Der Silbenkern (Nukleus, Silbengipfel) ist der Moment der größten Schallfülle einer Silbe und damit deren sonoranter Hauptteil („Segment mit der höchsten Prominenz“). In der Regel ist dieser Silbenkern vokalisch. Ist kein Vokal vorhanden, so liegt der Silbenkern auf einem Fließlaut (Liquida) oder auf einem Reibelaut (Frikativ).
Die Silbe als kleinste freie phonologische Einheit hat genau einen Nukleus. Konsonantische Satellitenphoneme (Silbenanlaut und Silbenkoda) können den Nukleus umgeben. Eine größere phonologische Einheit kann mehrere Silbenkerne aufweisen.
Ein Silbenkern besteht im einfachsten Falle aus exakt einem Vokal. In den meisten Sprachen findet sich als leichtester Komplex ein Silbenkern aus zwei Vokalen und somit aus einem Diphthong. Seltener sind auch Triphthong, also eine unmittelbar Folge von drei Vokalen oder Halbvokalen im Nukleus, silbengipfelfähig.
Das Diakritikum der IPA ist ein kleiner Strich unter dem Zeichen. Ein Beispiel im Deutschen wäre [ˈbeːtn̩] für beten.
Beispiele
- Vokal als Silbengipfel im Deutschen: „Haken“, „Wandel“, „Lesen“ oder „haben“
- leerer Silbenanlaut bei unbetontem Vokal im Deutschen: „Chaos“, „etwaig“ oder „nahe“
- Hiatus verschiebt den Gipfel im Deutschen: „chaotisch“
- eine Liquida als Nukleus: deutsch „Teufel“ oder kroatisch Krk
- ein sonoranter Konsonant (Sonorant, hier ein Nasal) als Silbengipfel: deutsch „haben“, „laufen“, „lesen“, „Wandel“ oder im Swahili mtu für „Mann“
- ein Frikativ als zischender Silbenkern im Deutschen: „psst“
- ein Triphthong im Englischen: hire oder flour
Phonotaktische Einordnung
Die Phonologie einer Sprache teilt die Sprachlaute ein nach phonologischen Sonoritätsklassen, welche relativ voneinander sind. Die Syllabizität eines Sprachlauts ist kein intrinsisches, kontextfreies Merkmal eines Segments, sondern das vergleichende Ergebnis des syntagmatischen Kontrasts des Segmentes mit hinreichender Sonorität gegenüber anderen Segmenten mit Lauten geringerer Sonorität. Ein Laut ist silbisch, wenn er einen Silbenkern aufweist.
Bezug zum Sonoritätsprinzip
Das Sonoritätsprinzip besagt, dass die Sonorität jeder Silbe zum Silbengipfel hin zunimmt und dann wieder abnimmt.
Reim
Akzent
Der Silbenkern ist der Träger des Akzents. Die deutsche Sprache hat einen Stammsilbenakzent (siehe Wortakzent).
Akzentverteilungsregel
Die lateinische Akzentverteilungsregel gibt vor, dass in einem Wort mit mindestens drei Silben die vorletzte Silbe zu betonen, wenn sie schwer ist. Ansonsten wird die drittletzte Silbe betont (siehe Silbengewicht).
Siehe auch
Quellen
- Joseph H. Greenberg: Some generalizations concerning initial and final consonant clusters. 1978.
- komplexe Nuklei (PDF-Datei; 114 kB).
- Joseph H. Greenberg (Hrsg.): Universals of human language. 1978, S. 243–279.
- Helmut Glück (Hrsg.): Metzler-Lexikon Sprache. 2000.
- Christian Ebert: Silbenphonologie. 2005 (PDF).
- Judith Meinschaefer: Silbe und Sonorität in Sprache und Gehirn. 1998, S. 26–76.