Die Cappella degli Scrovegni (auch Scrovegni-Kapelle oder Arenakapelle genannt) ist eine Kapelle in Padua, Venetien, in Italien, berühmt durch die Fresken von Giotto di Bondone und Skulpturen von Giovanni Pisano.
Geschichte und Architektur
Am 6. Februar 1300 kaufte Enrico Scrovegni, ein reicher Bankier, Kaufmann und Adliger aus Padua, das verfallene römische Amphitheater (Arena) in den Außenbezirken von Padua, um einen heute zerstörten Familienpalast zu errichten und angeblich auch, um eine Kapelle im Gedenken an seinen Vater, den Bankier Rinaldo, bauen zu lassen. Dieser Rinaldo Scrovegni erscheint in Dante Alighieris Göttlicher Komödie wegen Wuchers in die Hölle verbannt. Tatsächlich war die Kapelle primär als Palastkapelle und als Zielort einer Prozession konzipiert, die jedes Jahr am Verkündigungfest stattfand und in der Arena mit einem Mysterienspiel endete. 1302 begann der Bau der Kapelle, nachdem Bischof Ottobone di Razzi seine Zustimmung erteilt hatte. Am Verkündigungsfest 25. März 1305 wurde die Kapelle Unserer Lieben Frau von der Nächstenliebe geweiht.
Der einschiffige Raum der Kapelle misst 20,5 m × 8,5 m und ist 18,5 m hoch. Die Seitenwände des einfachen Backsteinbaus werden von flachen Lisenen in sechs Wandfelder unterteilt. Die Decke bildet ein Tonnengewölbe. Unter einem großen Bogen liegt die 4,49 m × 4,31 m Grundriss messende Apsis im Osten mit polygonalem Abschluss, Kreuzrippengewölbe und zwei hohen gotischen Spitzbogenfenstern. Über der Apsis befindet sich ein kurzer Glockenturm. Der ursprüngliche Eingang befand sich an der westlichen Giebelwand. An den Seiten des Altarraumes ist ein hölzernes Chorgestühl untergebracht. Ein großes Drillingsfenster mit gotischem Spitzbogen in der westlichen Stirnwand und sechs hohe einbögige Seitenfenster auf der Südseite belichten den Raum. Aufgrund der Berücksichtigung der Ausmalung bereits bei der Bauplanung wird Giotto auch als Architekt vermutet.
Künstler
Enrico Scrovegni verpflichtete bekannte Künstler seiner Zeit zur Dekoration des einschiffigen Kapelleninnern.
Freskenzyklus von Giotto
Von 1304 bis 1306 stattete Giotto di Bondone die Wände und das Gewölbe der Kapelle mit 38 Fresken aus, die Szenen aus dem Leben der heiligen Joachim und Anna, deren Tochter Maria und dem Leben Jesu Christi zeigen. Der Freskenzyklus ist in drei Registern, beginnend oben rechts, angelegt.
Eine Szene aus diesem Zyklus ist die Anbetung der Heiligen Drei Könige, in der ein Komet am Himmel schwebt. Unterhalb der Szenen zum Leben Jesu befinden sich an den Seitenwänden der Kapelle die vier Kardinaltugenden und die drei Theologischen Tugenden und sieben diesen Tugenden entgegengesetzte Laster als allegorische Darstellungen. Sie reihen sich in Richtung des Jüngsten Gerichts, das über dem Eingangsportal dargestellt ist, jeweils zur entsprechenden Seite der Heiligen oder Verdammten hin. Giotto verwendete Architekturelemente, die dem Betrachter Nischen vortäuschen (Trompe-l’œil), in denen sich die Figuren befinden. Dazwischen ist täuschend echt gemalter Marmor zu sehen.
Über dem Eingang zum Altarraum, dem Triumphbogen, der zum Chor führt, thront Gottvater, der den Erzengel Gabriel beauftragt, der Jungfrau Maria die Empfängnis Jesu zu verkündigen. Die Verkündigung ist darunter in zwei getrennten Bildern entlang des Eingangsbogens zum Altarraum dargestellt. Maria wird hier mit geneigtem Kopf und vor der Brust gekreuzten Armen gezeigt, einem Zeichen der Einwilligung.
