Stephanephoros (altgriechisch Στεφανηφόρος Stephanēphóros, deutsch ‚Kranzträger‘) war im antiken Griechenland ein Titel für ein hohes, jährlich vergebenes Priesteramt, das mit dem kultischen Umgang mit Kränzen verbunden war.
In den meisten Poleis, in denen das Amt vergeben wurde, hatte der Stephanephoros lediglich sakrale Aufgaben, die im Einzelnen verschieden ausgestaltet und dementsprechend unterschiedlich bedeutend waren. In Iasos und in Smyrna war es ein eponymes Amt, nach dessen jährlich wechselnden Inhabern das Jahr benannt wurde, ebenso in Milet, wo der Stephanephoros zudem der oberste Priester des panhellenisch bedeutsamen Apollonheiligtums von Didyma war. In Magnesia am Mäander wurde in der Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. die Prytanis abgeschafft und deren Aufgaben dem Stepanophoros der Artemis Leukophryne übergeben, 344 v. Chr. vollzog sich ein ähnlicher Vorgang in Priene, als es im Verlauf des Alexanderzugs wieder unabhängig wurde.
Athenaios berichtet im Zusammenhang mit herrschenden Philosophen über den Epikureer Lysias, der sich durch die Weigerung, sein Amt aufzugeben, zum Alleinherrscher über Tarsos aufschwang:
„Dieser war von seinem Vaterland zum Stephanophoros gewählt worden, das heißt zum Priester des Herakles, und er legte die Herrschaft nicht nieder, sondern war König aufgrund seiner Gewandung, indem er eine purpurne Tunika mit weißen Streifen anlegte, einen prächtigen Umhang darüberzog, weiße lakonische Schuhe trug und sich einen goldenen Kranz aus Efeu aufsetzte.“
Der Beiname des kleinasiatischen Apollon Stephanephoros hat seinen Ursprung in dem Amt. Wenn kein Nachfolger für den Stephanephoros von Didyma gefunden wurde, musste symbolisch der Gott dieses Amt übernehmen. Die mit dem Amt verbundenen Kosten mussten dann aus dem Tempelschatz gedeckt werden.
Literatur
- Karl Baus: Der Kranz in Antike und Christentum. Eine religionsgeschichtliche Untersuchung mit besonderer Berücksichtigung Tertullians (= Theophaneia. Band 2). Hanstein, Bonn 1940 (Nachdruck 1965).
- Michael Blech: Studien zum Kranz bei den Griechen (= Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten. 38). de Gruyter, Berlin u. a. 1982, ISBN 3-11-004157-X.
- Georg Busolt: Griechische Staatskunde. Band 1: Allgemeine Darstellung des griechischen Staates (= Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft in systematischer Darstellung. Mit besonderer Rücksicht auf Geschichte und Methodik der einzelnen Disziplinen. Abt. 4, Tl. 1). Beck, München 1920 (Nachdruck. ebenda 1979, ISBN 3-406-01360-0).
- Hans Erich Stier: Stephanephoria. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band III A,2, Stuttgart 1929, Sp. 2343–2347 (Digitalisate 1, 2).
Einzelnachweise
- ↑ Georg Busolt: Griechische Staatskunde. 1920, S. 499.
- ↑ Athenaios, Deipnosophistai 5,215b–c. Zitiert nach: Angelos Chaniotis: Griechische Rituale der Statusänderung und ihre Dynamik. In: Marion Steinicke, Stefan Weinfurter (Hrsg.): Investitur und Krönungsrituale. Herrschaftseinsetzungen im kulturellen Vergleich. Böhlau, Köln u. a. 2005, ISBN 3-412-09604-0, S. 43–61, hier S. 52 (online).
- ↑ Otto Höfer: Stephanephoros 2). In: Wilhelm Heinrich Roscher (Hrsg.): Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Band 4, Leipzig 1915, Sp. 1426 f. (Digitalisat).