Siegfried von Merseburg († 10. Juli 937) war ein sächsischer Graf, der aufgrund seiner Herkunft und seiner Nähe zur königlichen Familie gegen Ende der Herrschaft König Heinrichs I. zu den bedeutendsten Großen in Sachsen gehörte. Ihm wurde die Erziehung des jüngsten Königssohnes Heinrich übertragen. Als Legat übte er das prestigeträchtige Amt eines militärischen Oberbefehlshabers aus und vertrat Otto den Großen während dessen Abwesenheit in Sachsen. Widukind von Corvey bezeichnete ihn in seiner Sachsengeschichte als Zweiten hinter dem König und besten unter den Sachsen.

Leben

Siegfried war der älteste Sohn des ostfälischen Grafen Thietmar und der Hildegard. Über seine Mutter war er mit der königlichen Familie verwandt. Deren Schwester, die Frau des Grafen Erwin von Merseburg, war die Mutter Hatheburgs, der ersten Gemahlin König Heinrichs I. Siegfrieds Schwester Hidda war verheiratet mit dem Grafen Christian, der 945 als Markgraf im Gau Serimunt erwähnt wird. Sein jüngerer Bruder Gero war als Markgraf lange einer der mächtigsten Vertrauten König Ottos I. Karl Schmid ist zu dem Ergebnis gelangt, dass Siegfried und Asic, der 936 im Kampf gegen die Böhmen gefallene Anführer der Merseburger Schar, identisch sind.

Nach der 919 erfolgten Wahl von Heinrich I. zum ersten deutschen König vermochte dessen langjähriger Erzieher und Ratgeber Thietmar eine Ehe seines Erstgeborenen Siegfried mit Irminburg, entweder einer Halbschwester oder einer Tochter des Königs, zu arrangieren. Damit wurde Siegfried zum Mitglied der königlichen Familie, was seine Position in jungen Jahren erheblich stärkte. Irminburg verstarb früh. Aus der Verbindung sind keine Nachkommen bekannt.

Aus einer noch vor 924 geschlossenen zweiten Ehe mit der vermutlich aus dem Hause der ostfälischen Brunonen stammenden Guthia (Jutta) gingen dann mindestens zwei Kinder hervor: Thietmar († 3. Oktober 959) und ein weiterer Sohn, der im Kampf fiel. Die Abstammung des ersten Brandenburger Bischofs Dietmar (ab 949; † 7. August 968) von Siegfried ist fraglich und wohl nur durch die Namensähnlichkeit zu Thietmar konstruiert worden.

Die Familie seines Vaters Thietmar war vor allem im Harzgau und im Nordthüringgau begütert. Da Erwin von Merseburg ohne Erben starb, kamen nicht unerhebliche Teile seiner Güter über Siegfrieds Mutter Hildegard, der Schwägerin des Merseburgers, hinzu. Das Gesamterbe ging mit dem Tode Thietmars (1. Februar 932) in die Hände Siegfrieds und seines Bruders Gero über.

Am 25. Juni 934 schenkte Heinrich I. „dem Grafen Sigifrid auf Bitte des Grafen Heinrich Besitzungen im Schwabengau in der Grafschaft desselben Sigifrid: den Hof Gröningen, Kroppenstedt, Amendorf und alle von Abt Hadumar [von Fulda] eingetauschten Pertinenzen von Gröningen“ (vgl. Regesta Imperii zu 934). Diese erhebliche Schenkung nutzte Siegfried zusammen mit seiner Frau Guthia (Jutta) bereits 936 zur Gründung von Kloster Gröningen nicht nur zu eigenem Seelenheil, sondern insbesondere auch für das Seelenheil von König Heinrich, dessen Frau Mathilde und deren Kindern. Im gleichen Jahr starb der König, das Jahr darauf auch Siegfried. Seinen Todestag überliefert das Nekrolog der Kirche St. Michael in Lüneburg mit dem 10. Juli. Da Widukind von Corvey Siegfrieds Tod in die gleiche Jahreszeit setzt wie denjenigen des bairischen Herzogs Arnulf, dessen Todestag für den 14. Juli 937 belegt ist, hat der Lüneburger Eintrag eine größere Wahrscheinlichkeit für sich als der in diesem Zusammenhang ebenfalls diskutierte Eintrag eines Siegfried im Merseburger Totenbuch für den 3. Dezember.

Rezeption

Die Historiographen Andreas Angelus in seiner 1589 erschienenen Annales Marchiae Brandenburgicae als auch Lorenz Peckenstein im 1608 veröffentlichten Theatrum Saxonicum ordnen Siegfried dem Geschlechterverband der Nachfahren Widukinds zu und bezeichnen ihn als Grafen von Ringelheim und Oldenburg. Die Zuordnung beruht auf einer Verwechselung von Siegfrieds Vater Thietmar mit dem gleichnamigen westfälischen Grafen Thietmar, dem Vater der Königin Mathilde. Für dessen Nachkommen lässt sich auch eine Verbindung zum Ort Ringelheim an der Innerste herstellen. Das dortige Kloster Ringelheim war einer Urkunde Ottos I. nach von Ymmat, einem Verwandten Mathildes, gestiftet worden.

