Die Geburtszange (lateinisch forcepsZange“) ist ein bei Geburtskomplikationen eingesetztes geburtshilfliches Instrument zum Fassen und Herausziehen des Kindes über die Scheide. Die damit erfolgende Beendigung der Geburt wird Zangengeburt genannt. Ihr liegt das physikalische Prinzip des Hebelgesetzes zugrunde, wonach die an den Enden der Geburtszange wirkende Haltekraft kleiner ist als die aufgebrachte Handkraft durch den Faustschluss. Einen wesentlichen Fortschritt aber brachte erst die Entwicklung einer mit zwei in einem Gelenk gekreuzten Schenkeln ausgestatteten Geburtszange. Durch diese übt die auf den langen Schenkel wirkende Handkraft (Faustschluss) bei einem entsprechenden Hebelverhältnis durch die Backen auf der gegenüberliegenden Seite des Drehpunktes eine weitaus größere Kraft auf den kindlichen Kopf aus als dies bei der einfachen Geburtszange möglich wäre.

Instrumentarium

Eine Geburtszange besteht aus zwei gleichen Metallteilen (Blättern). Jedes Blatt besteht aus dem Löffel, der den kindlichen Kopf umfasst, dem Halsteil, an dem sich der Zangenverschluss befindet, und dem Griff der Zange, der durch einen seitlich eingesetzten Zughaken beim Ziehen einen festen Halt bietet.

Indikation

Gründe für eine Zangenentbindung sind die kindliche Hypoxie, die Erschöpfung der Gebärenden oder kombinierte Indikationen. Wichtige Voraussetzungen für die Durchführung der Zangenentbindung sind, dass der Kopf des Kindes mindestens die Beckenmitte erreicht hat und der Ausschluss eines Missverhältnisses zwischen mütterlichem Becken und kindlichem Kopf. Alternativ kommt in dieser Situation die Saugglocke zum Einsatz.

Der Vorteil der Zange gegenüber der Saugglocke ist die Möglichkeit einer Rotation des Kopfes.

Technik

Der Kopf des Kindes wird mit den beiden Zangenlöffeln umfasst. Der Sitz der Zange wird kontrolliert und mit einem Probezug überprüft, ob der Kopf dem Zug folgt. In mehreren wehensynchronen Traktionen erfolgt die Entwicklung des kindlichen Kopfes. Die Extraktion kann durch den Kristeller-Handgriff unterstützt werden. Die Anwendung der Zange erfordert vom ärztlichen Geburtshelfer Erfahrung und Geschick.

Komplikationen

Beim Kind kann es durch den Druck der Löffel zu Abschürfungen und Hämatomen der Haut und periorbitalen Gewebe sowie zeitweiligen oder dauerhaften Lähmungen des Gesichtsnervs kommen.

Mögliche mütterliche Verletzungen sind Damm-, Scheiden- und Gebärmutterhalsrisse (Zervixrisse). Ferner treten Verletzungen des Musculus levator ani auf (der aus mehreren Komponenten besteht, die gemeinsam den Beckenboden formen, Heber des Afters: Eine Muskelplatte, die das Becken nach unten hin abschließt), wobei Abrisse des Muskels von der Innenseite des Schambeins nicht selten beidseits beschrieben werden. Eine norwegische Studie kommt nach Befragung von mehr als 3.000 Frauen im Abstand von 15 bis 23 Jahren nach der Geburt ihres ersten Kindes zu dem Schluss, dass der Kaiserschnitt in Bezug auf Beckenboden-Probleme am schonendsten sei. Vaginale Geburten würden den Beckenboden deutlich mehr belasten, am meisten jedoch instrumentelle Entbindungen mit Saugglocke und insbesondere mit Zange.

Geschichte

Die Entwicklung der ersten Geburtszange im 17. Jahrhundert wird Peter Chamberlen (1560–1631), Peter the Elder, einem aus Frankreich nach England emigrierten hugenottischen Geburtshelfer, Gynäkologen und Chirurgen zugesprochen, obgleich die Idee zu dieser von der englischen Chirurgenfamilie Chamberlen als geheimgehaltenen Geburtszange und ähnlichen Instrumenten damals von mehreren frühneuzeitlichen Geburtshelfern in Betracht gezogen wurde.

