Ergenekon-Prozess
Der Ergenekon-Prozess war ein sechseinhalbjähriger Mammutprozess (Anfang 2007 bis Mitte 2013) in der Türkei, in dem hunderte (Ex-)Militärs, Juristen, Geschäftsleute, Politiker und Journalisten als mutmaßliche Mitglieder einer angeblichen Verschwörergruppe verhaftet und am 5. August 2013 zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden. Diese nationalistische Untergrundorganisation namens Ergenekon sollte einen wichtigen Bestandteil des so genannten „tiefen Staates“ darstellen und angeblich ab 2003 durch Terror und Desinformation den Sturz der islamisch geprägten Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan betrieben haben. Aufgrund der Tragweite der Ermittlungen, bei denen sogar der ehemalige Generalstabschef verhaftet wurde, wurde er von der Presse als „Jahrhundertprozess“ tituliert, dessen Verlauf die türkische Öffentlichkeit und Medienwelt nahezu ein Jahrzehnt beschäftigte.
Am 21. April 2016 wurde das Urteil durch den Yargıtay, das oberste türkische Gericht, aufgrund fabrizierter, mangelnder und rechtswidrig beschaffter Beweise kassiert. Das Verfahren wird zusammen mit vielen anderen parallelen Prozessen (z. B. Balyoz-Prozess, Oda-TV-Prozess) als Schauprozess zur Bekämpfung von meist säkularen Persönlichkeiten und dem Machtausbau gewertet. Die freigesprochenen Angeklagten beschuldigen sowohl die Gülen-Bewegung als auch den damaligen Ministerpräsidenten Erdoğan, Drahtzieher des Verfahrens zu sein.