Entstörkondensatoren, auch Funk-Entstörkondensatoren oder Sicherheitskondensatoren genannt, sind elektrische Kondensatoren zur Funkentstörung, beispielsweise in Netzfiltern. Sie leiten hochfrequente Störsignale, hervorgerufen durch das Betreiben elektrischer oder elektronischer Betriebsmittel, gegen Masse bzw. den Schutzleiter oder gegen den Neutralleiter ab oder schließen sie kurz und bewirken damit die Herabsetzung der elektromagnetischen Störungen (EMV).
Entstörung hat zum Ziel, diese Störungen derart herabzusetzen, dass die verbleibenden Störsignale die vorgeschriebenen Grenzen der EMV-Normen EN 61000-6-3 (Wohngebiete) und EN 61000-6-4 (Industrie) nicht überschreiten. Netz-Funkentstörkondensatoren dämpfen darüber hinaus netzseitige Überspannungen (Bursts).
Entstörkondensatoren werden in bedrahteter Ausführung als Keramikkondensatoren, als Metall-Papier-Kondensatoren (MP-Kondensatoren) und auch als metallisierte Kunststoff-Folienkondensatoren mit Polypropylenfolien (MKP-Kondensatoren) und Polyesterfolien (MKT-Kondensatoren, T für (Poly-)Terephthalat) als Dielektrikum angeboten.
Für die Oberflächenmontage gibt es Entstörkondensatoren nur als Keramikkondensatoren (SMD-Bauweise).
Klassifizierung
Zur Abblockung und Bedämpfung von Störsignalen auf Netzzuleitungen von Geräten kommen Funk-Entstörkondensatoren zum Einsatz, die je nach Anforderungsprofil in die Klassen X und Y eingeteilt werden.
Klasse-X-Kondensatoren sind nach IEC 60384-14 elektrische Kondensatoren, die zwischen Phase und Neutralleiter oder zwischen zwei Phasen geschaltet werden. Sie dürfen eine beliebig hohe Kapazität haben. Oft haben sie Werte von 100 nF bis 1 µF. Ihr Ausfall (Kurzschluss, Unterbrechung, innere Zerstörung) darf nicht zu einem gefährdenden elektrischen Schlag oder zu anderen Gefährdungen wie Feuer führen.
Einteilung von Funk-Entstörkondensatoren der Klasse X | |||
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Unterklasse | Anwendung | Impulsspitzenspannung im Betrieb | geforderte Impulsfestigkeit |
X1 | Einsatz bei hohen Spitzenspannungen | 2,5 kV – 4 kV | 4 kV für C ≤ 1 µF |
X2 | Allgemeine Anforderungen | ≤ 2,5 kV | 2,5 kV für C ≤ 1 µF |
X3 | Allgemeine Anforderungen | ≤ 1,2 kV | – |
Klasse-Y-Kondensatoren sind nach IEC 60384-14 Kondensatoren, die zwischen Phase respektive Neutralleiter und berührbarem, schutzgeerdetem Gehäuse angeschlossen werden und somit die Basisisolierung überbrücken. Für Y-Kondensatoren sind nach dieser Norm nur solche Kondensatoren zulässig, die bei begrenzter Kapazität eine erhöhte elektrische und mechanische, überprüfbare Sicherheit aufweisen, da bei ihrer Anwendung im Falle eines Versagens durch Kurzschluss eine Gefährdung von Personen oder Tieren durch elektrischen Schlag auftreten kann.
Einteilung von Funk-Entstörkondensatoren der Klasse Y | |||
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Unterklasse | Art der überbrückten Isolation | Bemessungs- spannungsbereich (Nennspannungsbereich) | geforderte Impulsfestigkeit |
Y1 | Doppelte oder verstärkte Isolation | ≤ 500 VAC | 8 kV |
Y2 | Basis- oder Zusatzisolation | ≥ 150 VAC - ≤ 300 VAC | 5 kV |
Y3 | Basis- oder Zusatzisolation | ≥ 150 VAC - ≤ 250 VAC | – |
Y4 | Basis- oder Zusatzisolation | < 150 VAC | 2,5 kV |
Bauformen
Folgende Formen sind üblich:
- X- oder Y-Kondensatoren als Einzelbauelemente mit zwei Anschlüssen.
