Flüssigsalzreaktor
Flüssigsalzreaktoren (englisch molten salt reactor, MSR) oder Salzschmelzenreaktoren sind Kernreaktoren, in denen der Kernbrennstoff in Form geschmolzenen Salzes vorliegt (beispielsweise Uranchlorid). Bei diesem Reaktortyp ist der Kernbrennstoff in flüssiger Form gleichmäßig im Primärkreislauf des Reaktors verteilt, eine Kernschmelze im klassischen Sinne ist damit ausgeschlossen – der Kern liegt stets im gewollt geschmolzenen Zustand vor. Flüssigsalzreaktoren lassen sich mit Moderator und thermischen Neutronen oder ohne Moderator mit schnellen Neutronen auslegen, in beiden Fällen ist auch ein Betrieb als Brutreaktor möglich. Flüssigsalzreaktoren ermöglichen eine Auslegung mit einem stark negativen Temperaturkoeffizienten, was eine Leistungsexkursion wie beispielsweise bei der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl physikalisch unmöglich macht.
Flüssigsalzreaktoren arbeiten bei Atmosphärendruck und nicht, wie Druckwasserreaktoren oder Siedewasserreaktoren, bei Drücken von 50 bis 150 bar, weshalb eine Dampfexplosion im Bereich des Reaktorkerns nicht möglich ist.
Das Entfernen neutronenabsorbierender Spaltprodukte aus dem Reaktor im laufenden Betrieb führt zu einer besseren Neutronenausbeute. Dadurch kann ein Flüssigsalzreaktor theoretisch auch als Brutreaktor betrieben werden und so, einmal mit einer geringen Menge Spaltmaterial wie 235Uran oder 239Plutonium in Gang gesetzt, ausschließlich mit nicht spaltbaren Nukliden (zum Beispiel 232Thorium) als Brutmaterial gespeist werden. Im Englischen wird dieses Konzept auch liquid fluoride thorium reactor (LFTR), gesprochen Lifter, genannt.
Da Flüssigsalzreaktoren mit einer permanenten Wiederaufbereitung arbeiten, ist es im Prinzip möglich, waffenfähige Spaltstoffe aus dem Prozess zu extrahieren. Dieser Aspekt wird kontrovers diskutiert.
Trotz einiger Vorteile von Flüssigsalzreaktoren wurden bis heute nur zwei kleinere Forschungsreaktoren gebaut. Für die kommerzielle Energiegewinnung im großen Stil werden sie – neben fünf anderen Konzepten – im Rahmen des Generation IV International Forum für zukünftige Kernkraftwerke untersucht.
Im Jahr 2021 beschloss TerraPower den Bau eines Small-Modular-Flüssigsalzreaktors in Wyoming mit einer Leistung von 345 Megawatt, vorübergehend auch bis zu 500 Megawatt. Der Reaktor soll am Standort eines ehemaligen Kohlekraftwerks (Kemmerer) die Dekarbonisierung und den Wandel Wyomings weg vom „Kohlestaat“ augenfällig machen.
Einige der Befürworter halten den LFTR für einen wichtigen und sinnvollen Beitrag zur globalen Energieversorgung. Beispielsweise sieht China das Konzept des Flüssigsalzreaktors als wichtige Komponente für die mittel- und langfristige Energieversorgung.
Die theoretische Möglichkeit, dem Kreislauf hoch radioaktive langlebige Spaltprodukte aus konventionellen Reaktoren beizumischen, um sie in Isotope mit niedriger Halbwertszeit zu transmutieren, wird kontrovers diskutiert.