Werner Karl Otto Steinbrinck, in der Literatur auch in der Schreibweise Steinbrink, (* 19. April 1917 in Berlin; gest. 18. August 1942 in Berlin-Plötzensee) war ein deutscher antifaschistischer Widerstandskämpfer, der durch das NS-Regime zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde.

Leben

Steinbrinck kam aus einer kommunistischen Arbeiterfamilie in Berlin-Neukölln. Der Vater Karl war Arbeiter, die Mutter Agnes Dienstmädchen und Näherin. Er hatte zunächst eine kommunale Volksschule besucht und wechselte von 1931 bis 1933 zur Neuköllner Karl-Marx-Schule, einer hoch renommierten reformpädagogischen Schule, an der auch Arbeiterkinder zum Abitur kommen konnten. Dort war er mit dem späteren Historiker Kurt Gossweiler und mit Herbert Ansbach befreundet. Die drei organisierten sich im Sozialistischen Schülerbund (SSB), der der KPD nahestand. Sie arbeiteten an der Schülerzeitung Schulkampf mit, deren Chefredakteur seit 1932 Ansbach war. An der Schule fiel Steinbrinck in der Phase ihrer Namenslöschung und ihres Übergangs zu einem „Realgymnasium auf nationalsozialistischer Grundlage“ durch Konfliktbereitschaft auch gegenüber einzelnen Lehrern auf. Beispielsweise widersprach Steinbrinck einem Vertretungslehrer, der nicht bereit war, eine Beweisführung im Wechselgespräch mit den Schülern zu akzeptieren, ging nach vorne und führte den Beweis. Vom Vorwurf einer „frechen Eigenmächtigkeit“ blieb er unbeeindruckt. Nach der Zwangsauflösung des SSB schlossen die drei Freunde sich 1933 dem inzwischen verbotenen Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD), Unterbezirk Südost, an und nahmen am deutschen und europäischen antifaschistischen Widerstand teil.

Steinbrinck (Spitzname Steinchen) trampte in diesem Jahr im September zum ersten „Weltkongreß der Jugend gegen Krieg und Faschismus“ nach Paris. Zu den Zielen des Weltjugendkomitees als dem organisatorischen Träger gehörten „die Koordinierung internationaler antifaschistischer Aktionen und die Organisierung von Solidaritätsbewegungen für vom Faschismus Verfolgte in aller Welt.“ Im Sommer 1934 fand eine zweite Tour mit diesem Ziel statt, diesmal mit u. a. Kurt Gossweiler und zwei Angehörigen der Jugendorganisation der mit der KPD über Kreuz liegenden KPO. Man nahm an einem zweiten derartigen „Weltkongreß der Jugend“ teil und wiederum ging es um die Organisation des Widerstands gegen die faschistischen Regime und Bewegungen in Gesamteuropa und gegen die mit ihnen einhergehende Kriegsgefahr. Steinbrinck wurde als einziger der Gruppe bei dieser Gelegenheit zu den Beratungen der in Paris befindlichen Leitung des KJVD hinzugezogen. Nachdem in den Verhaftungswellen gegen die linken Oppositionsgruppen die führenden Funktionäre des KJVD-Bezirks inhaftiert worden waren, übernahmen dort Herbert Ansbach und der jüdische Genosse Herbert Baum die Leitung, Werner Steinbrinck die Chefredaktion einer illegalen Zeitung. Beteiligt war er auch an der sogenannten „Böller-Aktion“ Berliner Studenten. Man hatte mit Streuzetteln gefüllte Sprengkörper in Gestalt hölzerner Bücher öffentlichkeitswirksam in der Universität, in der Staatsbibliothek und an anderen Orten hochgehen lassen. 1935 verließ Werner Steinbrinck vor dem Abitur die Schule, die inzwischen gleichgeschaltet und deren Name ihr genommen worden war, um in einem jüdisch geführten chemisch-wissenschaftlichen Labor eine Laborantenlehre zu machen. Das Abitur holte er später an einer Abendschule nach.

1936 wurde er gemeinsam mit anderen Antifaschisten, darunter seine Freundin Lisa Attenberger und Herbert Ansbach verhaftet und unter dem Verdacht der Vorbereitung des Hochverrats angeklagt. Attenberger hatte marxistische Schulungszirkel organisiert, mutmaßlich zusammen mit Steinbrinck. Mangels Beweises musste er wieder auf freien Fuß gesetzt werden, während Attenberger, die ihn geschützt hatte, und Ansbach zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurden. Steinbrinck begründete eine Widerstandsgruppe an seinem Arbeitsplatz, dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie. Sie stand in Verbindung mit der Widerstandsgruppe um Herbert Baum. 1939 wurde Steinbrinck zum Reichsarbeitsdienst und im Jahr darauf zur Wehrmacht eingezogen. Er wurde innerhalb des OKW eingesetzt und konnte daher in Berlin bleiben. 1942 wurde er von der Wehrmacht für ein Studium am Kaiser-Wilhelm-Institut (KWI) für Chemie freigestellt. Der klandestine Zusammenhalt der Gruppen und Genossen war damit nicht aufgegeben, sondern durch das offenbare Scheitern der Wehrmacht in der Schlacht um Moskau verstärkt worden. Nach Steinbrincks Beteiligung an einem Anschlag im Mai 1942 auf die antikommunistische Hetzausstellung Das Sowjet-Paradies, für den er als gelernter Chemotechniker von seinem Arbeitsplatz ein Kilo Schwarzpulver und eine entflammbare Lösung beschaffte, wurde er mit 22 anderen aus seiner und Baums Gruppe verhaftet. Der verursachte Schaden an der Ausstellung war gering, aber das Attentat hatte durch seine Öffentlichkeitswirkung eine ungewöhnliche Bedeutung. Er wurde zum Tode verurteilt und am 18. August 1942 hingerichtet, mit ihm auch seine jüdische Genossin und Verlobte Hildegard Jadamowitz. Insgesamt wurden sieben Angehörige der Gruppe Baum und fünf der Gruppe Steinbrinck hingerichtet.

