Als Wassermannzeitalter (auch aquarianisches oder Neues Zeitalter genannt) wird in der westlichen Astrologie und anderen Bereichen der Esoterik seit den 1960er-Jahren von verschiedenen Seiten ein Zeitraum von rund 2000 Jahren genannt, der im Rahmen des sogenannten Platonischen Jahres durch den Durchzug des Frühlingspunktes durch das Ekliptiksternbild des Wassermannes geprägt werden soll.

Weltanschaulicher Hintergrund

Nach Auffassung mancher heutiger Esoteriker und Okkultisten, anglo-indischer Theosophen und von New-Age-Anhängern steht die Welt seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Wassermannzeitalter. Dies wird damit erklärt, dass um Christi Geburt der Frühlingspunkt vom Sternbild Widder in das Sternbild Fische gewandert sei und von dort aus betrachtet etwa 2000 Jahre später in den Wassermann. Marilyn Ferguson veröffentlichte 1982 eine Hauptschrift der New-Age-Bewegung unter dem Titel Die sanfte Verschwörung. Persönliche und gesellschaftliche Transformation im Zeitalter des Wassermanns, mit einem Vorwort von Fritjof Capra, die weite Verbreitung fand.

Astronomie und Astrologie

Die zur Bestimmung der Zeitalter verwendeten Ekliptiksternbilder sind nicht zu verwechseln mit den Tierkreiszeichen – auch wenn sie hier miteinander in Relation gesetzt werden. Die Präzessionsperiode der Erdachse, die traditionell als „Platonisches Jahr“ bezeichnet wird, hat eine Dauer von etwa 25.700 bis 25.800 Jahren. Robert Powell hat die Länge dieser Zeitperiode mit 25.920 Jahren errechnet.

Astronomisch beginnt der tropische Tierkreis am Frühlingspunkt, an dem das Tierkreiszeichen Widder beginnt und das Tierkreiszeichen Fische endet. Von dort aus wird der Tierkreis in zwölf Kreisbögen bzw. Abschnitte von je 30°, die zwölf Tierkreiszeichen, geteilt. Der Beginn des Tierkreises mit dem Tierkreiszeichen Widder soll in der westlichen Astrologie beispielsweise eine Art Initialzündungs-Energie für alles geben, was ganz konkret werden und sich neu durchsetzen will. Analog hätten nun im zurück liegenden Fischezeitalter, während dessen Dauer sich der Frühlingspunkt durch das Ekliptiksternbild Fische bewegte, etwa die geistigen Impulse von Mitgefühl und Erlösung wirksam werden sollen, so die Idee hinter der Formel vom Wassermann-Zeitalter.

Aus astronomischer Sicht bleibt zu beachten, dass die Dauer der Wanderung des Frühlingspunktes durch ein Ekliptiksternbild 2150 bis 2160 Jahre betragen würde, wenn die Sternbilder auf der Ekliptik jeweils gleichmäßig 30° lang sind. Ein Zeitabschnitt von 2000 Jahren entspräche also einem Sternbild, das nur ungefähr 28° der Ekliptik umfasste. Das Sternbild Fische nimmt jedoch rund 37° der Ekliptik ein, während das Sternbild Widder nur etwa 24° besetzt. In diesem Zusammenhang würde das Fischezeitalter mit dem Eintritt des Frühlingspunktes in das astronomische Sternbild Fische wohl etwa 100 Jahre vor der Zeitenwende begonnen haben, wenngleich die Ekliptiksternbilder teilweise keinen so exakten 'Anfang' besitzen; der Größe des Sternbilds Fische entsprechend würde das Wassermannzeitalter dann aber erst um das Jahr 2600 beginnen, da sich das Fischezeitalter über knapp 2700 Jahre erstrecken würde.

Werden hingegen die Ekliptiksternbilder in gleich lange 'Zeichen' eingeteilt, wie in der Vedischen Astrologie, bei der jedes siderische Zeichen ebenso wie ein Tierkreiszeichen 30° lang ist, befindet sich der siderische 0°-Widder-Punkt ziemlich genau 180° gegenüber von Spica, das heißt im Jahr 2010 auf 24° im – tropischen – Tierkreiszeichen Widder im astrologischen Tierkreis. Aufgrund der Präzession wird dieser siderische 0°-Widder-Punkt in ungefähr 6 × 72 Jahren auf der Ekliptik bei 0° Stier angekommen und somit genau 30° vom Frühlingspunkt entfernt sein, auf den sich dann das (angeglichene) Sternbild Wassermann bewegt. Demnach dürfte das Wassermann-Zeitalter um das Jahr 2440 beginnen, aber auch das Fische-Zeitalter könnte dann nicht mit Christi Geburt, sondern erst um das Jahr 280 begonnen haben.

