Karäer
Die Karäer (karaimisch Къарайм Qarajm, Къараймлер Qarajmler) (auch hebräisch בני המקרא Bene ha-Miqra, deutsch ‚Söhne des Lesens‘ oder als hebräisch יהדות קראית Yahadut Qara'it) verstehen sich als jüdische Religionsgemeinschaft, die sich seit dem 7./8. Jahrhundert n. Chr. als Oppositionsbewegung gegen die Auslegung der jüdischen Gebote mit dem Talmud im dominierenden rabbinischen Judentum herausbildete und sich bis zum 12. Jahrhundert in den meisten orientalisch-jüdischen Gemeinschaften, auch im Byzantinischen Reich vom islamischen Spanien und dem Balkan bis nach Mittelasien (aber nicht in West- und Mitteleuropa) verbreitete, ab dem 16. Jahrhundert aber wieder viele Anhänger verlor. Im 19. Jahrhundert existierten größere Anhängerschaften des Karäertums nur noch auf der Krim und in einigen osteuropäischen Regionen, deren Vorfahren im Spätmittelalter auch von der Krim gekommen waren, sowie in Ägypten. Sehr kleine Restgemeinschaften bestanden daneben noch in Istanbul, Jerusalem und im Irak. Die meisten Karäer, besonders die orientalischen, wanderten im 20. Jahrhundert vorwiegend nach Frankreich und Israel aus.
Aus historisch gewachsenen Gründen wird besonders die turksprachige Volksgruppe der Krim und Osteuropas als Karäer bezeichnet, entstanden aus einer Gruppe Anhänger der karäischen (nicht-rabbinischen) jüdischen Religion, deren Sprache auf der Krim entstand. Sie breitete sich im Spätmittelalter durch Ansiedlung von Gemeinden anfangs nach Trakai (Litauen, polnisch Troki), von dort auch nach Panevėžys (in Litauen) und Wizebsk (heute Belarus), sowie nach Luzk (heute Ukraine, Region Podolien) und Halytsch (mit dem Vorort Salukwa; Galizien/ Ukraine), früher auch in einzelne Dörfer der näheren und ferneren Umgebung (wie Šėta/Westlitauen oder Kukesiw, westlicheres Ostgalizien) aus. Mit der Verstädterung entstanden kleine karäische Gemeinden in Vilnius, Warschau, Kiew, Odessa, Charkiw, Jewpatorija und anderen osteuropäischen Städten, wo ihre traditionelle Umgangssprache oft außer Gebrauch kam. Diese Karäische oder Karaimische Sprache gehört zur pontisch-aralischen Untergruppe des nordwestlichen Zweiges der Turksprachen und unterteilt sich in den östlichen Dialekt auf der Krim mit nur noch wenigen aktiven Sprechern, den südwestlichen Dialekt in Galizien und Podolien (letzte Sprecher in Halytsch und Salukwa) und einen nordwestlichen Dialekt in Litauen und Belarus (letzte Sprecher in Trakai). Die früher ebenfalls im Alltag turksprachigen rabbinischen Juden der Krim sind die Krimtschaken. Über den Ursprung der Krim-Karäer und osteuropäischen Karäer gibt es mehrere Gründungslegenden.