Veit Stoß (auch: Stoss, polnisch Wit Stwosz; * um 1447 in Horb am Neckar, Vorderösterreich; † 1533 in Nürnberg) war ein deutscher Bildhauer und -schnitzer der Spätgotik. Er war vor allem in Krakau und Nürnberg tätig.

Leben

Überblick

Veit Stoß (auch Stoss, Stosz, Stuosz, Stwosz) war als Bildhauer – Arbeiten in Holz und Stein –, Maler und Kupferstecher tätig. Er wirkte vor allem in Krakau (1477–1496) und Nürnberg (ab 1496 bis zu seinem Tod 1533), wobei er zeitweise aus Nürnberg aufgrund einer Verurteilung geflohen war. 1502 erwähnt eine Krakauer Urkunde die Herkunft „Vitti sculptoris de Horb“; wahrscheinlich stammte er aus Horb am Neckar. Eventuell war Stoß weitläufig mit der Nürnberger Kaufmannsfamilie Scheurl verwandt.

Laut dem Nürnberger Historiographen Johann Neudörffer (1547) starb Stoß 1533 im Alter von 95 Jahren, doch ist das ebenso wenig verbürgt wie das Geburtsjahr 1447 aus anderer Quelle; wahrscheinlich ist, dass er um 1445–1450 geboren wurde. Wo er seine Ausbildung erhielt, ist unbekannt. Sein Werk zeigt Einflüsse vom Oberrhein (Niclaus Gerhaert), weitere süddeutsche (Ulm) und auch niederländische Einflüsse.

Erstmals 1477 erscheint er in den Quellen, als er nach Krakau ging. Dies tat er, um sein erstes Hauptwerk, das Hochaltarretabel der dortigen Marienkirche (bis 1489) und weitere Werke, u. a. das Grabmal des polnischen Königs Kasimir IV. Jagiello aus Adneter Rot-Scheck-Marmor in der Krakauer Kathedrale (1492) zu schaffen. Wohlhabend geworden kehrte Veit Stoß 1496 nach Nürnberg zurück, wo er steinerne und hölzerne Skulpturen fertigte, zuerst das mit Namen und Meisterzeichen versehene Relief der Volckamerschen Gedächtnisstiftung (1499). Ab 1503 war er in ein langwieriges Gerichtsverfahren wegen Urkundenfälschung verstrickt. Ihm wurden im Dezember 1503 zur Strafe beide Wangen mit einem glühenden Eisen durchstoßen. Er durfte die Stadt nicht ohne Genehmigung des Rates verlassen. Er floh 1504 nach Münnerstadt (wo er seine einzigen bekannten Tafelbilder malte). 1505 kehrte er freiwillig nach Nürnberg zurück, wo er erneut verhaftet wurde.

Ein vom späteren Kaiser Maximilian I. 1506 ausgestellter Gnadenbrief wurde vom Rat der Stadt Nürnberg nicht berücksichtigt. Dem Rat galt Stoß als schwierig und streitbar. Dennoch wurde ihm später (1514) im Zuge eines kaiserlichen Auftrages erlaubt, in Nürnberg eine Gießwerkstatt zu errichten, um Figuren für dessen Grabmal zu schaffen, das sich in der Hofkirche zu Innsbruck befindet. Auch die Nürnberger Patrizier bestellten weiter Werke bei ihm. Herausragend ist hier der „Englische Gruß“ in der Lorenzkirche (1517/1518) durch Anton II. Tucher. Sein Sohn Andreas, der im Nürnberger Karmeliterkloster als Prior amtierte, beauftragte ihn 1520, sein letztes Werk, das Hochaltarretabel der Karmeliterkirche (heute Dom Bamberg) zu schaffen, das ohne farbige Fassung blieb (1520–1523). Veit Stoß verstarb 1533 wohlhabend. Er wurde auf dem Nürnberger St.-Johannis-Friedhof bestattet (Grab St. Johannis I/0268).

