Verfassungsgerichtshof
Trybunał Konstytucyjny
Staatliche Ebene Zentral
Stellung Verfassungsorgan
Gründung 1986
Hauptsitz Warschau
Vorsitz Julia Przyłębska
(seit 21. Dezember 2016)
Website trybunal.gov.pl

Der Verfassungsgerichtshof der Republik Polen (polnisch Trybunał Konstytucyjny) ist ein Staatsorgan, das über die Einhaltung der polnischen Verfassung wacht. Es überprüft Gesetze und andere Rechtsnormen auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung Polens, urteilt über die Vereinbarkeit der Gesetze mit den ratifizierten völkerrechtlichen Verträgen, über Kompetenzstreitigkeiten zwischen zentralen verfassungsmäßigen Staatsorganen sowie über die Vereinbarkeit von Zielen und Tätigkeiten politischer Parteien mit der Verfassung. Er ist ein Element des politischen Systems der Republik Polen.

Geschichte

Bis ins Spätmittelalter oblag die höchstrichterliche Rechtsprechung dem polnischen König. Im Zuge der Umwandlung des Staates in eine Adelsrepublik in der Frühen Neuzeit wurde der Monarch in seinen Rechten als oberster Richter beschnitten. Im 16. Jahrhundert wurde das von ihm unabhängige Krontribunal in Lublin und Petrikau als oberstes Gericht in Polen eingesetzt. Für Litauen wurde ein eigenes Krontribunal in Wilno und Grodno gegründet. Das Tribunal blieb bis zur dritten Teilung Polens 1795 bestehen. Seine auf dem Großen Sejm von 1788 bis 1792 beschlossene Reform konnte nicht mehr umgesetzt werden.

Während der Napoleonischen Zeit entstand im Herzogtum Warschau aufgrund der Verfassung von 1807 ein Höchstes Gericht, dass jedoch mit Napoleons Niederlage 1812 von den russischen Besatzern aufgelöst wurde.

Noch während des Ersten Weltkriegs wurde 1917 das Oberste Gericht in Warschau gegründet. Mit der Märzverfassung von 1921 kam auch ein Kompetenzgerichtshof, der Verfassungsstreitigkeiten zwischen Verfassungsorganen regelte, hinzu.

Die kommunistische Verfassung von 1952 sah jedoch keine eigene Verfassungsgerichtsbarkeit mehr vor. Der bis heute bestehende Verfassungsgerichtshof wurde erst 1986 neugegründet.

Reformen von 2015

Rechtsgrundlage

Das Gericht wurde basierend auf dem Gesetz vom 29. April 1985 zum Jahresanfang 1986 gegründet und hat seinen Sitz in Warschau.

Tätigkeit

Der Verfassungsgerichtshof besteht aus 15 Richtern, die vom Sejm, der sich aus 460 Abgeordneten zusammensetzt, für neun Jahre gewählt werden. Es gilt die absolute Mehrheit (Polen). Eine Wiederwahl ist nicht zulässig.

Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes (polnisch: Prezes Trybunału Konstytucyjnego) und seine Stellvertreter werden vom Staatspräsidenten aus den von der Generalversammlung der Richter des Verfassungsgerichtshofs vorgeschlagenen Kandidaten berufen und vereidigt.

Die polnische Verfassung enthält einen Zuständigkeitskatalog für den polnischen Verfassungsgerichtshof in Art. 188, dieser ist nicht abschließend. Er beinhaltet Normenkontrollverfahren (Nr. 1-3), ein Parteiprüfungsverfahren (Nr. 4) und eine Verfassungsbeschwerde (Nr. 5). In Art. 189 der polnischen Verfassung ist ein Streitverfahren geregelt, dass für Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Staatsorganen zuständig ist, ähnlich einem Organstreitverfahren nach deutschem Recht (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG). In Art. 193 der polnischen Verfassung ist ein Vorlageverfahren geregelt, dass der konkreten Normenkontrolle in Deutschland ähnelt.

Die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes sind allgemein bindend und endgültig. Entscheidungen zu Normenkontrollverfahren sind unverzüglich in der amtlichen Veröffentlichung bekannt zu machen, in der der Normativakt veröffentlicht worden ist. Ansonsten sind die Entscheidungen im Amtsblatt (Monitor Polski) zu veröffentlichen. Anders als es in Deutschland üblich ist, werden teilweise nur die Tenores bzw. Leitsätze veröffentlicht.