Quellen

  • Widukind von Corvey: Die Sachsengeschichte des Widukind von Corvey. In: Quellen zur Geschichte der sächsischen Kaiserzeit (= Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe. Band 8). Übersetzt von Albert Bauer, Reinhold Rau. 5. gegenüber der 4. um einen Nachtrag erweiterte Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2002, ISBN 3-534-01416-2, S. 1–183.

Literatur

  • Ruth Schölkopf: Die sächsischen Grafen 919–1024 (= Studien und Vorarbeiten zum Historischen Atlas Niedersachsens. Band 22). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1957.
  • Georg Waitz: Jahrbücher des Deutschen Reichs unter König Heinrich I. Duncker & Humblot, Berlin 1863, auch 1963 im Nachdruck der Ausgabe von 1885. (books.google.com).
  • Reinhard Wenskus: Sächsischer Stammesadel und fränkischer Reichsadel (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, 93). Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen 1976.
  • Herbert Ludat: An Elbe und Oder um das Jahr 1000. Skizzen zur Politik des Ottonenreiches und der slavischen Mächte in Mitteleuropa. 2. Auflage. Böhlau, Weimar u. a. 1995, ISBN 3-412-11994-6.
  • Urkunde vom 25. Juni 934 RI II,1 n. 46. In: Regesta Imperii (regesta-imperii.de Abgerufen am 19. Januar 2015).

Anmerkungen

  1. Karl Schmid: Neue Quellen zum Verständnis des Adels im 10. Jahrhundert. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins. Bd. 108, 1960, S. 185–232, hier S. 223., (online); Karl Schmid: Bemerkungen zur Frage einer Prosopographie des früheren Mittelalters. In: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte, Bd. 23. 1964 S. 215–227, hier S. 218 f.; ihm folgend Herbert Ludat: An Elbe und Oder um das Jahr 1000. Skizzen zur Politik des Ottonenreiches und der slavischen Mächte in Mitteleuropa. Köln 1971, ISBN 3-412-07271-0, S. 24, Anmerkung 144.; zuvor bereits Walter Schlesinger: Die Entstehung der Landesherrschaft: Untersuchungen vorwiegend nach mitteldeutschen Quellen. (= Sächsische Forschungen zur Geschichte Bd. 1) Baensch, Dresden 1941, S. 160 Anmerkung 220.
  2. Der Name entstammt einem Gedenkeintrag im Reichenauer Verbrüderungsbuch und wurde zuerst von Karl August Eckhardt: Genealogische Funde zur allgemeinen Geschichte. Witzenhausen: Deutschrechtl. Instituts-Verl., Witzenhausen 1962, S. 18 als derjenige der ersten Ehefrau Siegfrieds identifiziert. Ihm folgend Reinhard Wenskus: Sächsischer Stammesadel und fränkischer Reichsadel (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Nr. 93). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1976, ISBN 3-525-82368-1, S. 391.
  3. Widukind II, 1 bezeichnet Siegfried als gener regis, wobei gener sowohl Schwager als auch Schwiegersohn bedeuten kann.
  4. Gerd Althoff: Adels- und Königsfamilien im Spiegel ihrer Memorialüberlieferung. Studien zum Totengedenken der Billunger und Ottonen (= Münstersche Mittelalter-Schriften. Band 47). Fink, München 1984, ISBN 3-7705-2267-2, S. 405. (Digitalisat)
  5. Andreas Angelus: Annales Marchiae Brandenburgicae, das ist ordentliche Verzeichnis und Beschreibung der fürnemsten und gedenckwirdigsten Märkischen Jahrgeschichten und Historien, so sich vom 416. Jahr vor Christi Geburt bis aufs 1596 Jahr zugetragen haben. Frankfurt a.d. Oder 1598, S. 53.
  6. Lorenz Peckenstein: Darinnen ordentliche Warhaftige Beschreibung/ der fürnembsten Könige/ Chur/ unnd Fürsten/ Graffen/ Herren/ … Bisthumb/ Stiffte/ Festungen/ Schlösser/ Empter/ Städte … in der fürnemen Provintz Obersachsen/ beneben der fürnemsten Herren Contrafactur, auch gräfflichen und adelichen Geschlechten Wappen/ in drey Theil zusamen getragen / Mit sonderm Fleiß ex Archivis colligirt, und gegen vielen bewerten Monumentis revidirt, und mit sonderlichen zuvor unbekandten Historien illustrirt. Grosse, Leipzig 1608, S. 121.
  7. Die Abstammung Siegfrieds von Thietmar wurde erstmals nachgewiesen von Karl Schmid: Neue Quellen zum Verständnis des Adels im 10. Jahrhundert. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins. Bd. 108, 1960, S. 185–232, hier S. 211 ff., (online).
  8. Widukind I, 31.
  9. DO I, 435; dazu Caspar Ehlers: Die Integration Sachsens in das fränkische Reich. (751–1024) (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte. Bd. 231). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 978-3-525-35887-0, S. 448.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.