Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine Störung der neuronalen Entwicklung. ADHS äußert sich durch Probleme mit Aufmerksamkeit, Impulsivität und Selbstregulation; manchmal kommt zusätzlich starke körperliche Unruhe (Hyperaktivität) hinzu.
Klassifikation nach ICD-10 | |
---|---|
F90.– | Hyperkinetische Störungen |
F90.0 | Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung |
F90.1 | Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens |
F90.8 | Sonstige hyperkinetische Störungen |
F90.9 | Hyperkinetische Störung, nicht näher bezeichnet |
F98.– | Andere Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend |
F98.8 | Sonstige näher bezeichnete Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend – Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Die Störung wurde früher als reines Verhaltensproblem gesehen, während sie heute zunehmend als komplexe Entwicklungsverzögerung des Selbstmanagement-Systems im Gehirn verstanden wird. ADHS kann dabei auch als ein Extremverhalten aufgefasst werden, das einen fließenden Übergang zur Normalität zeigt. Eine ADHS-Diagnose erfordert daher, dass die Auffälligkeiten sehr stark ausgeprägt und in den meisten Situationen beständig seit der Kindheit vorhanden sind. Symptome allein haben jedoch keinen Krankheitswert: Erst wenn diese zusätzlich stark die Lebensführung beeinträchtigen oder zu erkennbarem Leiden führen, ist eine ADHS-Diagnose gerechtfertigt.
Die weltweite Häufigkeit der ADHS unter Kindern und Jugendlichen wird mit etwa 5,3 % beziffert. Die Häufigkeit von ADHS in Deutschland liegt bei ca. 4,4 %. Sie gilt heute als häufigste psychiatrische Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen. Jungen werden merklich häufiger diagnostiziert als Mädchen. Verlaufsstudien haben gezeigt, dass bei 40 bis 80 % der diagnostizierten Kinder die Störung auch in der Adoleszenz fortbesteht. Im Erwachsenenalter schließlich ist mindestens in einem Drittel der Fälle noch eine beeinträchtigende ADHS-Symptomatik nachweisbar (siehe ADHS bei Erwachsenen).
Für die Entstehung von ADHS werden mehrere miteinander wechselwirkende Faktoren verantwortlich gemacht, welche einen Einfluss auf die Hirnentwicklung haben. Dabei spielen vor allem genetische Veranlagungen und frühe, auch vorgeburtliche Umwelteinflüsse eine entscheidende Rolle.
Je nach Person kann die Störung jedoch sehr unterschiedliche Folgen haben. Meist stehen Betroffene und ihre Angehörigen unter erheblichem Druck: Misserfolge in Schule oder Beruf, ungeplante frühe Schwangerschaften, Drogenkonsum und die Entwicklung weiterer psychischer Störungen wurden oft beobachtet. Dazu kommt ein deutlich erhöhtes Risiko für Suizide, Unfälle und unabsichtliche Verletzungen. Diese allgemeinen Risiken müssen jedoch nicht in jedem Einzelfall relevant sein. Die Behandlung richtet sich daher nach dem Schweregrad, dem Leidensdruck, den jeweiligen Symptomen und Problemen sowie dem Alter der betroffenen Person.
Forschungen zur Ursachenaufklärung und Therapieverbesserung laufen seit Jahrzehnten. Heute (Stand 2022) sind die Vorteile einer individuell angepassten Behandlung geklärt; ebenso wie die Nachteile einer versäumten oder fehlerhaften Behandlung. Anzeichen für eine langfristige Erholung veränderter Gehirnfunktionen durch angemessene (pharmakologische) Behandlung sind bereits vielfach mit modernen bildgebenden Verfahren nachgewiesen worden.