Richter

Der Staatspräsident von Polen ernennt die Richter des Verfassungsgerichtshofs auf Antrag des Sejm. Die Amtszeit dauert neun Jahre. Wie alle Richter in Polen genießen die Richter des Verfassungsgerichtshofs strafrechtliche Immunität. Es sind 15 Richterplanstellen vorgesehen. Derzeit sind sie wie folgt besetzt, wobei die Richter vor 2015 von der PO und die Richter nach 2015 von der PiS nominiert wurden:

Name Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit nominiert von gewählt von
Julia Przyłębska (* 1959)
(Präsidentin)
9. Dez. 2015 9. Dez. 2024 PiS VIII. Sejm
Leon Kieres (* 1948) 23. Juli 2012 23. Juli 2021 PO-PSL-SLD VII. Sejm
Mariusz Muszyński (* 1964) 2. Dez. 2015 2. Dez. 2024 PiS VIII. Sejm
Piotr Pszczółkowski (* 1970) 3. Dez. 2015 3. Dez. 2024 PiS VIII. Sejm
Zbigniew Jędrzejewski (* 1958) 28. Apr. 2016 28. Apr. 2025 PiS VIII. Sejm
Michał Warciński (* 1979) 20. Dez. 2016 20. Dez. 2025 PiS VIII. Sejm
Andrzej Zielonacki (* 1954) 28. Juni 2017 28. Juni 2026 PiS VIII. Sejm
Justyn Piskorski (* 1971) 18. Sep. 2017 18. Sep. 2026 PiS VIII. Sejm
Jarosław Wyrembak (* 1967) 30. Jan. 2018 30. Jan. 2027 PiS VIII. Sejm
Wojciech Sych (* 1963) 8. Apr. 2019 8. Apr. 2028 PiS VIII. Sejm
Krystyna Pawłowicz (* 1952) 5. Dez. 2019 5. Dez. 2028 PiS IX. Sejm
Stanisław Piotrowicz (* 1952) 5. Dez. 2019 5. Dez. 2028 PiS IX. Sejm
Jakub Stelina (* 1969) 5. Dez. 2019 5. Dez. 2028 PiS IX. Sejm
Rafał Wojciechowski (* 1969) 7. Jan. 2020 7. Jan. 2029 PiS IX. Sejm
Bartłomiej Sochański (* 1959) 9. Apr. 2020 9. Apr. 2029 PiS IX. Sejm

Organe

Zu den Organen des Gerichts zählen der Erste Gerichtspräsident, sein Stellvertreter und die Generalversammlung der Richter des Verfassungsgerichtshofs.

Erster Gerichtspräsident

Der Erste Gerichtspräsident und sein Stellvertreter werden vom Staatspräsidenten ernannt. Gegenwärtige Präsidentin ist Julia Przyłębska und ihr Stellvertreter ist Mariusz Muszyński.

Generalversammlung

Die Generalversammlung besteht aus der Gesamtheit aller amtierenden Verfassungsrichter. Die Richter bilden einzelne Spruchkörper.

Gebäude

Der Verfassungsgerichtshof war von 1986 bis 1995 im Gebäudekomplex des Sejm und Senats im Haus B untergebracht. Seit 1995 tagt das Gericht im Gebäude des ehemaligen Offizierskasinos der ehemaligen Kadettenschule.

Budget

Das Budget des Verfassungsgerichtshofs wird im Jahreshaushalt festgelegt. 2018 betrugen die Ausgaben ca. 36 Mio. PLN und die Einnahmen 0,03 Mio. PLN.

Siehe auch

Literatur

  • Zdzisław Czeszejko-Sochacki: Sądownictwo konstytucyjne w Polsce na tle porównawczym (Das Grundgesetzgerichtswesen in Polen auf einem Vergleichshintergrund). Trybunał Konstytucyjny, Warschau 2003, ISBN 83-8751528-0.
  • Miroslaw Wyrzykowski: Der Verfassungsgerichtshof der Volksrepublik Polen, AöR 112 (1987), 93-128.
Commons: Verfassungsgerichtshof (Polen) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1 2 Art. 188–197 der Verfassung der Republik Polen
  2. The Constitutional Tribunal's scope of jurisdiction
  3. Ustawa z dnia 29 kwietnia 1985 o Trybunale Konstytucyjnym. Quelle: A CASE OF “SOVEREIGNTY REGAINED”? (pdf, S. 3, Fußnote 14)
  4. Klaus Ziemer: Polen: Ausgestaltung der Demokratie. Informationen zur politischen Bildung Nr. 311/2011, S. 22, abgerufen am 1. Oktober 2016.
  5. Zasady i procedura wyboru sędziów polskiego Trybunału Konstytucyjnego. In: inpris.pl. Abgerufen am 20. Januar 2018 (polnisch).
  6. Beispiel im Verfahren K 3/21. Trybunal Konstytucyjny, abgerufen am 15. Februar 2023.

Koordinaten: 52° 12′ 56,2″ N, 21° 1′ 25″ O

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