Biographie

Nach der Fertigstellung des Krakauer Marienaltars war Stoß in Polen zu Ruhm und Wohlstand gekommen. Aus nicht näher bekannten Gründen übersiedelte er Anfang des Jahres 1496 nach Nürnberg. Unter anderem dürfte eine schwere Erkrankung seiner Frau ausschlaggebend gewesen sein. Sie starb im Juli 1496. In Nürnberg arbeitete er auch als Baumeister, z. B. plante er im Auftrag des Rates eine Brückenkonstruktion über die Pegnitz, die jedoch nicht ausgeführt wurde. Nachdem 1498 die Juden endgültig aus der Freien Reichsstadt vertrieben worden waren, erwarb Stoß 1499 eines der enteigneten Häuser in der Sebalder Altstadt. In Nürnberg sind Spekulationsgeschäfte verbürgt. Kurz vor 1500 verließ Stoß sich auf eine von einem ihm bekannten Nürnberger Kaufmann namens Jakob Baner gegebene Empfehlung für den Tuchhändler Hans Starzedel. In diesem Zusammenhang erhielt der zögerliche Stoß wohl eine Art „Bürgschaft“ von Baner für das anstehende Geschäft. Was Stoß nicht wusste, war, dass Baner selbst 600 Gulden bei Starzedel angelegt hatte und durch Stoß’ Einlage von dem Kaufmann, der in Zahlungsschwierigkeiten steckte, das eigene Geld zurückerhielt. Starzedel gab an, die von Stoß eingebrachte Geldsumme von 1265 Gulden in Tuche zu investieren, die er auf der Leipziger Messe mit hohem Gewinn verkaufen wollte. Als sich Starzedels Konkurs abzeichnete, entwendete ein Knecht Baners die Bürgschaft aus Stoß’ Besitz. Dies gab Stoß in seinem späteren Geständnis vor dem Rat der Stadt zu Protokoll.

Als Starzedel aus der Stadt geflohen war, klagte Stoß gegen den belangbaren Baner und berief sich auf die Bürgschaft. Der Rat forderte diese dann im Zuge des Prozesses ein. Daraufhin fertigte Stoß eine Fälschung des gestohlenen Dokuments an. Er wurde überführt, jedoch begnadigt. Als Ausweis seiner kriminellen Tat wurden ihm öffentlich beide Wangen mit einem glühenden Eisen als Schandmal durchbohrt. Zusätzlich verlor er seine bürgerliche Ehre und seine Freizügigkeit. Veit Stoß’ schwierige Lebenssituation wurde zusätzlich durch die Einmischung seines Schwiegersohns Jörg Trummer verschärft, der die Familie seiner Frau als ungerecht kompromittiert erachtete, eine Fehde gegen Jakob Baner ausrief und die Kaufmannszüge der Reichsstadt auf dem Weg zur Frankfurter Messe überfiel.

1497 hatte Stoß erneut geheiratet. Mit Christine Reinolt hatte er fünf Kinder. Sein Sohn Willibald Stoß († 1573 in Schweinfurt) war Bildschnitzer und lebte bis 1560 in Nürnberg. Dieser hatte die Söhne Philipp und Veit Stoß II.

Stoß wurde wegen seiner anhaltenden Bemühungen um öffentliche Rehabilitierung und seines aggressiven Verhaltens vom Rat der Reichsstadt 1506 in einem Namensregister als ein unruwiger haylosser Burger, der einem E.[ehrbaren] Rat vnd gemainer Statt vil Unruw gemacht hatt und in einem Dekret als ein irrig vnd geschreyig man bezeichnet. Wegen seines überragenden Talents erhielt Stoß danach noch mehrere bedeutende Aufträge von einflussreichen Nürnberger Bürgern und auch von Kaiser Maximilian I., der ihn unter anderem an der Ausführung seines Grabmals beteiligte.

Würdigung

Eine Büste von Stoß ist in der Ruhmeshalle in München aufgestellt. Zudem trägt der Stwosz-Eisfall in der Antarktis seinen Namen, ebenso der Asteroid (6106) Stoss.

Schaffen

Krakauer Periode

Er schuf in Krakau von 1477 bis 1489 mit dem Krakauer Hochaltar für die Marienkirche den zweitgrößten geschnitzten Flügelaltar der deutschen Gotik. Im Mittelschrein sind Tod und Himmelfahrt der Maria in überlebensgroßen, meist vollrunden Figuren, auf den Flügeln Szenen aus dem Leben Christi und der Maria in Reliefs dargestellt. In der Marienkirche befindet sich auch das steinerne Kruzifix des Münzmeisters Heinrich Slacker (1489). Vermutlich nach dem Tod des polnischen Königs Kasimir IV. im Jahr 1492 fertigte Stoß dessen Grabmal aus Adneter Rotscheckmarmor für die Kathedrale zu Krakau auf dem Wawel. Kurz danach entstand die Grabplatte des Erzbischofs Zbigniew Oleśnicki in Marmor im Dom zu Gnesen.

