Klassifikation nach ICD-10
R06.6 Singultus
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Der Schluckauf (lateinisch Singultus) ist eine kräftige, reflektorische und periodische Einatmungsbewegung (Kontraktion) des Zwerchfells, wobei jede Inspiration durch plötzlichen Stimmlippenverschluss unterbrochen wird. Dabei entsteht ein charakteristisches Einatmungsgeräusch, das umgangssprachlich-lautmalerisch als „Hicks“ verbalisiert wird. Der Zweck des Schluckaufs und die zugrundeliegenden pathophysiologischen Mechanismen sind kaum bekannt.

Terminologie

Es gibt zahlreiche lautmalerische, umgangssprachliche und regionale Bezeichnungen für den Schluckauf: Hicks (ugs.), Glucksi o. Gluggsi (schweiz.), Glutzger (süddt.), Hägger (schwäbisch), Häsch (süddt.), Hätscher (süddt.), Hecker (süddt.), Hick (luxemburgisch), Hickepick (niederrheinisch), Hicker (nordostdeutsch), Hickeschlick (ruhrdt., veraltend), Hicki (schweiz.), Hickser (süddt.), Hickop (plattdeutsch), Higgis (schweiz.), Hitzgi (schweiz., Zürich), Schlicks (regional), Schlickser (regional), Schlucken (ostdeutsch), Schluckiza (kärntnerisch), Schluckser (süddt.), Schnackel (westösterreichisch), Schnackerl (ostösterreichisch), Schnackler (bayr., westösterreichisch), Schnaggile (kärntnerisch, tirolerisch).

Ursachen

Ein Schluckauf kann beim Menschen sowohl harmlose als auch krankhafte Auslöser haben.

  • Zumeist wird der Schluckauf durch vorübergehende Überdehnung des Magens, wie bei hastigem Essen, durch kohlensäurehaltige und kalte Getränke oder durch scharfes Essen, ausgelöst.
  • Vegetative Veränderungen, etwa bei Alkoholkonsum oder Erregungszuständen, können ihn auslösen.

Solche Formen dauern nur kurz an und verschwinden wieder von selbst.

Ein chronisch andauernder Schluckauf kann selten Ausdruck einer anderen zugrunde liegenden Erkrankung sein, wie bei:

Häufig lässt sich keine Ursache finden (idiopathischer Singultus).

Folgen des chronischen Schluckaufs

In besonders seltenen Fällen leiden Menschen unter chronischem Schluckauf mitunter viele Jahre lang. Der längste ununterbrochene Schluckauf beim Menschen dauerte angeblich von 1922 bis 1990. Ein solches Leiden bringt nicht nur körperliche Einschränkungen mit sich, sondern schlägt oft auch auf die Psyche und kann bis zum Suizid führen. Auf körperlicher Ebene wird durch dauernden Schluckauf die Sauerstoffversorgung beeinträchtigt, und es kommt zu Schlafstörungen. An der Universität Heidelberg existiert ein Therapiezentrum für Patienten mit chronischem Schluckauf.

Therapien

Es gibt viele Hausmittel gegen Schluckauf, die vorwiegend auf eine „Beruhigung“ der Atmung und des Zwerchfells zielen. Beispielsweise soll es teilweise helfen, 30 Sekunden lang die Luft anzuhalten. Manche Menschen können sogar durch Konzentration auf die Atmung ihr Zwerchfell entspannen und damit den Schluckauf beenden. Viele Hausmittel haben auch etwas mit Aufmerksamkeit zu tun (Ablenkung, Erschrecktwerden) oder mit absichtlich erschwertem Schlucken, wie trocken/während des Luftanhaltens schlucken, gegen die Bauchmuskulatur schlucken oder kopfüber nach oben schlucken.

Die medizinische Fachliteratur erwähnt auch einige andere Behandlungsformen, neben pharmakologischen wie Cannabis auch Orgasmen, rektale Massagen per Finger oder die nasale Anwendung von Essig. Auch Erbrechen soll den Schluckauf beenden. Aus dem japanischen Kappō, einer traditionellen Heilmethode, ist eine weitere Maßnahme überliefert, bei der man auf einen bestimmten Bereich des Nackens Druck ausübt.

