Juristische Sekunde
Die juristische Sekunde oder logische Sekunde ist eine aus dem römischen Recht stammende Erklärungsfigur in der Rechtswissenschaft. Sie bezeichnet einen fiktiven Zeitraum, der zur Veranschaulichung zwischen zwei als aufeinanderfolgend vorgestellte Rechtswirkungen desselben physischen Ereignisses eingeschoben wird. Diese logische Sekunde ermöglicht es, zu erklären, dass ein Ereignis rechtlich gewollte und wünschenswerte Folgen hat, die nach anderen Rechtssätzen aber ausgeschlossen wären. So veranschaulichte die logische Sekunde im römischen Recht die Möglichkeit, durch letztwillige Verfügung einen Sklaven freizulassen und ihm ein Legat zuzuwenden. Hier wurde durch die Freilassung erst die Rechtslage geschaffen, in der eine Zuwendung erfolgen konnte. Sie musste daher logisch vor der Zuwendung erfolgen. Der in der natürlichen Zeit einheitliche Vorgang des Erbfalles wurde dabei in zwei konstruierte, durch eine fiktive Zeiteinheit getrennte zeitlich aufeinanderfolgende Ereignisse (Freilassung und Zuwendung) aufgespalten, um dem freigelassenen Sklaven den Erwerb des Legats zu ermöglichen. Ein weiteres Einsatzgebiet besteht dann, wenn eine Rechtsänderung auf eine Kette aufeinander aufbauender Rechtsgeschäfte zurückzuführen ist, die alle durch dasselbe Ereignis wirksam werden.