Nürnberger Periode

In Nürnberg schuf Veit Stoß

Werke

Ausstellungen (Auswahl)

Literatur

  • Rudolf Bergau: Der Bildschnitzer Veit Stoß und seine Werke. Nürnberg 1884.
  • Paul Johannes Rée: Veit Stoß. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 36, Duncker & Humblot, Leipzig 1893, S. 466–471.
  • Max Loßnitzer: Veit Stoß. Die Herkunft seiner Kunst, seine Werke und sein Leben. Leipzig 1912.
  • Reinhold Schaffer: Andreas Stoß, Sohn des Veit Stoß, und seine gegenreformatorische Tätigkeit (= Breslauer Studien zur historischen Theologie. Bd. 5). Breslau 1926 (zugleich: Dissertation an der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn, 1923).
  • Adolf Jaeger: Veit Stoß und sein Geschlecht (= Freie Schriftenfolge der Gesellschaft für Familienforschung in Franken. Bd. 9). Nürnberg 1958.
  • Der Englische Gruß des Veit Stoss zu St. Lorenz in Nürnberg (= Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege. Nr. 16). München 1983.
  • Rainer Kahsnitz: Veit Stoß in Nürnberg. Werke des Meisters und seiner Schule in Nürnberg und Umgebung. Katalog zur Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum, München 1983.
  • Michael Baxandall: Die Kunst der Bildschnitzer. Tilman Riemenschneider, Veit Stoß und ihrer Zeitgenossen. München 1984.
  • Germanisches Nationalmuseum Nürnberg/Zentralinstitut für Kunstgeschichte München (Hrsg.): Veit Stoß. Die Vorträge des Nürnberger Symposions. München 1985 (mit vollständiger Bibliographie S. 297–338).
  • Gottfried Sello: Veit Stoß. Hirmer, München 1988, ISBN 3-7774-4390-5.
  • Rainer Kahsnitz: Veit Stoß, der Meister der Kruzifixe. In: Zeitschrift des deutschen Vereins für Kunstwissenschaft. Bd. 49/50, Berlin 1995/1996, S. 123–178.
  • Nicolaus Heutger: Stoss, Veit. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 11, Bautz, Herzberg 1996, ISBN 3-88309-064-6, Sp. 1–5.
  • Dobroslawa Horzela (Hrsg.): Around Veit Stoß. Katalog. Muzeum Narodowe, Krakau 2005, ISBN 83-89424-27-4.
  • Manfred Grieb (Hrsg.): Nürnberger Künstlerlexikon. München 2007, ISBN 3-598-11763-9, S. [?].
  • Albert Dietl: Himmelfahrt der Maria. Der Krakauer Marienaltar und seine Geschichte. In: Christoph Hölz (Hrsg.): Wit Stwosz – Veit Stoß. Ein Künstler in Krakau und Nürnberg. München 2000.
  • Gerhard Weilandt: Die Sebalduskirche in Nürnberg. Bild und Gesellschaft im Zeitalter der Gotik und Renaissance. Imhof, Petersberg 2007.
  • Ulrich Söding: Veit Stoß. In: Katharina Weigand (Hrsg.): Große Gestalten der bayerischen Geschichte. Herbert Utz, München 2011, ISBN 978-3-8316-0949-9.
  • Gerhard Weilandt: Stoß, Veit. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 25, Duncker & Humblot, Berlin 2013, ISBN 978-3-428-11206-7, S. 458 (Digitalisat).
  • Walter Folger: Der Marienaltar des Veit Stoß im Bamberger Dom. Erich Weiß Verlag, Bamberg 2014, ISBN 978-3-940821-36-2.
  • Inés Pelzl: Veit Stoß. Künstler mit verlorener Ehre. Pustet, Regensburg 2017, ISBN 978-3-7917-2855-1.
  • Frank Matthias Kammel (Hg.): Kunst und Kapitalverbrechen. Veit Stoß, Tilmann Riemenschneider und der Münnerstädter Altar. Hirmer Verlag, München 2020, ISBN 978-3-7774-3674-6.

