Moulage
Moulagen sind farbige dreidimensionale und lebensgroße Abformungen von Körperteilen zur naturnahen Wiedergabe menschlicher Krankheitsbilder. Das Wort stammt von französisch mouler (,formen‘, ‚abformen‘) bzw. moule (‚Gussform‘) und über altfranzösisch modle von lateinisch modulus und ist verwandt mit deutsch Model.
Bis in die 1950er Jahre wurden in der Medizin, insbesondere in der Dermatologie und Venerologie, zu Lehrzwecken und zur Krankheitsdokumentation krankhafte Befunde plastisch nachgebildet. Erste Moulagen wurden bereits zu Anfang des 19. Jahrhunderts hergestellt. Seit dem ersten Internationalen Kongress für Haut- und Geschlechtskrankheiten 1889 im Musée des Moulages am Hôpital St. Louis in Paris galten Moulagen als die idealen Lehrmittel im dermatologischen universitären Unterricht.
Hierzu wurden Abdrücke, beispielsweise aus Gips, später auch aus Silikon, genommen und mit einem Wachs- oder Wachs-Harz-Gemisch ausgegossen. Die Rohmodelle wurden nach dem Aushärten aus der Abdruckform entnommen und direkt beim Patienten bemalt. Auf diese Weise sind bis heute Moulagen bzw. Bilder von diesen erhalten, die bildlich einem Originalbefund nahekommen.
Angefertigt wurden die Wachsbilder in der Frühzeit häufig von interessierten Medizinern, ab 1900 dann meist von ausgebildeten Künstlern. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg wurden zunehmend auch Frauen als Moulagenbildnerinnen tätig, deren Anteil in den Folgejahren stetig stieg. In den 1950er Jahren galt die Tätigkeit bereits explizit als „Frauenberuf“. Versuche zur Etablierung eines eigenständigen Berufsbildes kamen in den 1920er und 1930er Jahren nicht über Ansätze hinaus.
Moulagen wurden nicht nur als Hilfsmittel in der Vorlesung eingesetzt. Sie waren Vorlagen für qualitativ hervorragende und dennoch kostengünstige Farbdrucke (Citochromie-Technik) in Atlanten und Lehrbüchern, aber auch in wissenschaftlichen Publikationen. Auf wissenschaftlichen Tagungen dienten die Wachsmodelle als Anschauungsobjekte zur Diskussion von Fallgeschichten. Zur Aufklärung und Abschreckung wurden Moulagen von Geschlechtskrankheiten in der Öffentlichkeit gezeigt.
Nachdem die dreidimensionalen lebensgroßen Wachsobjekte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch die Farbfotografie fast in Vergessenheit geraten sind, wurden sie in den letzten Jahren wiederentdeckt. Heute werden sie als wertvolle medizinhistorische Dokumente geschätzt, die teilweise Krankheiten zeigen, die es heute in dieser Form kaum oder nicht mehr gibt (z. B. Spätformen der Syphilis, Hauttuberkulose, Pocken). Gut erhaltene Sammlungen haben auch wieder eine Bedeutung in der Lehre gewonnen und werden von Studierenden der Medizin zur Vorbereitung des Staatsexamens genutzt. In der Dermatologischen Klinik des Universitätsspitals Zürich findet seit einigen Jahren auch der Einführungskurs in das Spezialfach der Haut- und Geschlechtskrankheiten im Moulagenmuseum statt.