Ulla Berkéwicz (Ursula Unseld-Berkéwicz; * 5. November 1948 in Gießen als Ursula Schmidt) ist eine deutsche Schauspielerin und Schriftstellerin.
Leben
Ulla Berkéwicz ist die Tochter des Arztes und Autors Werner Schmidt (1913–2007) und der Schauspielerin Herta Stoepel. Der Name Berkéwicz, den sie später als Künstlernamen annahm, ist abgeleitet vom Namen ihrer jüdischen Großmutter, Berkowitz. Ulla Berkéwicz besuchte nach dem Gymnasium von 1966 bis 1969 die Hochschule für Musik in Frankfurt am Main.
In den 1970er Jahren hatte sie als Schauspielerin Engagements an Bühnen in München, Stuttgart, Köln, Hamburg, Bochum und West-Berlin. Während dieser Zeit übersetzte sie einzelne Stücke von Calderón, Shakespeare und Synge für die Bühne. 1979/80 spielte sie die Hauptrolle in dem preisgekrönten Historienfilm Geburt der Hexe (im Film als Ulla Berkévicz), inszeniert von ihrem damaligen Ehemann, dem Bühnenbildner und Regisseur Wilfried Minks.
1982 veröffentlichte sie ihre erste Erzählung Josef stirbt, in der die Ich-Erzählerin das langsame Sterben ihres neunzigjährigen Vaters protokolliert. 1987 zog sie nach Frankfurt am Main. Ihr erstes Theaterstück Nur wir aus dem Jahr 1991 wurde an den Münchner Kammerspielen uraufgeführt.
1990 heiratete sie den Verleger Siegfried Unseld. Nach dessen Tod im Jahr 2002 wurde sie in die Geschäftsführung des Suhrkamp Verlags aufgenommen. Im Oktober 2003 übernahm sie den Vorsitz der Geschäftsführung. Berkéwicz’ Scheidungsanwalt Heinrich Lübbert wurde auch zu Unselds Testamentsvollstrecker und ist von ihr als Mitglied im Stiftungsvorstand und als Justitiar des Suhrkamp Verlags eingesetzt worden.
Mit Wirkung zum 10. Dezember 2015 zog sie sich aus dem operativen Geschäft des Verlages zurück und bildet nun zusammen mit Rachel Salamander und Sylvia Ströher den Aufsichtsrat des Berliner Suhrkamp Verlages, dessen Vorsitz sie einnimmt.
Ulla Berkéwicz ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland.
Filmografie (Auswahl)
- 1971: Chopin-Express
- 1972: Tatort – Kennwort Fähre
- 1978: Heinrich Heine
- 1981: Geburt der Hexe
- 1981: Die Zeit dazwischen
Auszeichnungen
Sie erhielt als Schriftstellerin folgende Auszeichnungen:
- 1982: Stipendium des Ingeborg-Bachmann-Preises der Stadt Klagenfurt
- 1983: Förderpreis des Andreas-Gryphius-Preises
- 1987: Märkisches Stipendium für Literatur
- 1995: Rheingau Literatur Preis
- 2015: LutherRose
- 2016: Moses Mendelssohn Medaille
Werke
- 1982: Josef stirbt (Erzählung). Suhrkamp, Frankfurt am Main. ISBN 3-518-02150-8
- 1984: Michel, sag ich. Suhrkamp, Frankfurt am Main. ISBN 3-518-04693-4
- 1987: Adam. Suhrkamp, Frankfurt am Main. ISBN 3-518-02661-5
- 1988: Maria, Maria (3 Erzählungen). Suhrkamp, Frankfurt am Main. ISBN 3-518-40124-6
- 1991: Nur wir (Theaterstück). Suhrkamp, Frankfurt am Main. ISBN 3-518-40321-4
- 1992: Engel sind schwarz und weiß (Roman). Suhrkamp, Frankfurt am Main. ISBN 3-518-40435-0
- 1995: Mordad. Suhrkamp, Frankfurt am Main. ISBN 3-518-40707-4
- 1997: Zimzum. Suhrkamp, Frankfurt am Main. ISBN 3-518-40849-6
- 1999: Der Golem in Bayreuth (Musiktheaterspiel). Suhrkamp, Frankfurt am Main. ISBN 3-86150-432-4
- 1999: Ich weiß, daß du weißt (Roman). Suhrkamp, Frankfurt am Main. ISBN 3-518-41061-X
- 2002: Vielleicht werden wir ja verrückt: eine Orientierung in vergleichendem Fanatismus. Suhrkamp, Frankfurt am Main. ISBN 3-518-41379-1
- 2008: Überlebnis. Suhrkamp, Frankfurt am Main. ISBN 3-518-41955-2
- 2018: Über die Schrift hinaus. Suhrkamp, Frankfurt am Main. ISBN 3-518-42787-3
Literatur
- David-Christopher Assmann: Poetologien des Literaturbetriebs. Szenen bei Kirchhoff, Maier, Gstrein und Händler. de Gruyter, Berlin u. a. 2014 (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur; 139), ISBN 978-3-11-035934-3.
- Hans-Joachim Hahn: Repräsentationen des Holocaust. Zur westdeutschen Erinnerungskultur seit 1979. Winter, Heidelberg 2005 (Probleme der Dichtung; 33), ISBN 3-8253-1636-X.
- Tilmann Moser: Literaturkritik als Hexenjagd. Ulla Berkéwicz und ihr Roman «Engel sind schwarz und weiß». Eine Streitschrift. Piper, München u. a. 1994, ISBN 3-492-11918-2 (Serie Piper; 1918).
- Heiko Postma: Prinzip Empathie. Zu Ulla Berkéwicz' Geschichten und dem Roman „Engel sind schwarz und weiß“. In: Der Deutschunterricht. Beiträge zu seiner Praxis und wissenschaftlichen Grundlegung (1993), Nr. 1, S. 70–80.
- Edda Ziegler: Auf klassischen Spuren: Ulla Berkéwicz. In: dies.: Buchfrauen. Wallstein, Göttingen 2014, ISBN 978-3-8353-1523-5, S. 244–248.
Weblinks
- Literatur von und über Ulla Berkéwicz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Berkéwicz geht auf Distanz zu neuen Suhrkamp-Gesellschaftern, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Nr. 45, FAZ, 12. November 2006, Interview
- Stephan Sattler: „Jetzt muss ich einige Dinge klarstellen“, Focus, 22. Dezember 2006, Nr. 52, Interview
- Ulla Berkéwicz in der Internet Movie Database (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Handelsregister Frankfurt am Main, HRB 53776 – 22. Januar 2002: MWW Achtundachtzigste Vermögensverwaltungs GmbH, Handelsregister-Meldung, abrufbar unter http://www.handelsregister.de/
- ↑ Handelsregister Berlin-Charlottenburg, HRB 126556 B: Suhrkamp Verlagsleitungs-Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Handelsregister-Meldung, abrufbar unter http://www.handelsregister.de/
- ↑ Felicitas von Lovenberg: Wird der Tod eines Tages abgeschafft, Frau Berkéwicz? FAZ, 18. April 2008, Interview
- ↑ C. Bernd Sucher (Hg.): Theaterlexikon, dtv, 1995, 2. Aufl. München 1999, S. 63
- ↑ Hubert Spiegel: Suhrkamp auf hoher See, FAZ, 13. Dezember 2006
- ↑ Eine neue Ära bricht an In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10. Dezember 2015 auf: faz.net, abgerufen am 10. Dezember 2015