten sind im Aufbau der Flügelfelderung zu finden. Das Analfeld ist gegenüber dem Restflügel deutlich abgesetzt und der Radialsektor ist immer einästig.

Die Unterscheidung erwachsener Tiere der drei Großgruppen mitteleuropäischer Schnabelkerfe kann mit den in der Tabelle gegenübergestellten Merkmalen erfolgen:

 Merkmal   Zikaden (Auchenorrhyncha)    Wanzen (Heteroptera)   Pflanzenläuse (Sternorrhyncha) 
Fuß (Tarsus) dreigliedrig, mindestens Mittel- und Hinterbeine zwei- oder dreigliedrig ein- oder zweigliedrig
Rüsselansatz (Rostrum) am „hinteren“ unteren Ende des Kopfes, direkt an der Kehle meist am Vorderende des Kopfes am „hintersten“ unteren Ende des Kopfes, scheinbar knapp vor oder nach der Hüfte des 1. Beinpaares
Flügelhaltung dachförmig, Flügel stets vorhanden, zuweilen verkürzt  meist flach über dem Hinterleib zusammengelegt, gelegentlich fehlend, zuweilen verkürzt dachförmig, oft fehlend
Vorderflügel Vorderflügel meist ganzer Fläche dünnhäutig (membranös) oder stark chitinisiert, nie strukturell zweigeteilt Vorderflügel meist zweigeteilt aus einem stark chitinisierten basalen (Corium, Clavus) und einem dünnhäutigen und durchsichtigen apikalen Teil (Membran) bestehend (Hemielytron) Vorderflügel dünnhäutig (membranös)
Fühler (Antennen)  vergleichsweise kurz aus zwei kräftigen Grundgliedern und einer Geißel (Flagellum) bestehend vier oder fünf meist kräftige Glieder relativ lang, meist viergliedrig, aus mehr oder weniger gleichartigen Gliedern bestehend, zum Teil fehlend
Lebensweise, Lebensraum nur in Landlebensräumen, überwiegend gutes Sprungvermögen  nur wenige Arten mit Sprungvermögen, in Landlebensräumen, auf der Wasseroberfläche und im Wasser  zum Teil festsitzend (Schildläuse), meist frei beweglich (Blattläuse), zum Teil mit Sprungvermögen (Blattflöhe), nur in Landlebensräumen

Systematik

Externe Systematik

In der Kladistik wird die Ordnung der Schnabelkerfe der Ordnung der Fransenflügler (Thysanoptera) innerhalb der Condylognatha gegenübergestellt. Diese wiederum steht innerhalb der Acercaria den Psocodea gegenüber. Die Acercaria bilden vermutlich die dichotome Schwestergruppe der Bodenläuse (Zoraptera) innerhalb der Paraneoptera.

 Paraneoptera  
  Acercaria  

 Psocodea


  Condylognatha  

 Hemiptera


   

 Thysanoptera




   

 ? Zoraptera



Interne Systematik

Es handelt sich um eine äußerlich sehr diverse Gruppe. Sie wird in die Großgruppen Zikaden, Pflanzenläuse, Wanzen und Scheidenschnäbler (eine mit nur 25 Arten sehr kleine Reliktgruppe von gondwanisch, also auf den Kontinenten der Südhalbkugel verbreiteten Insekten) geteilt. Innerhalb der Schnabelkerfe sind vier beziehungsweise fünf monophyletische Gruppen, die meist als Unterordnungen aufgefasst werden, bekannt. Die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen diesen Gruppen sind noch nicht abschließend geklärt. Formell werden sie weiterhin als Unterordnungen gefasst.

Molekularbiologische Untersuchungen bestätigen, dass die Zikaden (Auchenorrhyncha) ein Paraphylum bilden. Die Gruppe wird danach in die zwei Unterordnungen: Rundkopfzikaden (Clypeorrhyncha = Cicadomorpha) und Spitzkopfzikaden (Archaeorrhyncha = Fulgoromorpha) geteilt. Letztere werden als näher verwandt mit den Wanzen (Heteroptera) gesehen.

Über den Status der Unterordnung bestehen bei den Wanzen und Scheidenschnäblern verschiedene Auffassungen. Traditionell werden sie jeweils als eigene Unterordnungen der Hemiptera gesehen. Verschiedene Bearbeiter fassen sie dagegen zu einer neuen gemeinsamen Unterordnung Prosorrhyncha (syn. Heteropteroidea, Heteropterodea) zusammen.

Die früheren Bezeichnungen „Homoptera“ und auch „Auchenorrhyncha“ sind als hinfällig aufzufassen. Während die „Gleichflügler“ als Paraphylum als inzwischen ungültiges Taxon gelten, wird aus Gründen der Kontinuität letztere Bezeichnung für die Zikaden (noch) teilweise weiter eingesetzt.

Einzelnachweise

  1. J. L. Capinera (Hrsg.): Encyclopedia of Entomology. 2. Auflage. Kluwer Verlag, 2008, ISBN 978-1-4020-6242-1.
  2. Fauna Europaea Web Service (2005) Fauna Europaea version 1.3 (19. April 2007), online: https://fauna-eu.org/cdm_dataportal/taxon/f3f895f7-a188-46cb-a937-d4a6234bae19 (Zugriff am 4. April 2008).
  3. W. E. Holzinger, I. Kammerlander, H. Nickel: The Auchenorrhyncha of Central Europe – Die Zikaden Mitteleuropas. Volume 1: Fulgoromorpha, Cicadomorpha excl. Cicadellidae. Brill, Leiden 2003, ISBN 90-04-12895-6.
  4. R. Biedermann, R. Niedringhaus: Die Zikaden Deutschlands – Bestimmungstafeln für alle Arten. Fründ, Scheeßel 2004, ISBN 3-00-012806-9.
  5. J. T. Sorensen, B. C. Campbell, R. J. Gill, J. D. Steffen-Campbell: Non-monophyly of Auchenorrhyncha ("Homoptera"), based upon 18S rDNA phylogeny: eco-evolutionary and cladistic implications with pre-Heteropteroidea Hemiptera (s.l.) and a proposal for new monophyletic suborders. In: Pan-Pacific Entomologist. Band 71, Nr. 1, 1995, S. 31–60.
  6. J. R. Cryan: Molecular phylogeny of Cicadomorpha (Insecta: Hemiptera: Cicadoidea, Cercopoidea and Membracoidea): adding evidence to the controversy. In: Systematic Entomology. Band 30, Nr. 4, 2005, S. 563–574.
  7. Dieter Schlee: Morphologie und Symbiose; ihre Beweiskraft für die Verwandtschaftsbeziehungen der Coleorrhyncha (Insecta, Hemiptera). In: Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde. Nr. 210, 1969, S. 1–27 (zobodat.at [PDF]).
  8. J. Zrzavy: Evolution of antennae and historical ecology of the hemipteran insects (Paraneoptera). In: Acta Entomol. Bohemoslov. Band 89, Nr. 2, 1992, S. 77–86.
  9. 1 2 Thierry Bourgoin, B. C. Campbell: Inferring a Phylogeny for Hemiptera: Falling into the „Autapomorphic Trap“. In: Zikaden. (= Denisia. 4, N.F. 176). 2002, ISBN 3-85474-077-8, S. 67–82 (zobodat.at [PDF]).

Literatur

  • John L. Capinera (Hrsg.): Encyclopedia of Entomology. 2. Auflage. Kluwer Verlag, Dordrecht/ London 2008, ISBN 978-1-4020-6242-1.
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