Polarität (Virologie)
Die Polarität einer Nukleinsäure beschreibt in der Virologie das Verhältnis eines einzelsträngigen viralen Genoms zur Leserichtung der späteren messenger-RNA (mRNA), die sich von diesem Genom ableitet. Allgemein gilt, dass eine Nukleinsäure, die in 5'→3'-Richtung (der Leserichtung der Ribosomen bei der Translation) die korrekte Abfolge der Basentripletts für das spätere Protein besitzt, als positiv-strängig oder sense („sinnig“) bezeichnet wird. Bei einer einzelsträngigen (ss, single-stranded) RNA und einer einzelsträngigen DNA mit positiver Polarität entspricht die Basenfolge in 5'→3'-Richtung der späteren mRNA. Bei einer ssRNA und einer ssDNA mit negativer Polarität ist das Genom jeweils komplementär zur mRNA. Die Unterscheidung der Polarität von Nukleinsäuren ergibt sich aus der Tatsache, dass bei einer doppelsträngigen (ds, double-stranded) Nukleinsäure (dsRNA oder dsDNA) jeweils nur ein Strang der Transkription der mRNA dient, hingegen der zweite Strang nur komplementär, wie spiegelverkehrt auf dem Kopf stehend, die genetische Information wiedergibt.
Bei Viren unterscheidet man drei Arten der Polarität des Genoms: die (+)-Polarität (sense), die (−)-Polarität (antisense) und das Vorkommen von (+)- und (−)-Polarität auf ein und demselben Strang (ambisense). Diese Unterscheidung spiegelt verschiedene Replikationsstrategien von Viren wider und ist daher für die Klassifikation von Viren von großer Bedeutung. Auch die Mitglieder von Verwandtschaftsgruppen von Viren haben meist ein und dieselbe Polarität. In dem Maße, in dem mit der Abgrenzung von Verwandtschaftsgruppen höherer taxonomischer Ränge (von Ordnung aufwärts) zunehmend auch Viren verschiedener Polarität zusammengefasst werden, hat die Bedeutung für die taxonomische Einteilung jedoch in der letzten Zeit abgenommen.