- XY-Kondensatoren mit drei Anschlüssen als Kombinationskondensatoren mit X- und Y-Kondensatoren in einem Gehäuse. Diese Kondensatoren werden in einem Arbeitsgang gewickelt. Sie sind intern in Stern- oder in Dreieckschaltung miteinander verbunden.
Die Entstörwirkung von Kondensatoren hängt besonders bei hohen Frequenzen stark von deren Bauweise ab. Daher gibt es auch Sonderbauformen:
- Durchführungskondensatoren mit einem hindurchgeführten Leiter für den Betriebsstrom
- Kondensatoren mit zwei Anschlüssen pro Pol
- Kondensatoren mit Stirnflächenkontaktierung des Wickels und flachen Anschlüssen.
Verwendung
Y-Kondensatoren werden zur Unterdrückung von Gleichtaktstörungen eingesetzt. Das ist die einzige Ausnahme, wo der Schutzleiter zu anderen Zwecken als für Schutzerdung, Potentialausgleich oder Abschirmung genutzt werden darf. Bei einem "Kurzschluss" im Kondensator ist der Außenleiter mit dem Schutzleiter und damit mit dem metallischen Gehäuse des Gerätes verbunden (Körperschluss). Daher gelten höhere Sicherheitsstandards als bei X-Kondensatoren, die bei Versagen lediglich einen Kurzschluss auslösen.
X-Kondensatoren werden zur Unterdrückung von Gegentaktstörungen eingesetzt.
X- und Y-Kondensatoren werden in Geräten zur Verbesserung der Störimmunität und der Verringerung der Störaussendung eingesetzt. Dazu zählen im Besonderen z. B.
- Kommutatormotoren und Geräte, die solche enthalten (Staubsauger, Bohrmaschinen, Waschmaschinen usw.)
- Schaltnetzteile und Geräte, die solche enthalten (PC, TV, Monitore)
- Phasenanschnitt-Steuerungen (Dimmer, Leistungssteller mit Thyristoren oder Triac)
- elektronische Vorschaltgeräte und Netzspannungs-Betriebsgeräte für Leuchtdioden.
Sicherheit
Um die Schutzfunktion des Schutzleiters nicht zu gefährden sowie wegen des Betriebes direkt am niederohmigen Netz werden an X- und Y-Kondensatoren erhöhte Schutzanforderungen gestellt, die im Staatsauftrag in Deutschland vom VDE und in den übrigen europäischen Ländern von den jeweiligen Landesorganisationen geprüft und zertifiziert werden. Die freigegebenen Kondensatoren durften damit in der Vergangenheit mit den jeweiligen Logos wie z. B. VDE, SEMKO, DEMKO, NEMKO usw. versehen werden. Im Rahmen der Harmonisierung der europäischen Standards einigten sich die Länder der Europäischen Union im Jahre 2000 darauf, die länderspezifischen Sicherheitsvorschriften und deren Zertifikate gegenseitig anzuerkennen und ein gemeinsames Logo (ENEC) zu benutzen. Trotzdem findet man auch auf neueren Entstörkondensatoren, sofern Platz vorhanden ist, weiterhin zum Teil noch viele unterschiedliche Logos, weil in vielen Staaten des amerikanischen Kontinents die Kondensatoren von den Underwriters Laboratories, kurz UL, zertifiziert werden und auch Kanada und weitere nicht-europäische Länder ihre eigenen Zertifizierungsstellen mit ihren Logos haben.
Die speziellen Schutzanforderungen an die Kondensatoren sind erhöhte Spannungsfestigkeit und hohes Impuls-Stoßbelastungsvermögen. X1-Kondensatoren halten einem Spannungspuls von 4000 V stand, X2- von 2500 V und Y-Kondensatoren dem doppelten Spannungspuls. Außerdem dürfen diese Kondensatoren nach UL bei einer Zerstörung keine Stichflamme emittieren und kein leitendes Material absondern, das an anderer Stelle Kurzschlüsse auslösen könnte. Nichtleitende Teile dürfen nur mit geringer Beschleunigung (keine Explosion) abplatzen.
