Der thüringisch-hessische Erbfolgekrieg (1247–1264) war die kriegerische Auseinandersetzung um die Nachfolge der im Mannesstamm ausgestorbenen Ludowinger als Landgrafen von Thüringen.
Mit dem Tode des kinderlosen Landgrafen Heinrich Raspe im Jahre 1247 erlosch das thüringische Herrschergeschlecht der Ludowinger im Mannesstamm. Sein Besitz umfasste nicht nur große Teile Thüringens, sondern auch über die weibliche Erblinie an die Ludowinger gekommene hessische Grafschaften. 1122, vor seiner Erlangung der Landgrafenwürde, hatte Graf Ludwig I. von Thüringen Hedwig von Gudensberg, die Erbtochter des hessischen Grafengeschlechts der Gisonen, geehelicht. Die Gisonen, die zunächst vor allem an der oberen Lahn begütert waren, hatten zuvor bereits das beträchtliche Erbe der Grafen Werner in Niederhessen angetreten, und waren dann durch die Heirat von Giso IV. mit Kunigunde von Bilstein auch an weitreichende Besitz- und Vogteirechte der Bilsteiner Grafen gekommen.
Ansprüche auf das Ludowinger Erbe wurden von zwei Seiten erhoben: zum einen von Heinrich Raspes Neffen, dem Wettiner Heinrich III., Herr der Markgrafschaft Meißen, der von Kaiser Friedrich II. 1242 eine Eventualbelehnung mit Thüringen erhalten hatte, und zum anderen von der letzten Überlebenden des Geschlechts, Sophie von Brabant, Tochter Landgraf Ludwigs IV. und Nichte Heinrich Raspes, die das Erbe für ihren Sohn Heinrich beanspruchte. Sophie war vermählt mit Herzog Heinrich II. von Niederlothringen und Brabant. Ihre Schwester Gertrud war Äbtissin des Reichsklosters Altenberg bei Wetzlar und dadurch von der Erbfolge ausgeschlossen.
Der Krieg zog sich über 17 Jahre hin. Sophie gelang es nicht, das Gesamterbe der Ludowinger für ihren Sohn Heinrich zu gewinnen, aber sie konnte ihm die hessischen Besitzungen sichern (Langsdorfer Frieden), obwohl auch das Erzstift Mainz darauf Anspruch erhob. So entstand die Landgrafschaft Hessen. Die Markgrafen von Meißen erwarben Thüringen und führten fortan auch den Titel der Landgrafen von Thüringen.
Die Bedeutung des Streites und seines Ausgangs liegt darin, dass ein zunehmend starkes Territorialfürstentum Hessen entstand und dass gleichzeitig der von den Ludowingern begonnene und nun von den Wettinern weiter betriebene Versuch, durch die Verbindung von Thüringen und Hessen eine starke Territorialmacht im Zentrum Deutschlands aufzubauen, ein Ende fand. Dies gelang in der Folge den Wettinern in der Markgrafschaft Meißen. Mit dem Erwerb des Kurfürstentums Sachsen 1423 lag der Schwerpunkt ihrer Macht jedoch an der Elbe, und Thüringen wurde ein Randgebiet, das – zwar von wettinischen Fürsten regiert, aber durch Erbteilungen in die Ernestinischen Herzogtümer immer mehr zersplittert – bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts in politischer Bedeutungslosigkeit versank.
Literatur
- Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder. Die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. 7., vollständig überarbeitete Auflage. C.H. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-54986-1.
- Theodor Ilgen/Rudolf Vogel: Kritische Bearbeitung und Darstellung der Geschichte des thüringisch-hessischen Erbfolgekrieges (1247–1264). In: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde NF 10 (1883), 151–380 (Digitalisat).