Als sonnensynchrone Umlaufbahn oder sonnensynchronen Orbit (auch Sonnensynchronorbit, abgekürzt SSO) bezeichnet man eine Umlaufbahn um einen Planeten, deren Orbitalebene die gleiche Rotationsänderung erfährt wie die des umkreisten Planeten um die Sonne. Dadurch besitzt die Orbitalebene einen festen Winkel zur Linie Planet-Sonne.
Für die Erde bedeutet das, dass sich die Orbitalebene eines Satelliten in einem Jahr (Umlaufzeit der Erde um die Sonne) einmal um die Erde dreht.
Davon zu unterscheiden ist eine planetensynchrone Umlaufbahn um die Sonne, z. B. in einem durch die Lagrange-Punkte vorgegebenen Orbit.
Eigenschaften
Ohne Störungen umkreist ein Satellit die Erde mit konstantem Drehimpuls auf einer Ebene, die fest im Raum orientiert ist (rote Kurve in der Abbildung oben). Die Erdabplattung übt jedoch ein Drehmoment aus und führt zu einer Verschiebung der Rektaszension des aufsteigenden Knotens. Bei Bahnen entgegen der Erdrotation (d. h. bei Inklinationen > 90°) wirkt diese Präzession in die gleiche Richtung wie die Erdrotation.
Die Präzession ist umso größer, je geringer die Inklination und die Flughöhe sind (vgl. Berechnung unten). Bei geeigneter Wahl von Inklination und Flughöhe verschiebt sich die Bahn gerade um so viel, dass sie die Erde einmal pro Jahr umläuft (grüne Kurve in der Abbildung oben).
Bei einem SSO passiert die Bahnebene des Satelliten einen Punkt auf der Oberfläche des Planeten immer zur selben Ortszeit, wenn die geographische Breite des Ortes innerhalb des Bereiches liegt, der durch die Inklination der Bahn begrenzt wird. Aufgrund der konstanten Ortszeit des Überfluges lassen sich Beobachtungen von verschiedenen Tagen gut miteinander vergleichen, da sich bei ähnlichem Einfallswinkel der Sonnenstrahlen (nicht: identischem Einfallswinkel ...; wegen des zusätzlichen Einflusses der Jahreszeiten auf den Sonnenstand) die Reflexion von Oberflächen kaum verändert.
Als neues Satellitenbahnelement legt die Ortszeit des aufsteigenden Knotens (englisch Local Time of Ascending Node, LTAN) die Ortszeit des Überflugs fest.
Wenn sich ein Satellit entlang der Dämmerungszone zwischen Tag und Nacht bewegt, dann lässt sich auf optischen Aufnahmen die Höhe von Objekten aus der Länge ihres Schattens ableiten. Wenn der Satellit zusätzlich die Erde so umkreist, dass er den Erdschatten nicht passiert (um 6 h LTAN, Inklination höhenabhängig zwischen 101,39° und 115.47°), so kann er ständig von Solarzellen mit Energie versorgt werden. Batterien an Bord sind dann nur für die Startphase oder bei Verlust der Lagekontrolle erforderlich.
Einsatzbeispiele:
- Wettersatelliten wie TIROS, Nimbus, DMSP, METOP
- Erderkundungssatelliten wie Landsat, ERS, Sentinel-2, Goumang
- Sonnenbeobachtungssatelliten wie ACRIMSat, TRACE, Hinode
- Forschungssatelliten wie DLR-TUBSAT
- einige Weltraumteleskope wie Infrared Astronomical Satellite, Wide-Field Infrared Survey Explorer.
Berechnung
Die Präzession eines sonnensynchronen Orbits berechnet sich als:
mit:
- dem Erdradius am Äquator (6378 km)
- dem Radius des Satellitenorbits
- dem Entwicklungskoeffizienten des Erdpotenzials (1,082 · 10−3); er beschreibt den Massewulst der Erde am Äquator, der die Präzession und die Verschiebung der Rektaszension des aufsteigenden Knotens verursacht.
- der Winkelgeschwindigkeit des Satelliten
- der Inklination .
Berücksichtigt man die Abhängigkeit der Umlaufgeschwindigkeit vom Orbitradius (zweite Abbildung), so ergibt sich der in der ersten Abbildung dargestellte Zusammenhang zwischen Inklination und Bahnhöhe :
- bei einer Inklination von 96° ist das Drehmoment auf den Bahndrehimpuls sehr klein; der Satellit müsste die Erde auf einem SSO niedriger als 100 km umkreisen. In dieser geringen Bahnhöhe wirken sich Störungen durch die Erdatmosphäre stark aus. Daher haben SSO-Bahnen mit einer so geringen Inklination (und einer Höhe bis zu 600 km) keine praktische Bedeutung.
- Erdbeobachtungssatelliten fliegen stattdessen auf einer Inklination zwischen 98° und 99°, denn die zugehörige Höhe von 650 km bis 900 km ist ein guter Kompromiss zwischen Störungen durch die Erdatmosphäre und Abstand zu den Beobachtungsobjekten auf der Erde. Wenn man diesen Werte in obige Formel einsetzt und nach umstellt (oder aus dem zweiten Diagramm abliest), erhält man für einen realistischen sonnensynchronen Orbit eine Umlaufgeschwindigkeit von ca. 7,5 km/s, das entspricht ca. 14,5 Umläufen um die Erde pro Tag oder ca. 1:40 h pro Umlauf.
Siehe auch
- Polarbahn: verläuft über die Pole, Inklination nahe 90°, jedoch nicht unbedingt sonnensynchron
Einzelnachweise
- ↑ H. K. Karrenberg: Eclipse Fractions for Sun-Synchronous Orbits. (PDF) 10. Juni 1964, abgerufen am 8. Oktober 2023 (englisch, Technical Report SSD-TDR-64-100).
Weblinks
- Hillhouse, James D. (1999): "Sun Synchronous Orbits for the Earth Solar Power Satellite System" (pdf, eng; 32 kB)
- Unbekannt (1999): "Orbital Mechanics with Numerit - Sun-synchronous Orbit Design" (pdf, eng; 14 kB)