Sungaya inexpectata

Sungaya inexpectata, älteres Weibchen des ersten, als Sungay „Highland“ bezeichneten Zuchtstammes

Systematik
Ordnung: Gespenstschrecken (Phasmatodea)
Familie: Heteropterygidae
Unterfamilie: Obriminae
Tribus: Obrimini
Gattung: Sungaya
Art: Sungaya inexpectata
Wissenschaftlicher Name der Gattung
Sungaya
Zompro, 1996
Wissenschaftlicher Name der Art
Sungaya inexpectata
Zompro, 1996

Sungaya inexpectata ist eine Art aus der Ordnung der Gespenstschrecken (Phasmatodea) und der bisher einzige beschriebene Vertreter der Gattung Sungaya. Als deutschen Trivialname findet man auch bezugnehmend auf das Artepitheton Unerwartete Stabschrecke, während der Erstbeschreiber den Namen Sungay-Gespenstschrecke verwendet, welcher sich wiederum auf den Fundort der Art bezieht. Im englischen Sprachraum ist „Sungay Stick Insect“ oder auch „Sunny Stick Insect“ zu finden.

Entdeckung und Vorkommen

Am 8. September 1995 sammelte Oliver Zompro im Baranggay Sungay in der zur Provinz Batangas gehörigen Stadtgemeinde Talisay auf der philippinischen Insel Luzón eine Nymphe dieser bis dahin unbekannten Art. Diese starb wenig später bei einer Fehlhäutung während des Transports. Am 7. Oktober 1995 fand er fast an der gleichen Stelle ein adultes Weibchen. Zompro fand 1999 nahe dem Taal-See weitere Weibchen auf Farnen. Die ersten Männchen wurden Anfang des Jahres 2008 von Orlando L. Eusebio, S. A. Yap und A. R. Larona ebenfalls auf Luzon, genauer am Mount Cayapo im Mariveles Gebirge im Baranggay Alangan in der zur Provinz Bataan gehörigen Stadtgemeinde Limay gefunden.

Merkmale

Die Weibchen erreichen eine Länge von 80 bis 85 Millimetern und ein Gewicht von etwa fünf Gramm. Am Hinterleibsende befindet sich der für Arten der Obriminae typische schnabelförmige sekundäre Legestachel, der den eigentlichen Ovipositor umgibt. Die Nymphen und die frisch gehäuteten Imagines der seit 1995 bekannten Form sind sehr hell (beige). Mit zunehmendem Alter werden die erwachsenen Weibchen immer dunkler (hellbraun bis schwarzbraun). Die Weibchen der seit 2008 gefundenen sexuellen Formen sind wesentlich kontrastreicher gefärbt. Meist dominieren dunkelbraune bis schwarze Töne die von hellbraunen Bereichen und schwarzen oder weißen Binden an den Beinen oder am Körper ergänzt werden. Besonders auffällig sind Weibchen mit einem weißen Längsstrich über den gesamten Körper. Selten treten Weibchen auf, bei denen grüne Töne die Grundfärbung dominieren. Diese grüne Färbung tritt durch bestimmte Umwelteinflüsse häufiger und stärker auf. Die schlankeren Männchen bleiben mit 50 bis 56 Millimetern Länge deutlich kleiner. Sie sind ebenfalls hellbraun oder mittelbraun und zeigen auf dem Meso- und Metanotum einen oft undeutlichen, unterschiedlich breiten Längsstrich, der je nach Grundfarbe dunkelbraunen (auf hellem Grund) oder hellbraun (auf dunklem Grund) sein kann. Im Habitus ähneln sie stark den Männchen der Schwestergattung Trachyaretaon. Beide Geschlechter sind flügellos und oberseits mit verhältnismäßig kurzen und stumpfen Stacheln bewehrt, wobei besonders die Stachelkrone am Hinterkopf und die vier Stacheln an Meso- und Metanotum ins Auge fallen. Diese sind bei den Männchen etwas spitzer und besonders bei hellen Weibchen häufig von einem braunen Rautenmuster umgeben. Nach der Häutung wird die Haut oftmals verzehrt.

Fortpflanzung

Die Art vermehrt sich sowohl geschlechtlich als auch durch Parthenogenese. Die ersten Nachkommen des Wildfangtiers legten die amphorenförmigen, mit etwa 4,5 Millimeter Länge und 3,7 Millimeter Breite verhältnismäßig großen Eier noch alle zwei Wochen in Gelegen von 10 bis 12 Stück im Erdreich ab. Spätere Generation legten ihre Eier einzeln den Boden ab. Nach 4 bis 6 Monaten schlüpfen die Nymphen, welche beim Schlupf schon 17 Millimeter lang sind. Während die Nymphen des ursprünglichen Stammes, wie auch deren frisch adulten Weibchen sehr hell sind, sind die frisch geschlüpften Nymphen der sexuell vermehrten Tieren oft eher dunkelgrau gefärbt. Später zeigen vor allem die weiblichen Nymphen eine erstaunliche Farbvariabilität. So sind beispielsweise Tiere bekannt, deren Grundfarbe in den letzten Stadien vor der Imaginalhäutung von Grüntönen dominiert wird. Die gesamte Entwicklung zur Imago dauert etwa drei bis vier Monate.

