Singuläre Störungen treten in Verbindung mit speziellen Typen parameterabhängiger Probleme auf.

In der klassischen Störungstheorie regulärer Störungen hängt ein gegebenes Problem derart von einem Parameter ab, dass einfache Potenzreihenansätze bezüglich des Parameters genügen, um die Lösung des Problems gut zu approximieren. Ein kompliziertes Problem, dass offenbar nicht regulär gestört ist, sind die Navier-Stokes-Gleichungen der Strömungsmechanik im Fall großer Reynold-Zahlen. Ludwig Prandtl entdeckte bei Strömungsproblemen die Existenz von Grenzschichten, deren Beschreibung im Rahmen der klassischen Störungstheorie nicht möglich ist.

Ein Beispiel

Die Randwertaufgabe mit einem kleinen Parameter

besitzt die Lösung

Damit gilt für jedes

.

Die Funktion ist auch die Approximation, die man mit klassischer Störungstheorie (Potenzreihenansatz) zunächst erhält. Aber approximiert in der Umgebung von schlecht, denn ist für gleich Null und nicht gleich Eins. Das bedeutet: bei befindet sich eine Grenzschicht, die Lösung ändert sich für kleine extrem schnell, deutlich werdend auch durch eine große Ableitung bei von der Ordnung

Die allgemeine Definition

Es sei ein Funktionenraum mit der Norm . Die Funktion heißt regulär für , wenn eine Funktion existiert mit

andernfalls singulär.

Ob ein Problem regulär oder singulär gestört ist, hängt auch von der Norm ab, in der man die Approximation misst. Das obige Beispiel ist bezüglich der Maximumnorm singulär gestört, bezüglich der Norm im quadratischen Mittel aber nicht.

Randbedingungen spielen auch eine wichtige Rolle. Betrachtet man das Problem

so liegt keine singuläre Störung in der Maximumnorm vor. Durch die veränderte Randbedingung steht nun vor dem Grenzschichtterm ein Faktor . Dadurch ist die Ableitung bei beschränkt, die Grenzschicht ist schwach.

Asymptotische Approximationen

Das Grundprinzip asymptotischer Approximationen wird am obigen Beispiel

erklärt.

Zunächst konstruiert man eine globale Approximation mit dem Potenzreihenansatz

Einsetzen in die Differentialgleichung und Koeffizientenvergleich ergibt

Dies sind Differentialgleichungen erster Ordnung, es fehlt eine Zusatzbedingung. Sinnvoll erscheint, eine der Randbedingungen zu nehmen, aber welche?

Die Differentialgleichung besitzt das Fundamentalsystem . Da

eine typische Grenzschichtfunktion ist (sie ist lokal bei konzentriert und fällt schnell ab),

vermutet man die Existenz einer Grenzschicht bei und stellt als Zusatzbedingung für zunächst die Bedingung . Dies ergibt die erste globale Approximation

Nun wird mit einer lokalen Approximation bei korrigiert, dass ja die Randbedingung nicht erfüllt.

Dazu führt man eine lokale Variable ein durch , transformiert die Differentialgleichung entsprechend und setzt für eine lokale Approximation

Dann genügt der Differentialgleichung

.

Hinzu kommen die Randbedingung und die Abklingbedingung , die den lokalen Charakter von sichert. Es ergibt sich und damit die Approximation erster Ordnung

Für eine Approximation erster Ordnung kann man zeigen, dass eine Konstante existiert mit

Approximationen höherer Ordnung verlangen die Berechnung weiterer Terme der angesetzten Potenzreihen.

In der angegebenen Literatur findet man Prinzipien und Beispiele für die Berechnung asymptotischer Approximationen auch bei singulär gestörten partiellen Differentialgleichungen. Leider gelingt die exakte Berechnung von asymptotischen Approximationen eher selten. In einigen Fällen gelingt es aber zumindest, die existierenden Grenzschichten zu lokalisieren und zu beschreiben.

Numerische Lösung singulär gestörter Probleme

Standardvarianten numerischer Methode, egal ob Finite-Elemente-Methode, Finite-Differenzen-Methode oder Finite-Volumen-Verfahren, sind selten in der Lage, robuste Approximationen der Lösung singulär gestörter Probleme zu liefern. Oft gibt es unerwünschte, unphysikalische Oszillationen in der numerischen Lösung aufgrund zu schwacher Stabilitätseigenschaften. Robustheit verlangt eine gewisse Unabhängigkeit der Qualität der numerischen Lösung von dem kleinen Parameter des singulär gestörten Problems.

Natürlich sind die konkreten auftretenden Probleme noch problemabhängig. Z.B. gibt es bei der Lösung von Randwertaufgaben für Konvektions-Diffusions-Gleichungen wie

weit mehr Schwierigkeiten als für Reaktions-Diffusions-Gleichungen wie

insbesondere im mehrdimensionalen Fall.

Für z. B. Konvektions-Diffusions-Gleichungen wurden etwa für die Finite-Elemente-Methode eine Reihe von Stabilisierungsmethoden entwickelt, die bekannteste ist die Methode der Stromliniendiffusion (s. die Monographie von Roos, Stynes, Tobiska). Für solche Methoden kann man semi-robuste Fehlerabschätzungen beweisen. Das bedeutet, dass die Konstanten in Fehlerabschätzungen vom kleinen Parameter unabhängig sind, aber als Faktor in den Abschätzungen noch Normen der exakten Lösung auftreten (die i.a. von abhängen).

In einigen Fällen kann man durch eine asymptotische Analysis die Grenzschichten lokalisieren und für die Ableitungen der Grenzschichtterme präzise Abschätzungen gewinnen. Dann kann man grenzschichtangepasste Gitter verwenden und gegebenenfalls robuste Fehlerabschätzungen beweisen.

Literatur

  • Eckhaus, W.: Asymptotic analysis of singular perturbations. Amsterdam 1979
  • Goering, H., Felgenhauer, A., Lube, G., Roos, H.-G., Tobiska, L.: Singularly perturbed differential equations. Berlin 1983
  • Linss, T.: Layer-adapted meshes for reaction-convection-diffusion problems. Springer 2010
  • Morton, K. W.: Numerical solution of convection-diffusion problems. London 1996
  • O’Malley, R. E.: Introduction to singular perturbations. Academic press 1974
  • O’Malley, R. E.: Singular perturbation methods for ordinary differential equations. Springer 1991
  • Roos, H.-G., Stynes, M., Tobiska, L.: Robust numerical methods for singularly perturbed differential equations. Springer 2008
  • Wasow, W.: Asymptotic expansions for ordinary differential equations. London 1965
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