Bellsche Ungleichung
Die Bellsche Ungleichung (englisch Bell’s Theorem) ist eine Ungleichung zwischen verschiedenen Korrelationen von Messergebnissen. Im Bereich der Klassischen Physik wird sie zwingend erfüllt, bei manchen verschränkten Quantensystemen aber verletzt. Die Verletzung der Ungleichung konnte in Experimenten gezeigt werden. Dadurch ist nachgewiesen, dass die Quantenphysik nicht durch eine sogenannte lokal-realistische Theorie wie die klassische Physik beschrieben werden kann.
Die Ungleichung wurde 1964 von dem theoretischen Physiker John Stewart Bell aufgestellt, um die von Albert Einstein vertretene Form des wissenschaftlichen Realismus zu prüfen, wonach bei jedem physikalischen System die Eigenschaften klar festgelegt sind, unabhängig davon, was menschliche Beobachter über sie wissen oder denken.
Einstein hatte 1935 zusammen mit Boris Podolsky und Nathan Rosen das EPR-Paradoxon publiziert und daraus geschlossen, dass die Quantenmechanik offenbar unvollständig sei. Denn in einer vollständigen physikalischen Beschreibung müsse es möglich sein, den Teilchen in jedem Zustand individuelle Eigenschaften zuzuschreiben, die ihr Verhalten steuern und damit zum Beispiel auch bei Messungen den quantenmechanischen Zufall vortäuschen.
Bell zeigte 1964 theoretisch allgemein, dass in Experimenten an Teilchenpaaren die Korrelationen zwischen den Messergebnissen durch eine universelle Ungleichung beschränkt sein müssen, falls zusätzlich zum Einsteinschen Realismus die Lokalität gilt, nach der Signale (jede Art von Information und Kausalität) sich zwischen den Teilchen maximal mit Lichtgeschwindigkeit fortpflanzen können. Die Gültigkeit beider Annahmen zusammengenommen ist in der klassischen Physik immer gegeben und wird als lokaler Realismus bezeichnet. Da die Quantenmechanik aber für Teilchenpaare in bestimmten verschränkten Zuständen die Verletzung der Bellschen Ungleichung voraussagt, bietet sich die Möglichkeit, die allgemeine Gültigkeit des lokalen Realismus experimentell zu überprüfen.
Was Bell als Gedankenexperiment beschrieben hatte, konnte ab 1972 in echten Experimenten durchgeführt werden, zuerst in angenäherter Form durch Stuart Freedman und John Clauser. Zahlreiche weitere Experimente an verschränkten Teilchenpaaren, die die idealen, von Bells Theorem verlangten Bedingungen immer vollständiger erfüllten, haben seither in jedem Fall die Verletzung der Ungleichung nachgewiesen und die Vorhersagen der Quantenmechanik bestätigt. Für diese Arbeiten erhielten Alain Aspect, John Clauser und Anton Zeilinger im Jahr 2022 den Physiknobelpreis.
Aufgrund der Ergebnisse der Experimente gilt Einsteins Konzept des lokalen Realismus heute als widerlegt. Mindestens eines der beiden Prinzipien von Lokalität und Realismus kann nicht allgemein gelten, denn verschränkte Teilchenpaare können ein Gegenbeispiel bilden.