Die Wahlen zum Legislativ-Yuan der Republik China 2012 wurden am 14. Januar 2012 abgehalten. Am selben Tag fand auch die Präsidentenwahl statt. Es handelte sich um die insgesamt 15. Wahl eines Legislativ-Yuan in der Republik China auf Taiwan.
Hintergrund
Die taiwanische Gesellschaft ist gespalten. Zum einen fühlt man sich der chinesischen Kultur zugehörig, zum anderen gibt es auch viele Befürworter einer vollständigen Unabhängigkeit Taiwans unter Aufgabe des Ziels der „Wiedervereinigung“ Chinas. Die Ein-China-Politik wird vorwiegend von den Parteien der pan-blauen Koalition (darunter der KMT) vertreten, der letztgenannte von den Parteien der pan-grünen Koalition (darunter als Hauptvertreterin die Demokratische Fortschrittspartei). Quer durch alle politischen Lager besteht jedoch Einigkeit, dass man sich nicht ohne weiteres der Volksrepublik China anschließen möchte (z. B. nach dem Modell Hongkongs), sondern dies nur unter demokratischen Vorzeichen tun will. Die Unabhängigkeitsbefürworter haben Sorge vor der Reaktion der Volksrepublik China, die mehr als einmal gedroht hat, dass eine formale Unabhängigkeitserklärung Taiwans den casus belli bedeuten würde und die auf Taiwan gerichtete, ballistische Raketen auf der anderen Seite der Taiwanstraße stationiert hat.
Wahlrecht und Wahlprozedur
Die Wahlen fanden in 14.806 über das ganze Land verteilten Wahllokalen statt. Pro Wahllokal waren maximal 1.500 Wähler registriert. Insgesamt 198.136 Wahlhelfer beteiligten sich an der Organisation der Wahlen. Das Land ist in 73 Wahlkreise eingeteilt, in denen jeweils ein Abgeordneter gewählt wurde. 6 Abgeordnete wurden durch die indigene Bevölkerung Taiwans quasi als Minderheitenvertretung gewählt, 3 davon im Hochland und drei im Flachland durch 183.398 bzw. 171.548 Wahlberechtigte. Die restlichen 34 Sitze des insgesamt 113 Sitze umfassenden Parlaments wurden entsprechend dem landesweiten Stimmenanteil der Parteien über die Parteilisten aufgefüllt. Jeder Wähler hatte also 2 Stimmen, eine für den Wahlkreiskandidaten und eine für die Parteiliste, ähnlich wie im deutschen Wahlsystem. Laut Gesetz mussten dabei die Hälfte der auf den Parteilisten Nominierten Frauen sein. Es galt eine 5 %-Klausel, d. h. nur Parteien mit einem landesweiten Stimmenanteil über 5 % konnten Abgeordnete über die Parteilisten entsenden, es sei denn, sie hatten Wahlkreismandate gewonnen. Für die 73 Wahlkreismandate bewarben sich insgesamt 267 Kandidaten. Wahlberechtigt waren 18.086.455 Einwohner Taiwans. Um die verbleibenden 34 Listenplätze im Legislativ-Yuan bewarben sich 11 registrierte politische Parteien. Auch Auslands-Taiwaner waren hier wahlberechtigt.
