Präsidialkabinett
Als Präsidialkabinette bezeichnet man gemeinhin die letzten drei Reichsregierungen der Weimarer Republik von 1930 bis 1933 unter Heinrich Brüning (Zentrum), Franz von Papen (parteilos) und Kurt von Schleicher (parteilos). Zuweilen ist auch von einer Präsidialdiktatur die Rede, manchmal wird aber auch zwischen einer Präsidialregierung und einer Präsidialdiktatur unterschieden, wobei der Unterschied zwischen Brüning und den beiden anderen Kanzlern gemeint ist (siehe unten).
Nach Art. 53 Weimarer Reichsverfassung wurde jedes Reichskabinett vom Reichspräsidenten eingesetzt. Der entscheidende Unterschied zu vorigen Minderheitsregierungen und charakteristisch für diese letzte Phase der Weimarer Republik war, dass Reichspräsident Paul von Hindenburg die Reichsregierung auf besondere Weise stützen musste: Er machte dazu vom Artikel 48 der Verfassung Gebrauch, dem zufolge der Reichspräsident Notverordnungen mit Gesetzeskraft ausfertigen durfte. Auch wenn der Reichstag diese Notverordnungen mit einfacher Mehrheit aufheben konnte, ließ sich dadurch die Gesetzgebungstätigkeit des Parlaments umgehen.
Gründe für Hindenburg, dieses Mittel einzusetzen, waren neben der Kompromissunfähigkeit der Flügelparteien im Streit um die Arbeitslosenversicherung seine erklärte Absicht, die SPD aus der Regierungsverantwortung zu drängen. Dies führte zum Bruch der Großen Koalition unter Reichskanzler Hermann Müller am 27. März 1930 (Kabinett Müller II). Anschließend hätten SPD, Zentrumspartei, Bayerische Volkspartei und Deutsche Demokratische Partei auch ohne die kompromissunwillige Deutsche Volkspartei zwar immer noch eine Mehrheit gehabt, doch die bürgerlichen Parteien unterstützten lieber den neuen Kanzler Heinrich Brüning vom Zentrum. Bei den Reichstagswahlen vom 14. September 1930 verloren die republikfreundlichen Parteien; die NSDAP erhielt 18,3 Prozent der Wählerstimmen.
Die Kabinette Brüning I und Brüning II waren bürgerliche Minderheitskabinette. Die in der Regierung nicht vertretene SPD tolerierte im Gegensatz zu KPD, DNVP und NSDAP diese Kabinette, wobei der Haushalt des Kabinetts Brüning I zwischenzeitlich noch von der SPD abgelehnt wurde, was Hindenburg mit der Auflösung des Reichstags erwiderte. Nachdem Brüning von Hindenburg im Mai 1932 entlassen worden war, änderte sich dies: Die SPD war nicht bereit, Brünings Nachfolger Papen zu tolerieren, und nach der Neuwahl am 31. Juli hatten KPD und NSDAP auch ohne SPD eine negative Mehrheit im Reichstag. So bedeutete allein schon der reguläre Zusammentritt des Reichstags eine Gefährdung für die Regierung, da dort sogleich deren Rücktritt gefordert wurde. Durch Auflösung des gerade neugewählten Reichstags bei dessen erster Sitzung, entsprechend einer Verordnung von Hindenburgs, verschaffte sich die Regierung Papen etwas Luft. Reichspräsident von Hindenburg aber wollte die instabilen Präsidialkabinette nicht weiter fortführen und stattdessen wieder ein Kabinett auf parlamentarischer Grundlage sehen. So stimmte er, nachdem auch Papens Nachfolger Kurt von Schleicher gescheitert war, der Koalitionsregierung Hitlers zu, die am 30. Januar 1933 ihr Amt antrat. Sie war gebildet von NSDAP und DNVP unter Beteiligung von Papens und erhielt erst nach erneuter Reichstagsauflösung und der Neuwahl am 5. März eine parlamentarische Mehrheit.