Bis etwa zum Jahr 1990 konnten nur Keramikkondensatoren und spezielle Papier-Kondensatoren die erhöhten Sicherheitsstandards für X- und Y-Kondensatoren erfüllen. Die MP-Kondensatoren gelten wegen des harzdurchtränkbaren Papiers bis heute als eine sichere Lösung, weil die vorgeschriebenen Belastungstests den Kondensator höchstens aufblähen. Die Zerstörung findet immer innerhalb der Umhüllung statt. Der industrielle Druck zur Kostenreduzierung führte ab 1990 zur Entwicklung spezieller Kunststoff-Folienkondensatoren (MKP- und MKT-Kondensatoren). Deren Sicherheit ist heutzutage ebenfalls gegeben und sie besitzen, sofern sie zertifiziert sind, die entsprechenden Zulassungen. Im Gegensatz zu den speziellen Papierkondensatoren wird hier aber das Gehäuse des Kondensators bei der Belastungsprobe fast immer zerstört, womit Sauerstoff an die unter Netzspannung stehende Schadstelle gelangen kann. Die seit der Existenz solcher Sicherheitskondensatoren geübte strenge Interpretation der Vorschriften wurde also zugunsten einer Kostenreduzierung aufgeweicht, weshalb Kunststoff-Folienkondensatoren für diese Anwendung nicht unumstritten sind.
Im Rahmen der Miniaturisierung in der Industrie gewinnen die oberflächenmontierbaren SMD-Bauformen eine immer größere Bedeutung. Das gilt auch für Entstörkondensatoren. Da bislang weder MP- noch MKP- bzw. MKT-Entstörkondensatoren in SMD-Bauform angeboten werden, gewinnen SMD-Keramik-Entstörkondensatoren an Bedeutung. Auch hier wird der ursprünglich strengere Sicherheitsaspekt zugunsten einer Kostenreduzierung aufgeweicht, da es derzeit keine Keramikkondensatoren mit einer ENEC- oder UL-Zulassung gibt.
Normung
Die Bedingungen für die Prüfungen und Messungen der elektrischen und mechanischen Parameter zur Zulassung der Funk-Entstörkondensatoren im europäischen Bereich (ENEC) sind festgelegt in der Norm DIN IEC 60384-14.
Geschichte
In den 1950er Jahren wurden Entstörkondensatoren nach VDE 0870 geprüft. In den 1970er Jahren gab es nur eine Klasse X und eine Klasse Y als spezielle Kategorien für Entstörkondensatoren. Für die Klasse X galten die Bestimmungen der VDE 0560-7, wobei die Klasse Y auch die Anforderungen der VDE 0560 Teil 7/11.67 erreichen musste. Die damalige Klasse X entspricht der heutigen Klasse X2.
Literatur
- Hans Loth [Roederstein]: Filmkondensatoren. Die Bibliothek der Technik, Verlag moderne Industrie, ISBN 3-478-93046-4
- DIN EN 60940 (VDE 0565) Leitfaden für die Anwendung von Kondensatoren, Widerständen, Drosseln und vollständigen Filtereinheiten zur Unterdrückung elektromagnetischer Störungen. 11/2015, vde-verlag.de
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ „Safety Recognized“ Keramikkondensatoren der Firma Murata (PDF; 1,7 MB)
- ↑ Studie der Firma WIMA zur Entflammbarkeit von Funk-Entstörkondensatoren (Memento vom 28. Februar 2007 im Internet Archive) abgerufen am 19. November 2019.
- ↑ VEB Keramische Werke Helmsdorf: "Hochfrequenz Kondensatoren." Hermsdorf-Klosterlausnitz 1959.
- ↑ Components, materials and assemblies. Capacitors Resistors (= Mullard [Hrsg.]: Mullard technical handbook. Band 1, Nr. 3). Burrup, Mathieson & Co, England 1981, S. B-330–1 und C-660–1 (englisch, Online [abgerufen am 16. Januar 2017]).