Ergebnisse
Partei/Parteienbündnis | Stimmen | Mandate | Sitze | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Anzahl | in % | +/- % | Wahl- kreis- |
Minder- heits- |
Listen- | Anzahl | +/- | in % | ||
Kuomintang (中國國民黨) | 5.863.379 | 44,55 % | −5,1 %p | 44 | 4 | 16 | 64 | −7 | 56,6 % | |
Qinmindang (親民黨) | 722.089 | 5,49 % | −5,3 %p | 0 | 1 | 2 | 3 | −6 | 2,7 % | |
Xindang (新黨) | 195.960 | 1,49 % | −1,8 %p | 0 | 0 | 0 | 0 | −2 | 0 % | |
Unparteiische Solidaritätsunion (無黨團結聯盟) | 148.105 | 1,1 % | −0,9 %p | 1 | 1 | 0 | 2 | −1 | 1,8 % | |
Pan-blaue Koalition (泛藍陣營) | 7.651.622 | 51,48 % | −13,3 %p | 44 | 5 | 18 | 69 | –16 | 61,1 % | |
Demokratische Fortschrittspartei (民主進步黨) | 4.556.526 | 34,62 % | +11,5 %p | 27 | 0 | 13 | 40 | +13 | 35,4 % | |
Taiwanische Solidaritätsunion (台灣團結聯盟) | 1.178.896 | 8,96 % | +2,7 %p | 0 | 0 | 3 | 3 | +3 | 2,7 % | |
Pan-grüne Koalition (泛綠陣營) | 5.735.422 | 43,56 % | +14,2 %p | 27 | 0 | 16 | 43 | +16 | 38,1 % | |
Unabhängige und andere Parteien | 2.528 | 0,02 % | ±0 %p | 1 | 0 | 0 | 1 | ±0 | 0,9 % | |
Gesamt | 13.241.467 | 100,0 % | — | 73 | 6 | 34 | 113 | — | 100,0 % |
Von den gewählten 113 Abgeordneten waren 75 Männer und 38 (33,6 %) Frauen. Das Durchschnittsalter der Gewählten lag bei 52,5 Jahren.
- Ergebnisse in den 73 Wahlkreisen
- Wahlkreisergebnisse in den 73 Wahlkreisen, die 6 durch die Ureinwohner und die 34 über Landeslisten gewählten Abgeordneten in hexagonaler Darstellung (Farben wie beschrieben)
Bewertung
Im Ergebnis konnte die oppositionelle DPP im Vergleich zur letzten Wahl 2008 ihren Stimmenanteil deutlich steigern und die Zahl ihrer Parlamentsmandate um fast 50 % erhöhen. Trotzdem verblieb der regierenden Kuomintang weiterhin eine solide absolute Mehrheit der Sitze im neu gewählten Legislativ-Yuan. Bei der am selben Tag durchgeführten Präsidentenwahl zeigte sich dasselbe Bild. Hier konnte sich Spitzenkandidat Ma (KMT) gegen seine Herausforderin Tsai Ing-wen (DPP) durchsetzen. Sowohl die Präsidentschaft als auch der Posten des Ministerpräsidenten mit dem gesamten Kabinett blieben damit in den folgenden 4 Jahren in den Händen der Kuomintang.
Siehe auch
Literatur
- Günter Schucher: Wahlen in Taiwan. Votum für Stabilität. GIGA Focus Asien, Nr. 2/2012.
- Thomas Weyrauch: Taiwans gemeinsame Farbe. Das demokratische Profil der Republik China. Heuchelheim: Longtai 2015, ISBN 978-3-938946-26-8.
Einzelnachweise
- 1 2 3 CEC finalizes two-in-one poll preparations. Taiwan Today, 13. Januar 2012, abgerufen am 14. Januar 2012 (englisch).
- 1 2 Bei der letzten Wahl 2008 waren 8 Qinmindang-Kandidaten auf der Kuomintang-Liste bzw. als offizielle Wahlkreiskandidaten der Kuomintang ins Parlament gewählt worden. Je nachdem, ob man diese zur KMT oder Qinmindang rechnet, kommt man auf verschiedene Mandats- und Prozentzahlen für KMT (entweder −7 oder −15 Verlust) bzw. Qinmindang (−6 Mandatsverlust oder +2 Mandatsgewinn). In der Tabelle sind diese Abgeordneten der Qinmindang zugeordnet. Außerdem zogen bei der letzten Wahl noch 2 Abgeordnete der Xindang auf der KMT-Liste ins Parlament ein.
- ↑ 2012 – The 13th Presidential and Vice Presidential Election – The 8th Legislator Election. Central Election Commission, archiviert vom am 8. Dezember 2009; abgerufen am 18. Januar 2012 (englisch).
Weblinks
- Zentrale Wahlkommission / 中央選舉委員會 / Central Election Commission (englisch)
- 2012 Presidential Election Republic of China (Taiwan) (Memento vom 19. März 2012 im Internet Archive), Informationen der Regierung zur Präsidentschafts- und Parlamentswahl (engl.)