So wurde ein ähnliches Instrument von dem flämischen Chirurgen und Geburtshelfer Jan Palfijn (1650–1730) entwickelt. Er stellte 1723 der Académie des sciences in Paris einen Prototyp les mains de Palfyn vor. Der Engländer William Smellie, ein exzellenter Geburtshelfer und guter Beobachter des Geburtsmechanismus, entwickelte ein anderes anerkanntes Modell. Seine kleine ungekrümmte Zange mit Fugenschloss, bei der er das Modell mit Beckenkrümmung von André Levret aus Frankreich weiterentwickelte, fand große Verbreitung. Auch der schottische Medizinprofessor John Aitken († 1790) trug als Erfinder zur Verbesserung der Geburtszange bei. Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte Hermann Joseph Brünninghausen (1761–1834) als Assistenzarzt im Juliusspital die Geburtszange mit dem sogenannten deutschen Schloss. Ein weiteres Zangenmodell stellte 1916 Christian Kjelland (1871–1941) vor.

Statistik

Entbindungen in deutschen Krankenhäusern
JahrEntbindende
Frauen
davon durch
Zangengeburt
Anteil
1994757.69317.4532,3 %
1995749.08616.3972,2 %
1996778.90016.6342,2 %
1997795.72415.8612,0 %
1998766.50814.5251,9 %
1999750.61710.5201,4 %
2000746.62512.1391,6 %
2001715.13610.0711,4 %
2002698.4109.3661,3 %
2003687.5087.4821,1 %
2004682.7677.1421,1 %
2005664.5975.8090,9 %
2006652.6425.1480,8 %
2007664.4544.8770,7 %
2008662.7834.5280,7 %
2009644.2744.2470,7 %
2010656.3903.7970,6 %
2011642.1973.4200,5 %
2012653.2153.0370,5 %
2013 661.138 3.324 0,5 %
2014 692.794 3.026 0,4 %
2015 716.539 2.889 0,4 %
2016 761.777 2.670 0,4 %
2017 762.343 2.538 0,3 %

Literatur

  • Schneider, Husslein: Die Geburtshilfe. Springer Verlag, ISBN 3-540-64762-7.
  • Zahedi, Nasser: Entwicklungsgeschichte der Geburtszange. Lehmanns (2003)
  • Vilhelm Møller-Christensen: The history of the forceps. Medizinische Dissertation, Kopenhagen 1938.
  • Peter Schneck: Geburtszange. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 464 f.
  • H. Bradtmöller: Die Geschichte der geburtshilflichen Zangen und Hebel. Göttingen 1935.

Einzelnachweise

  1. Zangen und andere Hilfsmittel: Eine Geburt ist nichts für grobe Handwerker. FAZ vom 6. April 2015.
  2. I. Volløyhaug, S. Mørkved u. a.: Pelvic organ prolapse and incontinence 15-23years after first delivery: a cross-sectional study. In: BJOG: An International Journal of Obstetrics & Gynaecology. 2015, S. n/a, doi:10.1111/1471-0528.13322.
  3. Peter M Dunn: The Chamberlen family (1560–1728) and obstetric forceps. (Memento des Originals vom 6. September 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed, 1999, 81, S. F232–F235.
  4. Werner E. Gerabek: Chamberlen. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 237.
  5. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 28.
  6. Hibbard, Bryan: Milestones in the evolution of obstetric forceps. (PDF) S. 43 (PDF; 523 kB).
  7. Werner E. Gerabek: Aitken, John. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 22.
  8. H. J. Brünninghausen ueber eine neue von ihm erfundene Geburtszange. Stahel, Würzburg 1802.
  9. Robert Herrlinger: Die Erfindung der deutschen Geburtszange. In: Ärztliche Praxis. 15. August 1953.
  10. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 60.
  11. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 44.
  12. Entbindungen in Krankenhäusern (Anzahl und in Prozent). Gliederungsmerkmale: Jahre, Region, Art der Entbindung. Gesundheitsberichterstattung des Bundes, abgerufen am 8. Januar 2020.

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