Apsis und Sakristei
- Nordwand der Apsis
- Giovanni Pisano, Grabmonument Enrico Scrovegnis und Skulpturengruppe auf dem Altar
- Südwand der Apsis
Zwischen 1317 und 1320 entstanden die Fresken der Apsiswände mit Szenen vom Lebensende Marias, von der Ankündigung ihres Todes bis zu ihrer Grablegung, ihrer Aufnahme in den Himmel und ihrer Krönung. Der unbekannte Maler, der im Stil Giottos malte, wird nach diesem Werk als „Meister des Chores der Scrovegni-Kappelle“ bezeichnet.
Giovanni Pisano stellte um 1305–1306 drei Marmorstatuen für den Altar her, die heilige Jungfrau Maria mit Kind und zwei Kerzenleuchter haltende Engel. Ein Bild über dem Altar wurde zerstört, an den Seiten befinden sich Darstellungen des Todes der heiligen Jungfrau und ihrer Aufnahme in den Himmel.
Hinter dem Altar an der mittleren Wand der dreiteiligen polygonalen Apsis steht das Grabmonument des Enrico Scrovegni. Mittels Konsolen erhebt sich das Grabmal über den Altar. Auf einer Grabkiste mit drei roten Marmorfeldern, eingefasst mit weißem Marmor, ist Enrico Scrovegni auf einer leicht schräg gestellten Bahre aus weißem Marmor mit einem Baldachin liegend darstellt, dessen geöffnete Vorhänge von weißen marmornen Engeln gehalten werden. Gefertigt wurde es von einem nur als Meister des Scrovegni-Grabes bekannten Bildhauer. Von 1320 bis zu seinem Tod 1336 befand sich Enrico Scrovegni im Exil in Venedig. Pietro Toesca wies auf die Ähnlichkeit mit dem Grab des 1354 verstorbenen Dogen Andrea Dandolo im Baptisterium des Markusdoms in Venedig hin. In der Sakristei steht die aufrechte Skulptur des betenden Enrico Scrovegni (um 1305). Das von Giotto gemalte Kruzifix ist in den benachbarten Musei Civici zu sehen.
Gewölbe
Das Gewölbe des Altarraumes und des Hauptschiffes ist vermutlich in Anlehnung an die Grabstätte der Galla Placidia in Ravenna mit einem blauen Sternenhimmel ausgemalt. Innerhalb des Himmelsgewölbes befinden sich Darstellungen von Jesus, von der heiligen Jungfrau Maria mit Kind und von den Propheten des Alten Testaments.
Restaurierung
Seit dem 19. und 20. Jahrhundert wurde die Kapelle restauriert, da die Fresken durch Gebäude- und Umweltschäden, u. a. während der Bombardierung Paduas im Zweiten Weltkrieg, sowie durch Salzablagerungen schwer gelitten hatten. Nur einer begrenzten Besucherzahl wurde jeweils für 15 Minuten Zutritt gestattet.
- Vertreibung Joachims aus dem Tempel
- Joachim unter den Hirten
- Verkündigung an die hl. Anna
- Der Traum des hl. Joachim
- Begegnung Joachims und Annas an der Goldenen Pforte
- Bethlehemitischer Kindermord
- Flucht nach Ägypten
- Einzug in Jerusalem
- Judaskuss und Gefangennahme
- Christus vor Kaiphas
- Grablegung
- Beweinung Christi
Literatur
- Eleonora M. Beck: Justice and Music in Giotto’s Scrovegni Chapel Frescoes. In: Music in Art: International Journal for Music Iconography, Jg. 29 (2004), Nr. 1–2, S. 38–51, ISSN 1522-7464.
- Philippe Cordez: Les marbres de Giotto. Astrologie et naturalisme à la chapelle Scrovegni. In: Mitteilungen des kunsthistorischen Institutes in Florenz, Jg. 45 (2013), Nr. 1, S. 8–25 Les marbres de Giotto.
- Walter Euler: Die Architekturdarstellung in der Arena-Kapelle. Ihre Bedeutung für das Bild Giottos. Gaßmann, Solothurn 1967.
- Malafarina Gianfranco (Hrsg.): La Capella degli Scrovegni a Padova (The Scrovegni Chapel in Padua) (ital./engl.) Franco Cosimo Panini, Modena 2005, ISBN 88-8290-764-3.