Sungaya sp. „Lowland“ wurde mit einer noch unbeschriebenen Obrimini-Art aus Negros, welche seinerzeit als Trachyaretaon sp. ‚Negros‘ bezeichnet wurde, gekreuzt. Die zwei unbeabsichtigt entstanden Weibchen wuchsen zu adulten Tieren heran, erwiesen sich aber als steril und produzierten keinerlei Eier.

Kladogramm von Sungaya



Sungaya sp. 2 (Limay „Lowland“)


   

Sungaya sp. 3 (Ilanin Forest)



   

Sungaya sp. 1 (Benguet)


   

Sungaya inexpectata (Sungay „Highland“)




Verwandtschaftsverhältnisse der vier bisher genanalytisch untersuchten Sungaya-Arten bzw. Stämme nach Sarah Bank et al. (2021)

Systematik

Zompro beschrieb die Art und Gattung 1996 anhand der 1995 gefundenen beiden Tiere. Das adulte Weibchen wurde als Holotypus der Art, die kurz zuvor gesammelte weibliche Nymphe und zwei Nachzuchttiere des Holotypus als Paratypen deklariert. Alle vier sind in seiner Sammlung hinterlegt, die nach seinen Angaben dem Zoologisches Museum der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel angegliedert ist, obwohl diese dort nicht verfügbar ist. In einer späteren Veröffentlichung bei der Zompro Herausgeber ist, wird angekündigt, dass der Holotypus dem Museum of Natural History der Universität der Philippinen in Los Baños übergeben werden soll, wo auch die beiden ersten, von Eusebio, Yap und Larona gesammelten Männchen hinterlegt sind. Der Gattungsname bezieht sich auf den Fundort des Holotypus. Der Artname leitet sich vom lateinischen „inexpectatus“ ab und bedeutet „unerwartet“. In ihren auf Genanalysen basierenden Untersuchungen zur Klärung der Phylogenie der Heteropterygidae wurde von Sarah Bank et al. gezeigt, dass neben der ursprünglich beschriebenen Art, dort als Sungaya inexpectata (Sungay „Highland“) bezeichnet, noch zwei bis drei weitere, bisher nicht beschriebene Arten existieren. Danach wäre ein aus Benguet stammender Zuchtstamm als noch zu beschreibende Schwesterart zu Sungaya inexpectata anzusehen. Die von Ireneo L. Lit, Jr. und Eusebio 2008 beschrieben Männchen, in Bank et al. als Sungaya sp. 2 (Limay „Lowland“) bezeichnet, gehören ebenso einer anderen Art an. Deren Schwesterart und damit wahrscheinlich ebenfalls eine eigenständige Art, ist die als letztes importierte Sungaya sp. ‚Ilanin Forest‘ aus Morong (Bataan).

Terrarienhaltung

Das von Zompro gefundene adulte Weibchen legte lediglich vier Eier, bevor es verstarb. Aus diesen schlüpften drei Nymphen, von denen zwei zu adulten Weibchen heranwuchsen. Jahrelang ging der gesamte in Kultur befindliche Bestand auf diese Weibchen zurück. Dieser erste Zuchtstamm wird als „Highland“, Sungay „Highland“ oder ‚Bantangas‘ bezeichnet und wird nur noch sehr selten gehalten. Der seit 2008 bekannte sexuelle Stamm wurde seither mehrfach importiert und wird als „Lowland“ oder Limay „Lowland“ bezeichnet. Die verschiedenen, als „Lowland“ eingeführten Stämme sind dabei miteinander gekreuzt worden, bevor auf herkunftsreine Stämme geachtet wurde. Deshalb wurde aus der Region ein neuer Stamm aus der gleichen Region in Zucht gebracht, welcher als Sungaya inexpectata ‚Ilanin Forest‘ oder Sungaya sp. ‚Ilanin Forest‘ bezeichnet wird und sich genetisch deutlich von den ursprünglichen „Lowlands“ unterscheidet. Auch ein als Sungaya inexpectata ‚Benguet‘ oder Sungaya sp. ‚Benguet‘ eingeführter Stamm wird herkunftsrein gehalten und gezüchtet.

