Zwillinge (Twins)
Marianne von Werefkin, 1909
Tempera auf Karton
27,5× 36,5cm
Fondazione Marianne Werefkin, Museo comunale d’arte, Ascona

Zwillinge ist der Titel eines Gemäldes, das die russische Künstlerin Marianne von Werefkin 1909 malte. Das Werk gehört zum Bestand der Fondazione Marianne Werefkin (FMW) in Ascona. Es trägt dort die Inventar-Nummer FMW-0-0-13. Die zugehörige Skizze, eine bunte Gouache, befindet sich im 1909 datierten Skizzenbuch der FMW.

Technik, Maße und Beschriftung

Es handelt sich um eine Temperamalerei auf Karton, 27,5 × 36,5 cm. Auf der Rückseite befindet sich ein Etikett mit der Beschriftung: „Moderne Galerie Thannhauser, München Theatinerstr. 7“.

Ikonografie und Ikonologie

Als mächtige Bildelemente bestimmen zwei Frauen in Trauerkleidung die Szenerie des Gemäldes. Mehr als die Hälfte der Bildfläche nehmen sie in Anspruch. Auf ihrem Schoß halten sie je einen Säugling im Taufkleid in den Händen. Die symbolische Bedeutung der Farben Schwarz und Weiß enthalten eine Botschaft des Gemäldes. Hart und vielsagend treffen die beiden „Nichtfarben“ aufeinander. Die übrigen Farben scheinen dagegen keine wichtige Funktion zur Bilddeutung zu haben.

Eine Interpretation von Kandinsky in seinem Buch „Über das Geistige in der Kunst“, das er 1911 schrieb, kann den Sinn von Werefkins „Zwillingen“ erhellen, wo er passend erklärt: „Nicht umsonst wurde Weiß als reiner Freude Gewand gewählt und unbefleckter Reinheit. Und Schwarz als Gewand der größten, tiefsten Trauer und als Symbol des Todes.“

Werefkins Bild „Zwillinge“ ist zweifelsfrei formal eine Reaktion auf das Gemälde „Das Erbe“ von Edvard Munch zurückzuführen, das er in den Jahren 1897–1899 malte. Zusammen mit einem Arzt hatte er in Paris das Krankenhaus Saint-Louis besucht und dort eine in Tränen aufgelöste Mutter mit ihrem Kind kennengelernt, das von einer schweren Krankheit befallen war. Von der Begegnung war er so erschüttert, dass er die Frau mit dem nackten Kind auf dem Schoß in Öl auf einer Bildleinwand darstellte.

Aus einem Brief, den Munch an seinen Mäzen Max Linde schrieb, erfährt man die traurige Wahrheit, dass das Neugeborene an Syphilis litt. Im Bild konfrontiert Munch den Betrachter schonungslos mit dem von Pusteln entstellten, schmächtigen Kinderkörper. Werefkin, die sich mehrfach an Munchs Arbeiten orientierte, muss von dem Gemälde „Das Erbe“ außerordentlich betroffen gewesen sein, dass sie es als Anregung zu eigenem Gestalten verwendete. Es gehört zu ihren mehreren rätselhaften Bildern, die nur schwer zu entziffern sind.

Literatur

  • Clemens Weiler: Marianne Werefkin 1860–1938. Ausst. Kat.: Städtisches Museum Wiesbaden 1958
  • Bernd Fäthke: Marianne Werefkin, Leben und Werk. München 1988, S. 93 f, Abb. 130–132
  • Bernd Fäthke: Marianne Werefkin. München 2001, S. 125 ff, Abb. 129, ISBN 3-7774-9040-7
  • Bernd Fäthke: Marianne Werefkin: Clemens Weiler’s Legacy. In: Marianne Werefkin and the Women Artists in her Circle. (Tanja Malycheva und Isabel Wünsche Hrsg.), Leiden/Boston 2016 (englisch), S. 8–19, ISBN 978-90-04-32897-6, S. 8–19, hier S. 14–19; JSTOR:10.1163/j.ctt1w8h0q1.7

Einzelnachweise

  1. Inv. Nr. a22.
  2. Wassily Kandinsky: Über das Geistige in der Kunst, insbesondere in der Malerei: München 1912, (1. Auflage), (Die Erstauflage erschien Ende 1911 bei Piper in München mit Impressum 1912), S. 80, Anm. 1.
  3. Wassily Kandinsky: Über das Geistige in der Kunst, insbesondere in der Malerei: München 1912, (1. Auflage), (Die Erstauflage erschien Ende 1911 bei Piper in München mit Impressum 1912), S. 81.
  4. Johan H. Langaard und Reidar Revold: Edvard Munch. Stuttgart 1963, S. 21.
  5. Arne Eggum: Edvard Munchs neue Farbigkeit und der Fauvismus. In: Munch in Frankreich. Schirn Kunsthalle Frankfurt, 1992, S. 297.
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