Als Sexen (lat. sexus „Geschlecht“) bezeichnet man allgemein die Bestimmung und Segregation von Tieren oder Spermien anhand des Geschlechts vor allem in der Geflügelzucht. Bekannt und zum Teil kontrovers diskutiert ist die Geschlechtsbestimmung bei Küken in Betrieben der Eier- und Geflügelproduktion. Aus wirtschaftlichen Gründen werden infolge der Bestimmung Küken mit nicht gewünschten oder nicht eindeutigen Geschlechtsmerkmalen getötet (sogenannte Eintagsküken).
In der Viehzucht, z. B. bei Rindern, findet „gesextes Sperma“ Verwendung, um zu gewährleisten, dass nur Tiere mit einem gewünschten Geschlecht gezeugt werden.
Verbreitung
Die Geschlechtsbestimmung wird in der Eierproduktion durchgeführt, weil nur Hennen Eier legen und daher relevant sind. Da die Zuwachsleistung von für die Eierproduktion gezüchteten Hühnerrassen unter der aus Geflügelmastzüchtungen liegt, werden die Hähnchen getötet.
In der Geflügelmast werden sowohl weibliche als auch männliche Jungvögel gemästet. Da nach Geschlecht selektierte Küken durch die anfallende Handarbeit teurer sind, werden in der Hühnermast üblicherweise sogenannte straight-run chicks verwendet, bei denen das Geschlecht nicht bestimmt wird und wo die Geschlechterverteilung ausgeglichen ist. Aufgrund der hohen Kosten werden beispielsweise in den USA nur etwa 27 % der für die Mast bestimmten Hühnerküken nach Geschlecht selektiert. Für die Putenmast gebrütete Küken werden hingegen immer selektiert, da hinreichend große Unterschiede zwischen Puten und Putern hinsichtlich Wachstumsraten, Marktreife, Management und Ernährung bestehen, um die höheren Kosten betriebswirtschaftlich zu rechtfertigen.
Geflügelzüchter sortieren Küken ebenfalls nach Geschlecht, und die unerwünschten männlichen bzw. weiblichen Tiere werden getötet, da Zuchtlinien nach Geschlecht getrennt sind (Vater- und Mutterlinien).
Methoden
In produzierenden Betrieben wird bisher ausschließlich per Hand selektiert. Das erfolgt direkt durch den Menschen nach dem Schlüpfen und erfordert einige Übung. Zu unterscheiden sind das sogenannte Kloakensexen und das Federsexen.
Kloakensexen
Beim „Kloakensexen“ wird leichter Druck auf die Kloake ausgeübt, wodurch sie invertiert. Der Penis ist größer, gebogener und knorpliger als die Klitoris. Das Kloakensexen erfordert eine Ausbildung, hohe Fingerfertigkeit und Konzentrationsfähigkeit. Mit entsprechender Erfahrung kann eine Person etwa 2000 Küken pro Stunde bei einer Fehlerquote von 2 % selektieren.
Federsexen
Es gibt zwei Arten vom Federsexen; durch Kennfarbigkeit, was heute meist verwendet wird, und durch Längensexen, wobei die Federlänge entscheidend ist. Das Federsexen ist bedingt durch ein einkreuzbares Gen, welches das Wachstum einer Flügelfeder bei männlichen Küken verlangsamt. Die Unterscheidung zwischen Hähnchen und Hühnchen fällt leichter als beim Kloakensexen und ist billiger, da es kein so gut ausgebildetes Personal erfordert.
Das Gen steht in Verbindung mit einem endogenen Retrovirus. Es wurde festgestellt, dass Hähnchen mit diesem Gen bei heißem Wetter eine gesteigerte Kannibalismusneigung haben.
Nachteile beim manuellen Sexen nach dem Schlüpfen ergeben sich durch den Arbeitskosten- und Zeitaufwand. Sexen vor dem Schlüpfen wäre noch aus zwei weiteren Gründen vorteilhafter: Impfungen könnten billiger durchgeführt und das aus ethischen Gründen kritisierte Töten von Küken reduziert werden.
Rechtslage in Deutschland
Nachdem 2013 in Nordrhein-Westfalen und Hessen das Töten männlicher Eintagsküken durch das Verbraucherschutzministerium per Erlass als tierschutzwidrig untersagt worden war, wurde erst der entsprechende Erlass im Januar 2015 durch das Verwaltungsgericht Minden für unwirksam erklärt, später entschied 2016 das Oberverwaltungsgericht Münster, dass es aufgrund Eierproduktion einen sogenannten vernünftigen Grund gemäß Tierschutzgesetz darstelle.
Das Bundesverwaltungsgericht erklärte am 13. Juni 2019 die Praxis nur für eine Übergangsperiode für zulässig. Die wirtschaftlichen Interessen von Brütereien seien allein kein vernünftiger Grund, bis zur Einführung von Verfahren, die eine Geschlechtsbestimmung bereits im Hühnerei ermöglichen, bleibe es aber erlaubt.
Am 1. Januar 2022 trat ein grundsätzliches Verbot des Kükentötens in Kraft (§ 4 c Tierschutzgesetz).
Forschungsansätze
Um die Nachteile der manuellen Selektion zu vermeiden, gibt es mehrere Ansätze: Nach einem System werden 13 bis 17 Tage nach Eiablage (4 bis 8 Tage vor dem Schlüpfen) Unterschiede in den Östrogenspiegeln in Proben der Allantoisflüssigkeit von männlichen und weiblichen Embryos festgestellt. Ein weiteres Verfahren basiert auf dem höheren RNA-Gehalt männlicher Embryonen, der durch Raman-Spektroskopie bestimmt werden kann.
Weblinks
- B. Doyle: The Joy of Sexing. Bei: TheAtlantic.com. März 2000. Reportage über einen Sexer.
- Sexing Chicks After a Few Weeks. (Memento vom 21. Januar 2013 im Internet Archive) Bei: Ithaca.edu.
Einzelnachweise
- 1 2 3 4 5 P. Phelps: Gender identification of chicks prior to hatch. Fiftieth Annual National Breeders Roundtable Proceedings (PDF-Datei; 488 kB). U.S. Poultry & Egg Association, Tucker, GA 2001.
- 1 2 3 J. Gillespie, F. Flanders: Modern Livestock and Poultry Production. Cengage Learning, 2009.
- 1 2 3 C. Ricks, N. Mendu, P. Phelps: The Embryonated Egg: A Practical Target for Genetic Based Advances to Improve Poultry Production. In: Poultry Science. Vol. 82, 2003, S. 931–938.
- ↑ LG Münster hat keinen Verdacht auf Straftat: Eintagsküken dürfen getötet werden. In: Legal Tribune Online, vom 9. März 2016. Abgerufen am 21. Mai 2016.
- ↑ Gerald Steiner et al.: Sexing of turkey poults by Fourier transform infrared spectroscopy. Analytical Tools for the Nanoworld 396, 1, 2010, doi:10.1007/s00216-009-3273-z.
- ↑ Erfolgreiche Forschung zum Ausstieg aus der Kükentötung – Prototyp zur Geschlechtsbestimmung im Ei bis Ende 2016. Bei: Uni-Leipzig.de.
- ↑ Alternativen zum Töten männlicher Küken. (Memento des vom 30. Juni 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Bei: BMEL.de. Stand 30. März 2015.