Der Ausdruck Trumeau oder Trumeaupfeiler („Mittelpfosten“) bezeichnet den mittleren Steinpfeiler eines Portals, der den steinernen Sturzbalken (linteau) und damit das Tympanon unterstützt. Der Begriff findet insbesondere Verwendung bei romanischen und gotischen Kirchenportalen.
Funktion
Trumeaupfeiler sind in der Entwicklung der europäischen Architektur notwendig geworden, weil das Eingangsportal der großen Klosterkirchen und Kathedralen im Lauf der Zeit immer aufwändiger und größer geworden ist und sich damit baustatische Probleme für diese Zone ergaben.
Trumeaufigur
Häufig ist der Trumeaupfeiler durch eine vorgesetzte Figur („Trumeaufigur“) geschmückt – meist ist der Schutzpatron der Kirche dargestellt, seit Beginn des 13. Jahrhunderts auch eine Christus- oder Madonnenfigur. In einigen wenigen Fällen (Moissac, Souillac) ist der Trumeaupfeiler als „Bestienpfeiler“ gestaltet. Manche Trumeaupfeiler wurden später entfernt, weil sie den in Prozessionen der Barockzeit mitgeführten Baldachinen im Wege waren, andere wurden in der französischen Revolution zerstört und zum Teil durch Nachahmungen im 19. Jahrhundert ersetzt.
Beispiele
- Romanischer „Bestienpfeiler“ der Abtei Saint-Pierre in Moissac, um 1120–30
- „Sklaven“ als Träger des Türsturzes an der Abteikirche St-Pierre (Beaulieu-sur-Dordogne), um 1130–40
- 4-Säulen-Trumeaupfeiler der Abtei Saint-Pierre in Carennac, um 1150
- Hl. Stephanus am mittleren Westportal der Kathedrale von Sens (Burgund), um 1200
- Hl. Anna am Mittelportal des Nordquerhauses der Kathedrale von Chartres, um 1205–10
- Christus am Mittelportal des Südquerhauses der Kathedrale von Chartres, um 1210–15
- „Beau Dieu“ am Nordquerhaus der Kathedrale von Reims, um 1230
- „Beau Dieu“ (Christus) am Westportal der Kathedrale von Amiens, um 1225–35
- Madonna am Nordquerhaus der Kathedrale Notre-Dame de Paris, um 1250
- „Vierge dorée“ (Goldene Madonna) am südlichen Querhaus der Kathedrale von Amiens, 1259–1269
- Madonna am Hauptportal des Freiburger Münsters, um 1300
- Madonna am Portal der Chartreuse de Champmol bei Dijon, um 1390. Auf die Trumeau-Madonna beziehen sich jetzt nicht nur Heilige, sondern auch die profanen Stifterfiguren an den Gewänden.
- „Sklaven“ als Träger des Türsturzes an der Abteikirche St-Pierre (Beaulieu-sur-Dordogne), um 1130–40
- Hl. Stephanus am mittleren Westportal der Kathedrale in Sens, um 1200
- Hl. Anna am Mittelportal des Nordquerhauses der Kathedrale von Chartres, um 1205–10
- Madonna am Westportal des Freiburger Münsters, um 1300
- Portal der Chartreuse de Champmol, um 1390
Literatur
- Günther Binding: Architektonische Formenlehre. Darmstadt / Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1980, Abb. 145, 281, 283, 284 a, 285, 394, 577.
- Dieter Kimpel / Robert Suckale: Die Skulpturenwerkstatt der Vierge dorée am Honoratusportal der Kathedrale von Amiens, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, 36 Bd., H. 4 (1973), S. 217–265.
- Ise Schüssler: Die Reimser Visitatio-Maria als erste Trumeau-Madonna, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, 18. Bd. (1969), S. 119–142.
- Eugène Viollet-le-Duc: Dictionnaire raisonné de l’architecture française du XIe au XVIe siècle, Band 9, „Trumeau“, Wikisource.