Medikamentös wird mit Protonenpumpenhemmern, Prokinetika, Sympathomimetika, Sedativa und Neuroleptika behandelt; früher mit Triflupromazin (wurde 2003 vom Markt genommen) oder Diazepam, heute oft mit dem Spasmolytikum Baclofen.

Traditionelle Erklärungsversuche

Wie beim Niesen (Sternution, Sternutation) etwas näher ausgeführt, sind (bzw. waren) auch mit dem Schluckauf allerlei traditionelle, abergläubische Vorstellungen verbunden, wie zum Beispiel, dass eine nicht anwesende Person an die in diesem Moment unter Schluckauf leidende Person denkt.

Sonstige Erklärungen

Die Atmung wird im Wesentlichen vom Hirnstamm zwischen Großhirn und Rückenmark gesteuert. Bei den Fischen reguliert er die rhythmischen Muskelbewegungen im nahe gelegenen Rachen und den Kiemen. Bei Säugetieren werden die Muskeln der Brustwand und des Zwerchfells vom Hirnstamm angesteuert. Hierzu haben sich lange Leitungsbahnen ausgebildet: der Vagus- und der Phrenicusnerv. Der komplizierte Verlauf bedingt die Störanfälligkeit dieser Konstruktion. Alles, was die Funktion eines dieser Nerven beeinträchtigt, kann unkontrollierte Kontraktionen auslösen.

Der Mustergenerator, der im Hirnstamm für den Schluckauf verantwortlich ist, findet sich auch bei Kaulquappen und Lungenfischen; beide Tiere atmen über Lungen und Kiemen. Dieser Generator ist aktiv, wenn die Atmung über die Kiemen erfolgt. Das Wasser wird durch Maul, Rachen und Kiemen geleitet, darf aber nicht in die Lunge geraten. Das verhindert die Glottis (Epiglottis = Kehlkopfdeckel), ein Gewebedeckel, der dann die Luftröhre abdeckt. Das Schließen der Glottis bei Wasseratmung ist somit eine abgewandelte Form des Schluckaufs.

Schluckauf haben bereits Föten. Es wird angenommen, dass damit der Atemreflex trainiert oder Fruchtwasser aus der Speiseröhre gedrückt wird. Nach der Geburt gilt das Hicksen als Relikt aus dem Mutterleib.

Schluckauf tritt auch nach Rückfluss von Mageninhalt in die Speiseröhre oder beim Schlucken zu wenig eingespeichelter und zu trockener Nahrung auf. Dieser Zwerchfellreflex wirkt dann auf die Speiseröhre auf Höhe des Zwerchfell-Speiseröhrenschlitzes als Mittel, die „verstopfte“ Speiseröhre zu befreien. Nachtrinken von Flüssigkeit kann ebenfalls die Speiseröhre von Inhalt befreien und so den Schluckauf beheben. Ein weiteres Mittel zur Verminderung von Schluckauf ist die (zur Behebung einer Hyperventilation eingesetzte) Rückatmung in eine Plastiktüte.

Ansonsten kann Schluckauf beim Genuss zu heißer oder zu kalter Speisen und Getränke oder bei einer Reihe von Erkrankungen und auch bei psychischer Erregung oder Reizung des Zentralnervensystems durch geänderte chemische Zusammensetzung des Blutes auftreten.

Darstellungen in kulturellen Werken

In Roberto Bolaños Monsieur Pain (1999) stirbt César Vallejo am Dauerschluckauf. In Jonathan Lethems Chronic City (2009) überträgt sich der Schluckauf von einem Pitbull auf einen Menschen. Dessen innere Organe werden durch die vom dauerhaften Schluckauf hervorgerufenen Spasmen letal geschädigt. Monologe mit Schluckauf werden hier als „Hickolog“ bezeichnet. In Kurt Vonneguts Timequake (1997) führt eine u. a. als „Schluckauf“ bezeichnete Störung des Raum-Zeit-Kontinuums dazu, dass sich die Jahre 1991 bis 2001 unverändert wiederholen.

