Das Spartak-Hotel in Mariupol (ukrainisch Готель «Спартак») war ein Hotelkomplex im ukrainischen Mariupol. Alle in den 1880er Jahren errichteten historischen Bauten wurden wie später dazu gebaute Teile des Hotelkomplexes beim russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine 2022 zerstört.

Geschichte

Die seit den 1820er Jahren in Mariupol nachweisbaren Italiener, die vor allem im Getreidehandel tätig waren, gründeten bereits in den 1850er Jahren eine eigene katholische Gemeinde, die kurz darauf die Mariä-Himmelfahrt-Kirche stiftete. Der Kaufmann Emanuele Nomis di Pollone (1859–1930) kam im späten 19. Jahrhundert nach Mariupol und gelangte zu großem Einfluss. Er wurde Mitbesitzer einer Reederei und schließlich im Jahr 1883 italienischer Konsularagent. Um das Jahr 1884 erbaute er an der Ecke der Charalambos-Straße (ukrainisch Харлампіївська вулиця) zur Georgstraße (ukrainisch Георгіївська вулиця) ein repräsentatives Gebäude, in welchem er als Konsularagent Italiens, sowie – vom 5. November 1906 bis zum 6. August 1914 – als Konsularagent Österreich-Ungarns diente.

Nach dem Ersten Weltkrieg verkaufte Nomis di Pollone sein Wohnhaus vermutlich an den Zahnarzt David M. Feldman und ging nach Odessa, wo er bis 1918 das Konsulat betreute, dann zurück nach Turin. Feldman baute das bisher zweigeschossige Gebäude um ein Stockwerk aus, wozu mutmaßlich Stadtbaumeister Wiktor Nilsen den Entwurf lieferte. Die Kuppel auf der Ecke stammt von diesem Umbau. Doch mit der Oktoberrevolution und dem nachfolgenden Bürgerkrieg endete die Wohnnutzung und das Gebäude wurde in das Spartak-Hotel umgewandelt. Zahlreiche bekannte Gäste der Stadt übernachteten seitdem im Hotel, darunter Dawid Fjodorowitsch Oistrach, Wadim Alexejewitsch Kosin oder auch Michail Gawrilowitsch Erdenko.

Im Zweiten Weltkrieg blieb das Gebäude – im Gegensatz zum Großteil der Stadt – unbeschädigt, obwohl während der dreijährigen deutschen Besatzung (1941–1943) italienische Armeeeinheiten dort untergebracht waren. Später wurde das Gebäude nach Norden hin erweitert, da durch das nebenan im Krieg abgebrannte Postgebäude Platz entstanden war. Mit der Unabhängigkeit der Ukraine kam es zu Veränderungen und Mychajlo Poschywanow, der spätere Bürgermeister von Mariupol, erwarb das Gebäude. Im Jahr 2010 wurde es renoviert. Von den Unruhen und Kriegshandlungen 2014 blieb es verschont. Während der Belagerung von Mariupol wurde das Gebäude im Frühjahr 2022 schwer beschädigt und brannte aus. Dabei wurden der gesamte Dachstuhl, darunter die Kuppel auf dem Eckturm, sowie die Inneneinrichtung zerstört.

Baubeschreibung

Der Hotelkomplex besteht aus einem Eckbau des Historismus sowie einem nördlich anschließenden modernen Anbau, der dem Konstruktivismus zugeordnet wird und auf architektonische Akzente verzichtet. Die Ecklage wurde genutzt, um die Höhenunterschiede auszugleichen. Während der Nordteil fünfgeschossig ist, besteht der am Ostende angebaute Gebäudeteil nur aus zwei Etagen auf hoher Basis. Die horizontale Gliederung des historistischen Gebäudes wird durch abwechselnde Fensterformen auf den unterschiedlichen Stockwerken betont. Der östliche Anbau ignoriert dies und weicht trotz einer Blendfassade von diesem Schema ab. Der Risalit, der einen Eckturm andeutet, wird zusätzlich durch zwei Balkone hervorgehoben. Der Haupteingang befindet sich im Nordgebäude, das eine schlichte Säulenvorhalle besitzt. Durch die Vielgestalt der Gebäudeteile konnte es die verschiedensten Zimmergrößen, vom Einzel- bis zum Vierbettzimmer, von verschiedenen Suiten bis hin zum Appartement, anbieten.

Einzelnachweise

  1. ЧЕТВЕРТЫЙ ДЕНЬ ЭКСКУРСИИ – 25 МАРТА. In: old-mariupol.com. 6. Juni 2011, abgerufen am 12. Januar 2023 (russisch, Wiedergabe des Kapitels aus „Mariupol und seine Umgebung“ von 1892).
  2. Elena Dundovich, Francesca Gori, Emanuela Guercetti: Italian Emigration in the USSR. History of a Repression. In: Elena Dundovich, Francesca Gori, Emanuela Guercetti (Hrsg.): Reflections on the Gulag. With a Documentary Index on the Italian Victims of Repression in the USSR, Band 37. Mailand 2003, ISBN 88-07-99058-X, S. 139–186, dort S. 148–149, FN 42 (google.de).
  3. 1 2 Anna Roberti: "Emanuel" Alberto Spirito Filippo Maria NOMIS DI POLLONE. In: gw.geneanet.org. Abgerufen am 20. Mai 2022.
  4. Die Angabe englischer, russischer und ukrainischer Internetseiten und Bücher, dass er in Mariupol Vizekonsul oder gar Konsul war, lässt sich in zeitgenössischen Quellen nicht finden. Vielmehr wird ihm am 20. Juni 1883 das Recht verliehen, sich Konsularagent zu nennen (siehe Bollettino consolare, S. 801 Google Books), und auch 1886 (Annuario diplomatico del Regno d'Italia, S. 83, Google Books), 1908 (Annuario d'Italia per l'esportazione e l'importazione, S. 722, Google Books), 1909 (Annuario diplomatico del Regno d'Italia, S. 281, Google Books Snippet), 1914 (Calendario generale del regno d'Italia, S. 40, Google Books) oder 1915 (Annuario ufficiale della Regia Marina, S. 574, Google Books Snippet) wird er lediglich so genannt. Das Konsulat befand sich in Odessa.
  5. 1 2 3 4 Вікторія Шовчко: Готель «Спартак» в Маріуполі. In: zabytki.in.ua. Abgerufen am 13. Mai 2022 (ukrainisch).
  6. Rudolf Agstner: Von Kaisern, Konsuln und Kaufleuten. Österreich und die Ukraine 1785–2010. LIT Verlag, Wien, Berlin 2011, ISBN 978-3-643-50335-0 (google.de).
  7. Мариуполь тут живут люди... In: Хорошие Люди. YouTube, 11. Mai 2022, abgerufen am 13. Mai 2022 (russisch, Link zur Stelle im Video – das Hotel ist anschließend bis 17:59 mehrfach von Westen zu sehen, erneut (nun von Osten) ab 19:05).
  8. Donetsk region, Mariupol district, Mariupol city, Kharlampiyivska street, 13. In: mkip.notion.site. Ukrainische Kulturministerium, 5. Juni 2022, abgerufen am 21. Juni 2022 (englisch, Bestätigung des Ministeriums mit weiteren Fotos).
  9. Номера и цены. In: spartak.0629.com.ua. Abgerufen am 13. Mai 2022 (ukrainisch).

Koordinaten: 47° 5′ 35,6″ N, 37° 33′ 24″ O

This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.