Im Stadtbuch (historisch auch Stattbuch) wurden wichtige rechtlich verbindliche Anordnungen einer Stadtverwaltung aufgezeichnet. Sie kamen mit der wachsenden Selbständigkeit der mittelalterlichen Stadt (im 12. Jahrhundert) gegenüber dem Landesherrn auf.

Den Begriff prägte K. G. Homeyer (1861) in Anlehnung an die zeitgenössische Bezeichnung als liber civitatis, Statpuech etc. Er wurde aufgegriffen und kanonisiert durch die Arbeiten von Konrad Beyerle (1910) und Paul Rehme (1913/27).

Hintergrund

Da die Stadtbücher einen sehr unterschiedlichen Inhalt haben, ist ihr Entstehen nur mit einer allgemein wachsenden Schriftlichkeit zu erklären. Als liber privilegiorum waren sie Kopialbücher, die zur Absicherung der mittelalterlichen Städte gegenüber ihren Stadtherren dienten. Als Statutenbücher sammelten sie das in der Stadt gültige Recht, als Gerichtsprotokolle die Urteile, und legten damit die schriftliche Grundlage für das Zusammenwirken der Bürgerschaft, für die stadteigene Gerichtsbarkeit und die Verwaltung. Als Protokolle der freiwilligen Gerichtsbarkeit schufen sie Rechtssicherheit im Geschäftsleben. Zugleich sind Stadtbücher auch repräsentativer Ausdruck des stadtbürgerlich-kommunalen Selbstverständnisses.

Die ältesten sind die um 1130 entstandenen Kölner Schreinsbücher (Grundbuch). Sie verbreiteten sich insbesondere in Norddeutschland im 13. Jahrhundert (Kiel 1242, Rostock um 1254, Wismar 1272). Da sie von den Stadtschreibern geführt und im Ratsauftrag verwahrt wurden, erhielten sie öffentliche Glaubwürdigkeit und bekamen bis zum 14. Jahrhundert prozessuale Beweiskraft.

Inhalt und Struktur

Gerade die älteren Stadtbücher, wie z. B. die Libri memoriales aus Stralsund (seit 1320), die Gedenkbücher aus Braunschweig (Mitte des 14. Jahrhunderts), Lüneburg (1409) oder Bremen (Mitte des 15. Jahrhunderts), hatten zunächst ausschließlich gemischte Inhalte. Besonders seit dem 14. Jahrhundert entwickelten sich verschiedene Stadtbuchserien für einzelne Geschäftsgattungen: für die Rechtsakte des Rates, für die Rechtsgeschäfte zwischen Bürgern (Liegenschaftsangelegenheiten, Heiratsverträge), für Finanzangelegenheiten, für Statuten, Stadtrecht und Verordnungen, für Gerichtsprotokolle und -urteile, für Bestallungen und Diensteide der Stadtbediensteten, als Journal der ein- und ausgehenden Korrespondenz, als Neubürgerverzeichnisse, Ausbürgerungen und Urfehden etc.:

  • in Statutenbücher (Verfassung, Privilegien und Verordnungen),
  • in Bücher über die Rechtsprechung,
  • in Bücher über die Verwaltung,
  • in Bücher über die Organisation stadtwichtiger Leistungen wie Boten- und Kurierdienste, Geleitschutz, Steuererhebung, Versorgung, Entsorgung,
  • in Bücher zu wichtigen Vereinbarungen der Stadtbürger untereinander. Die Stadtbücher als Methode, Rechtsgeschäfte zwischen Privatpersonen abzusichern (z. B. im Schuldbuch von Stralsund von 1228, von Hamburg von 1228, im Lübecker Ober- und Niederstadtbuch 1227/1277/1325, in den Neubürgerlisten von Kulmbach 1250, von Nürnberg 1302, im Revaler Kämmereibuch 1363 oder im Rigaer Erbebuch 1384), stand in Konkurrenz zum Notariatsinstrument, weshalb diese Art der Stadtbücher in Italien sich nie durchsetzen konnte.
  • und in späterer Zeit historisch relevante Aufschreibungen (Chroniken).

Ausführung

Eine der Pflichten des Stadtschreibers war die gewissenhafte Führung des Stadtbuches. In den Kanzleien größerer Städte delegierte der Oberstadtschreiber (pronotarius) die reine Protokolltätigkeit an seinen ersten Gehilfen, den Unterstadtschreiber (notarius).

Die Schreiber notierten die Einträge zunächst auf Wachstafeln oder Papierbögen und übertrugen sie dann in die Stadtbücher. Die Stadtbücher selbst sind nur selten auf Pergament, meistens auf Papier geschrieben. Eintragungen über erledigte Rechtsgeschäfte konnten durch Streichung getilgt werden. Die Stadtbucheinträge sind zunächst lateinisch verfasst, seit der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts zunehmend auch volkssprachlich.

Bedeutung

Die Stadtbücher erlauben einen tiefen Einblick in das bürgerliche Leben der mittelalterlichen Städte; ihr Quellenwert reicht von der Rechtsgeschichte über die städtische Politik bis zu Bevölkerungsstatistiken und der Sozialstruktur der Stadtbürger.

Literatur

  • Konrad Beyerle: Die deutschen Stadtbücher. In: Deutsche Geschichtsblätter. Monatsschrift zur Förderung der landesgeschichtlichen Forschung 11, März/April 1910, Heft 6/7, ZDB-ID 216893-5, S. 145–200 (Volltext).
  • Evamaria Engel: Die deutsche Stadt des Mittelalters (insbesondere Kapitel 3). Beck, München 1993, ISBN 3-406-37187-6.
  • Richard Hergenhahn: Jakob Köbel zu Oppenheim (insbesondere Kapitel Das Amt des Stadtschreibers). In: Oppenheimer Heft 11, Dezember 1995, ISBN 3-87854-115-5, S. 3–9 und 45–49.
  • Hannes Obermair: Das Bozner Stadtbuch. Handschrift 140 – das Amts- und Privilegienbuch der Stadt Bozen. In: Stadt Bozen (Hrsg.): Bolzano fra i Tirolo e gli Asburgo = Bozen von den Grafen von Tirol bis zu den Habsburgern. Beiträge der internationalen Studientagung, Bozen, Schloss Maretsch, 16.–18. Oktober 1996. Athesia, Bozen 1999, ISBN 88-7014-986-2 (Forschungen zur Bozner Stadtgeschichte/Studi di storia cittadina 1), S. 399–432 (Volltext; PDF; 76 kB).
  • Christian Speer: Georg Rörer (1492–1557) in Wittenberg und Jena – Versuch einer lokalen und sozialen Verortung. Zugleich ein Beitrag über Möglichkeiten und Grenzen der Stadtbuchforschung, in: Heiner Lück et al. (Hrsg.): Das ernestinische Wittenberg: Stadt und Bewohner (Textband) (Wittenberg-Forschungen 2), Petersberg 2013, S. 255–264.
  • Martin Kintzinger: Stadtbücher. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 8. LexMA-Verlag, München 1997, ISBN 3-89659-908-9, Sp. 12 f.
  • Anna Spiesberger: Stadtbücher, in: Südwestdeutsche Archivalienkunde, Stand: 24. August 2017.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.