Ehrungen

  • 1981 wurde der „antifaschistischen Widerstandsgruppe“ um Herbert Baum vom Magistrat von Berlin (DDR) ein Gedenkstein gesetzt, der als einen der Angehörigen der Gruppe auch Werner Steinbrinck nennt. Der Bildhauer war Jürgen Raue. Nach der Wende wurden 2000/2001 über die Inschrift „Für immer in Freundschaft mit der Sowjetunion verbunden“ Glasacryltafeln mit umfangreichen „Zusatzinformationen“ gelegt.
  • 1983 wurde die 24. Polytechnische Oberschule in Berlin-Marzahn nach Werner Steinbrinck benannt. Nach der Wende wurde die Namensehrung gelöscht, inzwischen besteht die Schule nicht mehr.
  • 1988 wurde in Berlin-Marzahn, Franz-Stenzer-Straße 41/Zühlsdorfer Straße 20–22 und damit in der Nähe der Schule, eine weiße Marmorstele für Werner Steinbrinck, Hilde Jadamowitz und Herbert Baum errichtet, Bildhauer: Siegfried Wehrmeister.
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Literatur (Auswahl)

  • Margot Pikarski: Jugend im Berliner Widerstand. Berlin (DDR) 1978
  • Klaus Mammach: Widerstand 1939-1945. Geschichte der deutschen antifaschistischen Widerstandsbewegung im Inland und in der Emigration. Berlin (DDR) 1987
  • Horst Taleikis/Wolfgang Teichmann: Aktion Funkausstellung. Berliner Studenten 1934 im antifaschistischen Widerstand. Erinnerungen in der Neufassung von Wolfgang Teichmann. Berlin (DDR) 1988
  • Margot Pikarski, Elke Warning (Hrsg.): Gestapo-Berichte über den antifaschistischen Widerstandskampf der KPD 1933 bis 1945. September 1943 bis Anfang 1945. Berlin (DDR) 1989
  • Karsten Borgmann, Wilfried Löhken, Werner Vathke: Juden im Widerstand. Berlin 1993
  • Annette Leo, Peter Reif-Spirek: Vielstimmiges Schweigen, 2001
  • Regina Scheer: Im Schatten der Sterne. Eine jüdische Widerstandsgruppe. Berlin 2004.
  • Christiane Hoss, Martin Schönfeld (Hrsg.): Gedenktafeln in Berlin. Orte der Erinnerung an Verfolgte des Nationalsozialismus 1991–2001 (= Schriftenreihe des Aktiven Museums, 9), Berlin 2002, ISBN 3-89331-391-5, S. 95f

Einzelnachweise

  1. Gerd Radde, Werner Korthaase, Rudolf Rogler, Udo Gößwald (Hrsg.): Schulreform — Kontinuitäten und Brüche. Das Versuchsfeld Berlin-Neukölln 1912-1945. Opladen 1993, passim.
  2. Doris Mischon-Vosselmann: Das Ende der Karl-Marx-Schule. In: Gerd Radde, Werner Korthaase, Rudolf Rogler, Udo Gößwald (Hrsg.): Schulreform — Kontinuitäten und Brüche. Das Versuchsfeld Berlin-Neukölln 1912–1945. Opladen 1993, S. 346–357, hier: S. 355.
  3. Karl Heinz Jahnke, Ermordet und ausgelöscht: zwölf deutsche Antifaschisten, Freiburg 1995, S. 21.
  4. Heinz Bergschicker, Olaf Groehler: Deutsche Chronik, 1933–1945. Alltag im Faschismus. Westberlin 1983, S. 156.
  5. Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit, Band 14, 1996, S. 209.
  6. Kurt Gossweiler: Die ersten drei Jahre im „Tausendjährigen Reich“, siehe: HP Kurt Gossweiler, kurt-gossweiler.de Auch in: Kurt Pätzold, Erika Schwarz (Hrsg.): Europa vor dem Abgrund – Das Jahr 1935 – Dem Historiker Manfred Weißbecker zum Siebzigsten. Köln, 2005, S. 146–155.
  7. Hanne Hiob: Erkämpft das Menschenrecht, Berlin (DDR) 1958, S. 553.
  8. Germania Judaica, Kölner Bibliothek zur Geschichte des Deutschen Judentums, Folge 27–30, Köln 1969, S. 116.
  9. Jonathan C. Friedman (Hrsg.): The Routledge History of the Holocaust. London / New York 2012, S. 330.
  10. Jonathan C. Friedman (Hrsg.): The Routledge History of the Holocaust. London / New York 2012, S. 330.
  11. 1 2 Soweit nicht anders angegeben: Christina Fischer: Ein vergessener Held. In: junge Welt, 18. Mai 2017, S. 12–13.
  12. Regina Scheer: Im Schatten der Sterne. Eine jüdische Widerstandsgruppe. Berlin 2004, S. 192.
  13. gedenktafeln-in-berlin.de (Memento des Originals vom 5. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis..
  14. Verzeichnis Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf (PDF) Stand September 2017
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