Die Berufsbezeichnung Weißgerber, auch Ircher genannt, leitet sich ab vom Handwerk der Weißgerberei, einer spezialisierten Form der Gerberei.

Das Handwerk der Weißgerberei

Die Weißgerberei ist ein Gerbverfahren, bei dem die Gerbung mit Mineralien bewirkt wird, wie Alaun oder Kochsalz. Das Weißgerben, auch Mineralgerbung genannt, erzeugt ein besonders helles, fast weißes Leder.

Das Weißgerben wurde vor allem für feinere und dünnere Leder von Kalb, Schaf und Ziege eingesetzt. Die daraus gewonnenen Lederqualitäten Chevreauleder (Ziegenleder), Glacé (Kalbsleder) oder Kid (Ziegenleder) wurden vorzugsweise zu Handschuhen, Beuteln, Buchdecken und Etuibezügen weiterverarbeitet.

Eng verwandt mit der Weißgerberei – da sie ebenfalls bei dünneren Ledersorten zum Einsatz kam – ist die vor allem in Skandinavien und dem Baltikum verbreitete Sämischgerbung, bei der als Gerbstoffe tierische Fette (vor allem Wal-, Seehund-, Fisch- und Lebertran) zum Einsatz kamen. Sämischleder – auch Waschleder genannt – ist sehr weich und widerstandsfähig gegen Wasser, sodass es bevorzugt zu Handschuhen, Reithosen oder Arbeitsschürzen verarbeitet wurde. Auch das sogenannte Putz- oder Fensterleder war ursprünglich sämisch gegerbt.

Geschichte der Weißgerberei

Im Gegensatz zu vielen anderen Handwerken entwickelte sich in der Gerberei bereits im Mittelalter eine Spezialisierung anhand von Verfahren und zu verarbeitendem Material. So entstanden die Gewerke der Lohgerber oder Rotgerber, Sämischgerber, Corduaner und eben der Weißgerber. In der Handwerkerhierarchie des Mittelalters und der Frühen Neuzeit standen die Weißgerber hinsichtlich Ansehen, Ruf und Einkommen unter den Rot- oder Lohgerbern. Im süddeutschen Sprachraum wurde der Weißgerber auch als Ircher bzw. Irher bezeichnet.

Im Jahr 1813 wurde als ein Zentrum besonders guter Weißgerbereien Erlangen hervorgehoben, wo sich zudem gute Handschuhmanufakturen befanden, sowie Idstein mit großen Weißgerbereien.

Mit dem Beginn der Mechanisierung in der Gerberei und der Einführung der Gerbung mit Metallsalzen (Chromgerbung) im 19. Jahrhundert verschwanden zunächst in den Städten, dann auch im ländlichen Raum die spezialisierten Gerberhandwerke und damit auch der Weißgerber.

Relikte des alten Handwerks

Wie alle Gerber hatten auch die Weißgerber einen hohen Wasserbedarf, sodass sie ihre Werkstätten meist an Wasserläufen hatten. Da durch das Waschen des Leders das Wasser stark verschmutzt wurde, ordneten viele mittelalterliche Stadtordnungen ihre Ansiedlung an den Unterläufen der Flüsse an. Straßennamen in den alten Innenstädten wie

zeugen bis heute von diesen Standorten.

Ein Stadtteil in Wien trägt den Namen Weißgerber; auch Familiennamen wie Weißgerber bzw. Weisgerber leiten sich von diesem Handwerk ab.

Ein literarisches Denkmal in Form einer beeindruckenden Milieustudie vom 19. Jahrhundert bekam die Weißgerberohle zu Breslau in dem Roman Soll und Haben von Gustav Freytag.

In Doberlug-Kirchhain ist diesem der Vergangenheit angehörenden Handwerk in eigenes Museum gewidmet, im Freilichtmuseum Hagen gibt es ein Weißgerber- und Kürschnerhaus, in dem dieses Handwerk ebenfalls anschaulich dokumentiert ist.

Literatur

  • Freytag, Gustav: Soll und Haben. Ausgabe in zwei Bänden. Berlin, Verlag der Schiller-Buchhandlung o. J.
  • Kühnel, Harry (Hrsg.): Alltag im Spätmittelalter. Graz, Wien, Köln Styria 1986 (3); ISBN 3-222-11528-1
  • Palla, Rudi: Verschwundene Arbeit. Ein Thesaurus der untergegangenen Berufe. Frankfurt am Main, Wien Büchergilde 1995, ISBN 3-7632-4412-3
Commons: Gerber und Weißgerber – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Gerber und Weißgerber in alten Bildern – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Johann Heinrich Moritz Poppe: Johann Christian Schedels neues und vollständiges, allgemeines Waaren-Lexikon […]. Zweiter Teil M bis Z. Vierte durchaus verbesserte Auflage, Verlag Carl Ludwig Brede, Offenbach am Mayn 1814. Stichwort Leder, S. 581.
  2. Matthias Freitag: Regensburger Straßennamen. Mittelbayerische Verlagsgesellschaft mbH, Regensburg 1997, ISBN 3-931904-05-9, S. 136.
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