Evolutionäre Psychologie
Die evolutionäre Psychologie (auch Evolutionspsychologie) ist ein Forschungszweig der Psychologie. Er versucht, das Erleben und Verhalten des Menschen mit Erkenntnissen über die Evolution zu erklären. Grundannahme und -logik der evolutionären Psychologie lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Jeder direkte Vorfahre eines jeden Menschen hat zwingend lange genug überlebt, um mindestens einen Nachkommen zu zeugen. Dafür nützliche Verhaltenspräferenzen der Vorfahren (z. B. Nahrungsvorlieben, Partnerwahl) müssen demnach alle heute lebenden Menschen als Verhaltenspotentiale in sich tragen, basierend auf sog. evolvierten, jedoch umweltsensitiven, psychologischen Mechanismen, sofern Verhalten auch unter genetischem Einfluss steht. Letzteres wird auf Basis u. a. der empirischen Forschungsergebnisse der Verhaltensgenetik als evident angesehen.
Im Gegensatz zu Disziplinen wie etwa der Sozialpsychologie, Lernpsychologie und Kognitionspsychologie hat die evolutionäre Psychologie den Anspruch, auf jedes Teilgebiet der Psychologie anwendbar zu sein. In der evolutionären Psychologie spielen klassische psychologische Daten weiterhin eine große Rolle, jedoch werden diese durch Erkenntnisse über die Stammesgeschichte des Menschen, Jäger-und-Sammler-Studien oder ökonomische Modelle ergänzt.
Trotz ihres großen Erfolges ist die evolutionäre Psychologie teils umstritten. Zum einen wird aus wissenschaftstheoretischer Sicht häufig die evolutionspsychologische Methode kritisiert: Stephen Jay Gould kritisiert etwa, dass Annahmen über die evolutionäre Bildung kognitiver Mechanismen häufig nicht mehr als plausibel klingende Geschichten seien, die sich nicht im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung bestätigen oder widerlegen ließen. Zum anderen stehen insbesondere populärwissenschaftliche Erörterungen des Themas häufig in der Kritik: So würden etwa Unterschiede im geschlechtsspezifischen Verhalten angeblich auf vereinfachende Weise (reduktionistisch) auf angeborene, biologische Merkmale zurückgeführt. Vor allem klassische milieutheoretisch ausgerichtete Sozialwissenschaftler fühlen sich von der evolutionären Psychologie bedroht.
Evolutionäre Psychologen entgegnen u. a., dass diese Kritik weniger wissenschaftlich als vielmehr politisch motiviert sei und auf zahlreichen Missverständnissen sowie auf dem moralistischen Fehlschluss beruhe.