Ordre public (Deutschland)
Unter dem ordre public (französisch für öffentliche Ordnung) versteht man im internationalen Privatrecht und im internationalen öffentlichen Recht das Grundlegende der inländischen Wertvorstellungen. Insbesondere versteht man darunter im Bereich des Völkerrechts den Vorbehalt gegenüber einem Schiedsspruch einer internationalen Organisation oder gegenüber der Anwendung eines völkerrechtlichen Vertrags, wenn dieser wesentlichen innerstaatlichen Rechtsgrundsätzen widerspricht.
Der Vorbehalt des ordre public tritt in zwei Varianten auf:
- Der kollisionsrechtliche Ordre-public-Vorbehalt sieht vor, dass ausländisches Recht ausnahmsweise dann nicht anzuwenden ist, wenn es wesentlichen Grundsätzen des inländischen Rechts widerspricht. In Deutschland ist er hauptsächlich in Art. 6 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) und Art. 21 Rom I-VO geregelt.
- Der anerkennungsrechtliche Ordre-public-Vorbehalt hat zum Inhalt, dass ausländische Entscheidungen ausnahmsweise nicht anerkannt bzw. für vollstreckbar erklärt werden, wenn die Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung mit wesentlichen Grundsätzen des inländischen Rechts im Widerspruch stünde. In Deutschland ist er unter anderem in § 328 Abs. 1 Nr. 4 Zivilprozessordnung (ZPO) und Art. 45 Abs. 1 lit. a EuGVVO (Art. 34 Nr. 1 EuGVVO a.F.) geregelt. Von Art. 45 Abs. 1 lit. a EuGVVO ist allerdings nur der verfahrensrechtliche ordre public erfasst.
Zwischen den beiden Ausprägungen des Ordre-public-Vorbehalts gibt es zahlreiche Ähnlichkeiten. So sind die Generalklauseln in allen Fällen ähnlich formuliert, es ist immer von „öffentlicher Ordnung“ bzw. „wesentlichen Grundsätzen“ des inländischen Rechts die Rede. Zudem ist sowohl bezüglich des kollisionsrechtlichen als auch bezüglich des anerkennungsrechtlichen Ordre-public-Vorbehalts anerkannt, dass die jeweiligen Vorbehaltsklauseln eng auszulegen und nur in Ausnahmefällen anzuwenden seien. Dennoch lassen sich Auslegungsgrundsätze nicht ohne weiteres übertragen. Das Interesse an der Anwendung bestimmten ausländischen Rechts, von dem der kollisionsrechtliche Ordre-public-Vorbehalt eine Ausnahme macht, ist nämlich nicht gleichzusetzen mit dem Interesse an der Anerkennung ausländischer Entscheidungen, das vom anerkennungsrechtlichen Ordre-public-Vorbehalt durchbrochen wird.
Abgesehen von der systematisch vorgegebenen Einteilung in eine „kollisionsrechtliche“ und eine „anerkennungsrechtliche“ Vorbehaltsklausel sind dem Ordre-public-Vorbehalt zahlreiche Etiketten angeheftet worden, die bestimmte Auslegungskonzepte beschreiben sollen, etwa „ordre public international“, „ordre public universel“, „völkerrechtlicher ordre public“, „europäischer ordre public“.