Legt man die im Jahr 1930 definierten Grenzen der Sternbilder zugrunde, so verläuft die Ekliptik mittlerweile durch dreizehn Sternbilder – nämlich die zwölf Sternbilder des Tierkreises und den Schlangenträger (Ophiuchus). Daraus ergeben sich weitere Unsicherheiten für die Interpretation.

Datierung

In der Anthroposophie wird das Wassermannzeitalter mit einer in rund 1500 Jahren beginnenden sechsten „Kulturepoche“ gleichgesetzt. Nach Angaben der anthroposophischen Astrologin Gisela Gorrissen findet der astronomische Zeitalterwechsel ab 2200 statt, aber die eigentliche Kulturepoche des Wassermannes – das „johanneische Zeitalter der Bruderliebe“ (nach der sechsten Gemeinde „Philadelphia“ der Sieben Sendschreiben in der Offenbarung des Johannes) – beginne aufgrund der notwendigen Bewusstseinsevolution erst etwa 1400 Jahre später, also im Jahr 3600, was mit den Berechnungen von Rudolf Steiner ungefähr übereinstimmt.

Entsprechend der astronomischen Berechnung würde das Wassermannzeitalter jedoch irgendwann zwischen 2440 und 2600 beginnen. Eine nachvollziehbare Erklärung für die sich daraus ergebende Zeitspanne von rund 1000 Jahren zwischen den unterschiedlichen Datierungen gibt es nicht. Die zeitliche Differenz zwischen Ekliptiksternbildern und Tierkreiszeichen beträgt mehr als 2000 Jahre und bietet keine Erklärung.

Kulturelle Rezeption

Das 1968 uraufgeführte Musical Hair nimmt bereits im ersten Song (Aquarius) Bezug darauf mit dem Refrain „This is the dawning of the Age of Aquarius“ (deutsch: „Dies ist der Beginn des Wassermannzeitalters“). Der Text geht mit dem Thema jedoch sehr frei um: When the moon is in the 7th house, and Jupiter aligns with Mars, then peace will guide the planets… („wenn der Mond im siebten Haus steht und Jupiter sich an Mars ausrichtet, dann wird Friede die Planeten leiten“). Doch dies hat wiederum nichts mit dem Frühlingspunkt oder dem Wassermannzeitalter selber zu tun.

Zu den prominenteren Anhängern der Ära des Wassermannzeitalters zählte etwa der Modeschöpfer Paco Rabanne.

Siehe auch

Literatur

  • Hans Künkel: Das große Jahr. Der Mythos von den Weltzeitaltern. Diederichs, Jena 1922; Urania, Waakirchen 1980, ISBN 3-921960-06-1
  • Alfons Rosenberg: Durchbruch zur Zukunft. Der Mensch im Wassermann-Zeitalter. Barth, München-Planegg 1958; Turm, Bietigheim 1971, ISBN 3-7999-0186-8
  • Karl Otto Schmidt: Der kosmische Weg der Menschheit und das Wassermann-Zeitalter. Drei Eichen, München 1971, ISBN 3-7699-0496-6
  • Paco Rabanne: Das Ende unserer Zeit. Aufbruch in das Wassermann-Zeitalter. Prophezeiungen des neuen Nostradamus. Herbig, München 1994, ISBN 3-7766-1845-0
  • Omraam Mikhaël Aïvanhov: Der Wassermann und das goldene Zeitalter. Prosveta, Fréjus 1997, ISBN 3-89515-030-4 (Gesamtwerke Band 25/26)
  • Gisela Gorissen: Astrosophie des Tierkreises und der Planeten. Der Mensch im Spannungsfeld zwischen Kosmos und Erde. Urachhaus, Stuttgart 2001, ISBN 3-8251-7254-6
  • Peter Ripota: Die Geburt des Wassermann-Zeitalters. Semitarius, Taunusstein 2014, ISBN 978-3-945248-10-2

Einzelnachweise

  1. Arthur Schult: Astrosophie. Lehre der klassischen Astrologie. 5. Auflage. Band 1. Turm Verlag, Bietigheim 1994, ISBN 3-7999-0204-X, S. 171.
  2. Sphinx-Verlag, Basel 1982
  3. Robert A. Powell, Peter Treadgold: The Sidereal Zodiac. American Federation of Astrologers, Tempe, AZ 1979, ISBN 978-0-904693-07-2, S. 45.
  4. Wassermannzeitalter. In: Anthrowiki. Wolfgang Peter u. a., 2007, abgerufen am 20. Juni 2021.
  5. Paco Rabanne: Das Ende unserer Zeit, München 1996, S. 215f
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