Film

  • Die Geschichte vom Saffianschuh. Kinderfilm. Polen 1961. Buch: Zdzislaw Skowronski, Wanda Zólkiewska, nach einer Erzählung von Antonin Dománski; Regie: Sylwester Checynski.
Commons: Veit Stoß – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Erzengel Raphael (Pl.O.2720) | Objektkatalog. Abgerufen am 6. Juni 2023.
  2. Germanisches Nationalmuseum: Rosenkranztafel. In: gnm.de. Abgerufen am 6. Juni 2023 (Online Objektkatalog zum Altarbild).
  3. Boleslaw Przybyszewski: Die Herkunft des Veit Stoß im Lichte Krakauer Archivalien. In: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg (Hrsg.): Veit Stoß. Die Vorträge des Nürnberger Symposions. München 1985, S. 31–37.
  4. Adolf Jäger: Veit Stoß und sein Geschlecht. Neustadt/Aisch 1958, S. 19.
  5. Ines Pelzl: Veit Stoß. Künstler mit verlorener Ehre. Pustet, Regensburg 2017, S. 62.
  6. Thomas Eser: Veit Stoß – Ein polnischer Schwabe wird Nürnberger. In: Brigitte Korn, Michael Diefenbacher, Steven M. Zahlaus (Hrsg.): Von nah und fern. Zuwanderer in die Reichsstadt Nürnberg (= Schriftenreihe der Museen der Stadt Nürnberg. Band 4). Michael Imhof Verlag, Petersberg 2014, ISBN 978-3-86568-998-6, S. 87.
  7. Ines Pelzl: Veit Stoß. Künstler mit verlorener Ehre. Pustet, Regensburg 2017, S. 81 ff.
  8. Ines Pelzl: Veit Stoß. Künstler mit verlorener Ehre. Pustet, Regensburg 2017, S. 89 ff.
  9. Ines Pelzl: Veit Stoß. Künstler mit verlorener Ehre. Pustet, Regensburg 2017, S. 70.
  10. Metropolitan Museum of Art (New York N.Y.): Gothic and Renaissance Art in Nuremberg, 1300-1550. Metropolitan Museum of Art, 1986, ISBN 978-0-87099-466-1 (google.com [abgerufen am 6. Juni 2023]).
  11. Adolf Jäger: Veit Stoß und sein Geschlecht. Neustadt/Aisch 1958, S. 90 ff.
  12. Max Loßnitzer: Veit Stoß. Die Herkunft seiner Kunst, seine Werke und sein Leben. Julius Zeitler, Leipzig 1912, S. LIV.
  13. Max Loßnitzer: Veit Stoß. Die Herkunft seiner Kunst, seine Werke und sein Leben. Julius Zeitler, Leipzig 1912, S. LXXI.
  14. Paul Johannes Rée: Veit Stoß. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 36, Duncker & Humblot, Leipzig 1893, S. 466–471.
  15. Rotscheckmarmor (= Brekzie von vorwiegend rotbraunen Knollen in einer weißen Kalkspatfüllung) war ein Symbol für die Vergänglichkeit des Lebens; er wurde bevorzugt für die Anfertigung von Epitaphen oder Grabmälern herangezogen.
  16. Marienaltar Salzburg. In: nuernberg.museum. Abgerufen am 25. August 2023.
  17. Online Objektkatalog Christus am Kreuz, aufgerufen am 20. April 2020.
  18. Erich Egg: Die ersten drei Hochaltäre der Liebfrauenkirche in Schwaz. In: Heimatblätter – Schwazer Kulturzeitschrift, Nr. 48 (2002), S. 8–10 (PDF; 3,1 MB)
  19. http://objektkatalog.gnm.de/objekt/Pl.O.3013
  20. Germanisches Nationalmuseum: Helden, Märtyrer, Heilige. In: gnm.de. Abgerufen am 6. Juni 2023.
  21. Evelyn Vogel: Mord am Prediger. 12. März 2021, abgerufen am 11. August 2023.
  22. Kunstkrimi aus München: Eine Urkundenfälschung kommt den Bildschnitzer Veit Stoß teuer zu stehen. Abgerufen am 11. August 2023.
  23. Joachim Goetz: Veit Stoß im Bayerischen Nationalmuseum. In: Münchner Feuilleton. 27. April 2021, abgerufen am 11. August 2023 (deutsch).
  24. Sophie Angelov: Veit Stoß: Kunst und Kapitalverbrechen. In: WELTKUNST, das Kunstmagazin der ZEIT. 4. Februar 2021, abgerufen am 11. August 2023.
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