Der Geisterseher
Der Geisterseher (Aus den Memoiren des Grafen von O**) ist ein Romanfragment Friedrich Schillers, das in mehreren Fortsetzungen zwischen 1787 und 1789 in der Zeitschrift Thalia erschien und später in drei Buchausgaben veröffentlicht wurde. Zeittypische Elemente wie Geisterbeschwörung, Spiritismus und Verschwörungen verknüpfend, kam der Text der Leseerwartung entgegen und brachte Schiller zu Lebzeiten den größten Publikumserfolg ein. Die romantische Schauer- und deutschsprachige Kriminalliteratur wurden durch ihn nachhaltig beeinflusst.
Schiller beschreibt in seiner Erzählung die Intrige einer jesuitischen Geheimgesellschaft, die einen protestantischen Prinzen zum Katholizismus bekehren und ihm zugleich die Krone in seinem Stammland sichern will, um dort die eigene Machtbasis auszubauen. Am Schicksal des Prinzen verdeutlicht Schiller den für ihn zentralen Konflikt zwischen Leidenschaft und Sittlichkeit, Neigung und Pflicht. In den religions- und geschichtsphilosophischen Passagen des Werkes zeigen sich seine Ideale der Aufklärung als Religions- und Gesellschaftskritik, die bereits auf die spätere intensive Beschäftigung mit Immanuel Kant hindeuten.
Stil und Struktur des Werkes sind wegen der schleppenden Entstehung und Schillers Abneigung gegenüber dem Projekt nicht einheitlich und reichen von rhetorisch stilisierter Prosa über dramatische, an Don Karlos erinnernde, Dialoge bis zu Kolportageelementen der Unterhaltungsliteratur.