Im ungarischen Film Hukkle – Das Dorf (2002) wird der (onomatopoetisch) titelgebende Schluckauf als strukturierendes Stilmerkmal verwendet.

Literatur

  • Launois u. a.: Hiccup in adults: an overview. In: European Respiratory Journal, 1993, S. 563–575, Abstract
  • C. Straus u. a.: A phylogenetic hypothesis for the origin of hiccough. In: BioEssays. 25. Jahrgang, Nr. 2, 2003, S. 182–188, doi:10.1002/bies.10224 (com.au [PDF]).
Wiktionary: Schluckauf – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Synonyme für Schluckauf In: openthesauraus.de
  2. österr. Wörterbuch. 35. Ausgabe 1979. „das Schnackerl, -s, der Schnackerl: kurze (wiederholte) krampfartige Zwerchfellbewegung; das Geräusch dabei“
  3. Hickop In: plattmakers.de
  4. Atlas zur deutschen Alltagssprache. Schluckauf In: atlas-alltagssprache.de
  5. 1 2 Neil Shubin: Der Fisch in uns. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-10-072004-7
  6. Universität Heidelberg: Therapiezentrum Chronischer Singultus. Abgerufen am 31. Mai 2017.
  7. I Gilson u. a.: Marijuana for intractable hiccups. In: The Lancet, 1998 Jan 24, 351(9098), S. 267
  8. R. Peleg u. a.: Case report: sexual intercourse as potential treatment for intractable hiccups. In: Can Fam Physician, 2000 Aug, 46, S. 1631–1632, PMC 2144777 (freier Volltext)
  9. L. M. Fesmire: Termination of intractable hiccups with digital rectal massage. In Annals of Emergency Medicine, 1988 Aug, 17(8), S. 872
  10. M. Odeh u. a.: Termination of intractable hiccups with digital rectal massage. In: Journal of Internal Medicine, 1990 Feb, 227(2), S. 145–146, PMID 2299306.
  11. N. Iwasaki u. a.: Hiccup treated by administration of intranasal vinegar. In: No To Hattatsu, 2007 May, 39(3), S. 202–205, PMID 17515134.
  12. Florian G. Mildenberger zu: Robert R. Provine: Curious behavior: yawning, laughing, hiccupping, and beyond. The Belknap Press, Cambridge (Mass.) 2012, ISBN 978-0-674-04851-5. In: Fachprosaforschung – Grenzüberschreitungen. Band 8/9, 2012/2013 (2014), S. 588 f., hier: S. 589.
  13. Das Kuatsu-Netzwerk. abgerufen 30. Mai 2012.
  14. Schluckauf. In: Karl Spangenberg u. a.: Thüringisches Wörterbuch. Akademie-Verlag, Berlin 1966.
  15. C. Straus et al.: A phylogenetic hypothesis for the origin of hiccough. In: BioEssays. 25. Jahrgang, Nr. 2, 2003, S. 182–188, doi:10.1002/bies.10224 (com.au [PDF]).
  16. FOCUS Gesundheit: Magen & Darm. FOCUS Magazin Verlag, 2014, S. 59 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  17. Walter Siegenthaler: Siegenthalers Differenzialdiagnose. Georg Thieme Verlag, 2005, ISBN 978-3-133-44819-2, S. 49 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  18. P. Gerhardt Scheurlen: Differentialdiagnose in der Inneren Medizin. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-642-73507-3, S. 332 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  19. K. Amersbach: Atmung. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-662-21650-7, S. 358 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  20. Jonathan Lethem: Chronic City. Tropen Verlag, Hamburg 2011, S. 446.
  21. Kurt Vonnegut: Zeitbeben. Goldmann Verlag, München 2000, S. 106.

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