- Jacqueline und Maurice Guillaud: Giotto. Architekt der Farben und Formen. Freskenzyklus der Arena-Kapelle in Padua. Klett-Cotta, Stuttgart 1988, ISBN 3-608-76241-8.
- Max Imdahl: Giotto. Arenafresken. Ikonographie, Ikonologie, Ikonik. Fink, München, 2., erweiterte Aufl. 1988, ISBN 3-7705-2506-X.
- Giuliano Pisani: L'ispirazione filosofico-teologica nella sequenza Vizi-Virtù della Cappella degli Scrovegni. In: Bollettino del Museo Civico di Padova, Jg. 93 (2004), S. 61–97 (online).
- Giuliano Pisani: Terapia umana e divina nella Cappella degli Scrovegni. In: Il Governo delle cose, Jg. 6 (2006), S. 97–106.
- Giuliano Pisani: L'iconologia di Cristo Giudice nella Cappella degli Scrovegni di Giotto. In: Bollettino del Museo Civico di Padova, Jg. 95 (2006), S. 45–65 (online).
- Giuliano Pisani: Le allegorie della sovrapporta laterale d'accesso alla Cappella degli Scrovegni di Giotto. In: Bollettino del Museo Civico di Padova, Jg. 95 (2006), S. 67–77.
- Giuliano Pisani: Il miracolo della Cappella degli Scrovegni di Giotto. In: Modernitas – Festival della modernità (Milano 22–25 giugno 2006). Spirali, Milano 2006, S. 329–357.
- Giuliano Pisani: I volti segreti di Giotto. Le rivelazioni della Cappella degli Scrovegni. Rizzoli, Milano 2008, ISBN 978-88-17-02722-9; Editoriale Programma, Treviso, 2015, ISBN 978-88-6643-353-8.
- Giuliano Pisani: Il programma della Cappella degli Scrovegni. In: Giotto e il Trecento, herausgegeben von A. Tomei. Skira, Milano 2009, S. 113–127 (online).
- Giuliano Pisani: La fonte agostiniana della figura allegorica femminile sopra la porta palaziale della Cappella degli Scrovegni. In: Bollettino del Museo Civico di Padova, Jg. 99 (2010), S. 35–46 (online).
- Giuliano Pisani: La concezione agostiniana del programma teologico della Cappella degli Scrovegni. In: Alberto da Padova e la cultura degli Agostiniani, herausgegeben von F. Bottin. Padova University Press, Padova 2014, S. 215–268 (online).
- Giuliano Pisani: Il capolavoro di Giotto. La Cappella degli Scrovegni, Editoriale Programma, Treviso, 2015, ISBN 978-88-6643-350-7 (online).
- Giuliano Pisani: Die Scrovegni Kapelle. Giottos Revolution. Übersetzung von Klaus Mueller, Skira, Milano 2021, ISBN 978-88-572-4532-4.
- Anna Maria Spiazzi: Giotto Die Scrovegni-Kapelle in Padua, Skira, Genf – Mailand 2004, ISBN 978-88-8491-847-5.
- James Stubblebine: Giotto: The Arena Chapel Frescoes. London 1969.
- Hans Michael Thomas: Giottos „Ratschluß der Erlösung“ in der Arenakapelle von Padua. In: Franziskanische Studien, Werl, Jg. 73 (1991), S. 1–14.
- Michael Viktor Schwarz: Padua, its Arena and the Arena Chapel: a liturgical ensemble. In: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes, Jg. 10 (2010), S. 39–64.
- Michael Viktor Schwarz: Giottus Pictor II: Giottos Werke (Mitarbeiterin: Michaela Zöschg), Böhlau, Wien 2008
- Stefano Zuffi: Giotto. Die Cappella degli Scrovegni, Skira, Mailand 2012, ISBN 978-88-572-1640-9.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Michael Viktor Schwarz, Padua, its Arena and the Arena Chapel: a liturgical ensemble, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes, Volume 10: 2010, S. 39–64.
- 1 2 Spiazzi: Giotto Die Scrovegni-Kapelle in Padua 2004, S. 13
- ↑ Volker Herzner: Giottos Grabmal für Enrico Scrovegni, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, 33, 1982, S. 39–66. Siehe auch: Volker Herzner: Zur Statue des Enrico Scrovegni, in Kunstchronik 2010, S. 172–175
Koordinaten: 45° 24′ 42″ N, 11° 52′ 46″ O