Die Tiere benötigen Temperaturen von 22 bis 27 °C und eine Luftfeuchtigkeit zwischen 60 und 80 Prozent. Sie sitzen tagsüber versteckt an Pflanzenteilen, die vorzugsweise ähnliche Farben haben, wie die Tiere selbst und sind erst nachts bei der Nahrungsaufnahme zu beobachten. Gefressen werden neben Guavenblättern (Psidium) auch die leicht zu beschaffenden Brombeerblätter, Hasel, Rose, Wildrose, Rotbuche, Hainbuche, Spitzahorn, Efeu, Hartriegel, Esche sowie zahlreiche andere Laubblätter und sogar Gurke, wodurch sie als Terrarienpfleglinge sehr unkompliziert sind. Die Futterpflanzen werden als belaubte Zweige in enghalsigen Vasen in das Terrarium gestellt und etwa alle zwei Tage mit Wasser besprüht (Blumensprüher). Zur Eiablage sollte eine gut fünf Zentimeter hohe Schicht eines leicht feuchten Humus-Sand-Gemisches den Boden bedecken. Die Eier können im Boden belassen werden oder zur besseren Kontrolle in einen einfachen Inkubator überführt werden.

Die Art, die zu den am häufigsten gehaltenen Gespenstschrecken gehört, wird von der Phasmid Study Group unter der PSG-Nummer 195 geführt.

Bilder

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 4 Sarah Bank, Thomas R. Buckley, Thies H. Büscher, Joachim Bresseel, Jérôme Constant, Mayk de Haan, Daniel Dittmar, Holger Dräger, Rafhia S. Kahar, Albert Kang, Bruno Kneubühler, Shelley Langton-Myers & Sven Bradler: Reconstructing the nonadaptive radiation of an ancient lineage of ground-dwelling stick insects (Phasmatodea: Heteropterygidae), Systematic Entomology (2021), DOI:10.1111/syen.12472
  2. Alexander Esch: Stabschrecken, Gespenstschrecken, Wandelnde Blätter: Erfolgreiche Haltung von Phasmiden. Natur und Tier-Verlag, Münster 2012, S. 116–117, ISBN 978-3-86659-221-6
  3. 1 2 3 4 Oliver Zompro: Grundwissen Pasmiden – Biologie – Haltung – Zucht. Sungaya Verlag, Berlin 2012, S. 71, ISBN 978-3-943592-00-9
  4. 1 2 Paul D. Brock, Thies H. Büscher & Edward W. Baker: Phasmida Species File Online. Version 5.0/5.0 (abgerufen am 17. März 2021)
  5. 1 2 Oliver Zompro: Zur Entdeckung von Sungaya inexpectata Zompro, 1996, Arthropoda 16 (2) August 2008, S. 41 Sungaya-Verlag Kiel. ISSN 0943-7274
  6. 1 2 3 4 Ireneo L. Lit, Jr. & Orlando L. Eusebio: First description of the male of Sungaya inexpectata Zompro, 1996 (Phasmatodea: Heteropterygidae: Obrimini), Arthropoda 16 (2) August 2008, S. 38–40, Sungaya-Verlag Kiel. ISSN 0943-7274
  7. 1 2 Christoph Seiler, Sven Bradler & Rainer Koch: Phasmiden – Pflege und Zucht von Gespenstschrecken, Stabschrecken und Wandelnden Blättern im Terrarium – bede, Ruhmannsfelden 2000, ISBN 3-933646-89-8
  8. 1 2 3 Holger Dräger: Gespenstschrecken der Familie Heteropterygidae Kirby, 1896 (Phasmatodea) – ein Überblick über bisher gehaltene Arten, Teil 4: Die Unterfamilie Obriminae Brunner von Wattenwyl, 1893, Tribus Obrimini Brunner von Wattenwyl, 1893, Arthropoda Popularis, 3(1) 2013, S. 1–12, ISSN 1866-5896
  9. Oliver Zompro: Gespenstschrecken der Familie Heteropterygidae im Terrarium – Reptilia – Terraristik Fachmagazin (Nr. 24, August/September 2000) Natur und Tier, Münster 2000
  10. Holger Dräger: Aus zwei mach eins: Hybridisierung zweier Phasmidenarten, Bugs - Das Wirbellosenmagazin, Nr. 3, September/Oktober/November 2013, Natur und Tier - Verlag, Münster 2013, S. 58–61 ISSN 2195-8610
  11. 1 2 Oliver Zompro: Bemerkungen über philippinische Obrimiden, mit einer Neubeschreibung (Phasmatodea: Heteropterygidae: Obriminae). Entomologische Zeitschrift (1996) 106 (11): S. 450–456.
  12. Oliver Zompro: Revision of the genera of the Areolatae, including the status of Timema and Agathemera (Insecta, Phasmatodea), Goecke & Evers, Keltern-Weiler 2004, S. 20 & 217, ISBN 978-3-931374-39-6
  13. Sungaya auf der Phasmatodeaseite von Frank H. Hennemann, Oskar V. Conle, Bruno Kneubühler und Pablo Valero
  14. Phasmid Study Group Culture List (englisch)
Commons: Sungaya inexpectata – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
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