Demokratieverdrossenheit
Der Begriff Demokratieverdrossenheit bezeichnet in einem engeren Begriffsverständnis, wie auch der zumeist synonym verwendete Begriff Demokratieverdruss, eine grundsätzliche Unzufriedenheit von Bürgern einer parlamentarischen Demokratie mit dem politischen System des betreffenden Staates. Ein in diesem Sinn Demokratieverdrossener ist nicht bloß mit der aktuellen Politik (Politikverdrossenheit) sowie den Personen (Politikerverdrossenheit) und den Parteien (Parteienverdrossenheit) unzufrieden, die für die nach Ansicht des Verdrossenen „falsche“ Politik verantwortlich seien, sondern mit dem Prinzip der repräsentativen Demokratie als solcher. Damit stellen sich in Deutschland Demokratieverdrossene in Gegensatz zu Art. 79 Abs. 3 GG, demzufolge die Demokratie zu den Strukturprinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gehört, die nicht durch Abstimmung (auch mit einer 100-Prozent-Mehrheit) wesentlich geändert oder abgeschafft werden dürfen.
Von Demokratieverdrossenheit ist in einem weiteren Begriffsverständnis auch dann die Rede, wenn davon Betroffene bezweifeln, dass die in der Verfassung normierten Aussagen in der Praxis der Politik und der Rechtsanwendung (konsequent) umgesetzt werden bzw. umgesetzt werden können. Als Beleg für diese Annahme wird vor allem angeführt, dass die Leerstelle des Art. 20 Abs. 2 GG, wonach es auch auf Bundesebene Abstimmungen geben kann, seit 1949 nur durch den Art. 29 Abs. 2 GG konkretisiert worden sei, der für Fälle einer Neugliederung des Bundesgebiets ein obligatorisches Referendum vorschreibt.