Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie

Die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) (synonym: Marchiafava-Micheli-Syndrom) ist eine seltene, potenziell lebensbedrohliche Erkrankung des Blutes, bei der es durch einen erworbenen Gendefekt zur Zerstörung vor allem roter Blutkörperchen (Erythrozyten) durch einen Teil des Immunsystems, das Komplementsystem, kommt.

Klassifikation nach ICD-10
D59.5 Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie [Marchiafava-Micheli], exkl. Hämoglobinurie o.n.A.
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Die PNH kann durch eine Anämie mit Kurzatmigkeit und schnellem Herzschlag, Thromboseneigung, starke Erschöpfung, Bauch- und Rückenschmerzen und eine Dunkelfärbung des Urins durch Hämoglobin (Hämoglobinurie) auffallen. Die Symptome können sich anfallsartig (paroxysmal) verschlimmern. Die namensgebende nächtlich auftretende Hämoglobinurie tritt nur bei einem Viertel der Patienten auf. Der Verlauf kann sehr unterschiedlich sein, die Krankheit ist unbehandelt aber häufig tödlich. Die häufigste Todesursache sind Thrombosen, häufig an untypischen Stellen wie den Lebervenen oder am Gehirn (Sinusthrombose).

Die Ursache liegt im Knochenmark, wo aus blutbildenden Stammzellen die Blutzellen gebildet werden. Bei Menschen mit PNH liegt in einer oder mehreren blutbildenden Stammzellen ein Defekt des PIGA-Gens vor, wodurch ein bestimmter Stoff nicht mehr gebildet werden kann: das Glycolipid GPI. GPI ist ein sogenannter Proteinanker, der verschiedene Proteine an der Zelloberfläche befestigt. Unter diesen Proteinen sind zwei wichtige Proteine (CD55 und CD59), die sonst die Blutzellen vor dem Angriff des Komplementsystems schützen. Daher werden alle Blutzellen ohne GPI vom Komplementsystem attackiert, die roten Blutkörperchen sind aber sehr viel anfälliger als die anderen Zellen.

Die PNH ist häufig ein Begleitphänomen der aplastischen Anämie, bei der es zum allgemeinen Rückgang der Stammzellen im Knochenmark kommt. Vermutlich liegt dem eine Autoimmunreaktion gegen die normalen Stammzellen mit GPI zugrunde, wodurch sich die Stammzellen mit GPI-Defekt ausbreiten können. Die Vorgänge im Knochenmark sind Gegenstand der aktuellen Forschung.

Der Greifswalder Arzt Paul Strübing beschrieb 1882 den ersten Fall eines Patienten mit paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie. Die Erforschung der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie führte zur Entdeckung des alternativen Wegs der Komplementaktivierung und dadurch zu einem besseren Verständnis der humoralen Immunantwort. Gleichzeitig ist die Erkrankung ein Beispiel dafür, wie Forschung sowohl von sorgfältigen Experimenten als auch von glücklichen Zufällen abhängt.

Bis 2007 konnte die Erkrankung nur unterstützend behandelt werden, z. B. mit Bluttransfusionen. Für schwere Fälle stand als letztes Mittel die Knochenmarktransplantation zur Verfügung. Seit 2007 ist mit Eculizumab (Handelsname: Soliris; Hersteller: Alexion) eine zielgerichtete Therapie der Erkrankung möglich. Der Wirkstoff hemmt den Angriff des Komplementsystems.

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