Leyenda negra
Der Begriff „Schwarze Legende“ (spanisch Leyenda negra) bezeichnet ein seit dem 16. Jahrhundert verbreitetes, antispanisches und oft auch antikatholisches, propagandistisch überzeichnetes Geschichtsbild. Es beschreibt die katholischen Spanier als fanatisch, brutal, menschenverachtend, faul und rückständig. Die Urheber waren die vorwiegend protestantisch geprägten Länder des nord- und mitteleuropäischen Raums, allen voran England und die Niederlande, die in wirtschaftlicher, politischer und religiöser Konkurrenz zu dem spanisch-katholischen Weltreich standen.
Der Begriff wurde u. a. vom Historiker und Soziologen Julián Juderías (1877–1918) geprägt. Kernpunkte der Legende seien u. a. die einseitige Anprangerung der von Spanien begangenen Verbrechen, während jene von anderen Ländern verschwiegen oder kaum thematisiert werden. Als Beispiel kann die Behandlung der Eingeborenen in Süd- und Mittelamerika durch die Spanier gegenüber jener der Eingeborenen Nordamerikas durch Angelsachsen oder der Eingeborenen Afrikas durch Briten, Niederländer, Franzosen sowie Belgier herangezogen werden. Des Weiteren existiere die Dämonisierung spanischer Institutionen und Handlungen im Vergleich zu den entsprechenden Einrichtungen anderer Staaten. So besteht z. B. noch heute gemeinhin die Ansicht, die spanische Inquisition allein habe massive Hexenverfolgung betrieben, obwohl sie diese oft als Aberglauben bekämpft hat, während gerade protestantische Geistliche, darunter Luther, massiv zu ihr aufriefen. Positive Aspekte der spanischen Geschichte würden dabei ausgelassen: beispielsweise wurde auf die Werke von Bartolomé de Las Casas verwiesen, dabei aber nicht gewürdigt, dass eine solche massive Kritik der Politik des eigenen Landes in Spanien möglich war und positive Veränderungen zur Folge hatte. Spanische Gewalttaten seien zudem ungenau, fehlerhaft und übertrieben dargestellt. Unter Berufung auf Las Casas lastete man die sinkende Zahl amerikanischer Indigener spanischen Massakern an, während die von den Europäern eingeschleppten Krankheiten als Erklärung außer Acht gelassen wurden, gegenüber denen die Indios über keine Immunabwehr verfügten. Schließlich sei die Betrachtung spanischer Aktionen vom historischen Kontext losgelöst; so werden die Konquistadoren an modernen ethisch-moralischen Grundsätzen gemessen, die Menschenopfer, Kriegszüge und streng hierarchischen Gesellschaftsordnungen der Azteken und Inkas hingegen mit dem kulturellen und zeitlichen Kontext erklärt.