Völkerschau

Völkerschau (im internationalen Sprachgebrauch heute geläufig als Menschenzoo, englisch human zoo, französisch zoo humain) ist ein Sammelbegriff für verschiedene Formen der kommerziellen Zurschaustellung indigener, als „Wilde“ oder „exotisch“ stigmatisierter Menschen in Zoos und Vergnügungsparks oder auf Welt- und Kolonialausstellungen in Europa, den USA und Japan zwischen 1875 und 1940.

Den Völkerschauen gingen verschiedene, weit in die Vergangenheit zurückreichende Formen der Zurschaustellung „fremdartig“ wahrgenommener Menschen voraus. Sie entwickelten sich im Laufe des 19. Jahrhunderts auf Jahrmärkten und in Freak Shows zu einer zunehmend erfolgreichen Gattung der Schaustellerei. Völkerschauen grenzen sich von diesen früheren Formaten durch weit größere und um mehr Authentizität bemühte Inszenierungen ab, beispielsweise der Nachbildung ganzer „Eingeborenendörfer“ oder aufwändiger Aufführungen von Tänzen oder Schaukämpfen in künstlichen Kulissen. Sie erwiesen sich für die Veranstalter, den sogenannten Impresarios, als lukratives Unterhaltungsgeschäft. Seit der zweiten Hälfte der 1870er Jahre verbreiteten sich die Völkerschauen ausgehend von Hamburg in nur wenigen Jahren über viele Staaten Europas bis nach Nordamerika und Japan. In den 1890er Jahren wurden sie zunehmend auch in Welt- und Kolonialausstellungen integriert und zur Legitimation der Kolonialpolitik instrumentalisiert.

Völkerschauen waren aufgrund des enormen Besucherandrangs bis in die 1930er Jahre ein verbreitetes Massenphänomen. Nach Schätzungen wurden in der etwa sechs Jahrzehnte dauernden Hochphase der Völkerschauen weltweit bis zu 25.000 Menschen „ausgestellt“, die Gesamtzahl der zahlenden Besucher lässt sich auf hunderte Millionen schätzen. Sie gelten in der Forschung als maßgeblich wirksam bei der Verbreitung eines rassistisch begründeten Chauvinismus der Gesellschaften der Kolonialmächte.

Eine breite kritische wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den seit der Mitte des 20. Jahrhunderts nur noch wenig rezipierten und erinnerten Völkerschauen setzte ab dem Jahr 2000 ein. In der Wissenschaft gelten sie als interdisziplinäres Forschungsfeld der Kolonial- und Gesellschaftsgeschichte, der Kultursoziologie und Anthropologie sowie des Postkolonialismus.

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