abc-Vermutung
Die abc-Vermutung ist eine 1985 von Joseph Oesterlé und David Masser aufgestellte mathematische Vermutung. Dabei geht es um den gemeinsamen Inhalt an Primfaktoren von Tripeln zueinander teilerfremder natürlicher Zahlen, bei denen die dritte die Summe der beiden anderen ist. Sie beschreibt in präziser Form das Phänomen, dass das Produkt aller in einem solchen Tripel auftretenden verschiedenen Primfaktoren generell nicht oder nur unwesentlich kleiner als die größte Zahl des Tripels ist. Der additive Zusammenhang eines Tripels erzwingt demnach eine starke Einschränkung für die multiplikative Struktur der Tripel-Zahlen.
Heuristisch beruht die abc-Vermutung darauf, dass natürliche Zahlen mit zahlenmäßig vielen mehrfach auftretenden Primfaktoren – sogenannte hochpotente oder auch „reiche“ Zahlen – vergleichsweise selten vorkommen. In Anlehnung an eine Definition von Barry Mazur kann eine natürliche Zahl als multiplikativ hochpotent bezeichnet werden, wenn ihre Binärdarstellung wesentlich länger ist als die Binärdarstellung ihres größten quadratfreien Teilers, also des Produktes aller enthaltenen verschiedenen Primfaktoren. Dann besagt die abc-Vermutung für zwei teilerfremde hochpotente Zahlen und , dass weder ihre Summe noch ihre Differenz hochpotent sein kann, eventuell mit Ausnahmen, wenn klein ist.
Die Vermutung ist bisher weder bewiesen noch widerlegt, sie gilt aber wegen ihrer Schwierigkeit, und mehr noch wegen ihrer Bedeutung, als prominenter Nachfolger der gelösten Fermatschen Vermutung (neuer „Heiliger Gral“). Dorian Goldfeld bezeichnete sie sogar als wichtigstes ungelöstes Problem der diophantischen Analysis. Es ist bereits eine Vielzahl weitreichender zahlentheoretischer Aussagen bekannt, die aus der Gültigkeit der abc-Vermutung folgen würden.